Der Erft-Kurier rechnet mit Marc Zellerhoff ganz genau nach Wenn es um jede Minute gehen muss!

Grevenbroich · Acht Minuten Zwölf Minuten. 20 Minuten 36 Stunden. Das sind die entscheidenden Zahlen für einen funktionierenden Rettungsdienst. Sie werden vom Kreis in spinnennetzartigen „Zeit-Isochronen“ berechnet. Und sie sind die Zahlen, die derzeit vom Landes-Gesundheitsministerium gegengerechnet werden. Der Erft-Kurier begab sich zusammen mit Marc Zellerhoff, dem ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes im Rhein-Kreis, auf Fakten-Check.

Die Zeit-Isochrone für einen Unfall mitten in Rommerskirchen. In 20 Minuten kann gerade noch die Notfallambulanz in Hackenbroich erreicht werden.

Foto: RKN./Rerpo

Wie lange braucht der Krankenwagen bis zum Unfallort? Wie schnell ist der Patient im RTW dann im Krankenhaus? Das sind die Fragen, die derzeit eifrig diskutiert werden – in Politik und Bevölkerung (mit Blick auf die geplante komplette Schließung der Notfallambulanz am Grevenbroicher Krankenhaus). Und in der Kreisverwaltung. Da zusätzlich mit Blick auf den neuen Rettungsdienstbedarfsplan. Und irgendwann im Gespräch nutzt Marc Zellerhoff das Bild von „der großen Glaskugel“, vor der er mitunter sitze ...

Das Gesetz schreibt vor, dass „das erste Rettungsmittel“ im städtischen Raum nach acht Minuten und im ländlichen Raum nach zwölf Minuten am Einsatzort sein muss. „Rettungsmittel“ können RTW, KTW, Notarzt, aber auch Spezialfahrzeuge (beispielsweise der Kinder-Krankenwagen) sein.

Marc Zellerhoff.

Foto: RKN.

In Grevenbroich starten sie an der Rettungswache am Industriegebiet-Ost und der Notarztwagen (auch nach Schließung der Notfallambulanz) vom „St. Elisabeth“-Krankenhaus.

Fakt ist: Im vergangenen Jahr gab es 85.000 Einsätze (RTW, KTW, Notarzt). Die „Hilfsfrist“ wurde in über 90 Prozent der Fälle eingehalten – so wie es das Gesetz vorschreibt.

Foto: RKN./Rerpo

Wenn nach der Erstversorgung am Einsatzort ein Transport in die Klinik erforderlich ist, sollte die nach Landesvorschrift in 20 Minuten erreichbar sein. Der Bund schreibt übrigens 30 Minuten vor. Und auch der Bürger sollte „seine“ Klinik in 20 Minuten erreichen können.

Dabei ist natürlich die Wertigkeit der zur Verfügung stehenden Straßen von Bedeutung: „Die A 46 ist morgens dicht und um Mitternacht so gut wie leer. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit“, nennt Marc Zellerhoff als Beispiel.

Zuletzt wurden etwa 250 Patienten im Monat mit dem RTW ins „St. Elisabeth“ eingeliefert. Nimmt man das als Grundlage und rechnet die verlängerten Rückkehrzeiten in die Ausgangswache mit ein (zweimal 13 Minuten mehr), dann ergeben sich 36 Stunden in der Woche, in denen ein zusätzlicher RTW für Grevenbroich und Umgebung in Bereitschaft gehalten werden muss.

„Schon während der Fahrt sehen die Rettungssanitäter die Aufnahmemöglichkeiten in den Krankenhäusern“, betont Landrat Hans-Jürgen Petrauschke. So würde immer das nächste angesteuert, das Kapazitäten habe. Schlaganfall- und Herzinfarkt-Patienten würden schon seit einiger Zeit direkt nach Neuss gefahren.

Hier merkt Zellerhoff an, dass „Kommunikation wichtig“ sei, da die Krankenhäuser schon „ordentlich voll“ seien. Und hier werden andere Zahlen bedeutsam: Nur 30 Prozent der Patienten der bisherigen Notfallambulanz am Grevenbroicher Krankenhaus seien per Rettungsdienst gekommen. Die Mehrheit (70 Prozent) seien selbst gekommen oder von Angehörigen gebracht worden.

Marc Zellerhoff fragt, wie sich diese 70 Prozent dann in Zukunft verhalten werden: „Fahren die in die Klinik und in welche? Rufen Sie die 112? Oder gehen sie dann doch zum Hausarzt? Das weiß man nicht.“

Bei seinen Berechnungen geht der Kreis davon aus, dass das Etienne-Krankenhaus und das in Rheydt von der Schließung der Grevenbroicher Notfall-Ambulanz auch betroffen sein werden. Das entsprechende Personal des „St. Elisabeth“ jedenfalls soll im Lukaskrankenhaus eingesetzt werden.

Ziel sei es, die 36 Stunden mehr an bereitstehenden Rettungswagen innerhalb von drei Monaten sicherzustellen. „Nadelöhr“ ist dabei nicht das Fahrzeug, sondern dessen Besatzung, die von freien Trägern gestellt wird. Die müssen nach zusätzlichen Notfall- und Rettungssanitätern suchen. Und das in Zeiten des Fachkräftemangels.

Mit Schichtbetrieb und Ersatzleuten an Wochenenden und in Ferienzeiten werden, so der Kreis, zehn zusätzliche Sanitäter gebraucht.

Übrigens: Bei den Zeit-Isochronen gibt es durchaus auch blinde Flecken („Das Tagebaugebiet ist eine totale Herausforderung.“). Und andere Orte befinden sich im Wandel. Rommerskirchen zum Beispiel sei stark gewachsen, sodass vielleicht ein RTW nicht mehr reiche.