„Die Feldhamster-Population ist doch mehr Zoo als Natur“ Deutschlands wertvollste Äcker sollen jetzt der Windkraft geopfert werden
Nettesheim · Verwaltung, Politik und Bürger stehen geschlossen und kämpfen gemeinsam den Kampf gegen zu viel Windkraft auf Rommerskirchener Boden. Gegner sind das Land und vor allem die Bezirksregierung. Doch sie sind bei ihrem „Kampf gegen die Windmühlen“ auf Hilfe angewiesen ...
Dabei geht es nicht allein um die bekannten Nachteile der ansonsten hochgelobten Windkraftanlagen: Lärmbelästigung, Sichtachsenverschiebung, Infraschall und Betriebsmittelflug, wie Manfred Schauf vom Verein „Pro Natur und Heimat“ auflistet. Vielmehr geht es um „Sozialverträglichkeit und Gerechtigkeit“, aber auch um wertvolles Ackerland.
Punkt 1: Die derzeit im Verfahren befindliche 18. Änderung des Flächennutzungsplanes verfolgt das Ziel, für Nordrhein-Westfalen ausreichend große Flächen für Windkraft auszuweisen. 1,8 Prozent der Landesfläche sind das vorgegebene Ziel.
Für Rommerskirchen stehen allerdings 8,3 Prozent der Gemeindefläche im Entwurf. „Wir sind die Gemeinde mit dem allergrößten Anteil im Regierungsbezirk“, merkt Schauf an und kritisiert: „Ganz anders auf der rechten Rheinseite: Da sind nirgendwo neue Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen.“
Dass dann ausgerechnet „Im Muhrental“ zehn Windräder mit einer Höhe von 260 Meter errichtet werden sollen (Punkt 2), ruft Gottfried Leuffen auf den Plan. Der langjährige und verdiente Politiker aus den Reihen der CDU engagiert sich ebenfalls im Verein „Pro Natur und Heimat“. Er betont: „Diese Fläche auf der ,Rommerskirchener Lößplatte‘, die umgeben wird von den Dörfern Oekoven, Deelen, Evinghoven, Anstel, Frixheim und Nettesheim/Butzheim, ist der beste Boden, den Deutschland landwirtschaftlich zu bieten hat.“
Und er fährt fort: „Da haben schon die Römer gesiedelt. Und die Leute haben seit Generationen dieses Land immer geschützt. Für mich ist es Heimat“. Die über 100 Hektar „Rommerskirchener Lößplatte“ seien jetzt in Gefahr. „Die Bürger erkennen die Dimensionen noch nicht“, befürchtet er offen. Und dabei denkt er nicht nur an die Höhe der drohenden Windräder, die zum Beispiel den Kölner Dom um satte 100 Meter überragen werden.
Straßen und Zuwegungen müssen dort gebaut werden, wo man derzeit „im Sommer wogende Kornfelder sieht“. Mehr noch: Pro Windrad wird eine Fläche von 5.000 Quadratmeter Umfeld gebraucht. „Diese Fläche kann man für alle Zeit für die Landwirtschaft vergessen“ und auch die angrenzenden Bereiche, die dann noch Acker bleiben, werden durch die Betriebsmittel, die von den Windrädern in die Umgebung geschleudert werden, deutlich schlechter werden, bestätigen auch Bio- und Ökologen klar.
Der Gemeinderat argumentiert schon seit mehr als drei Jahren gegen die Windkraftanlagen im „Muhrental“, hatte eine Alternativfläche im „Butzheimer Feld“ (Altrheinarm mit sandigem Boden) vorgeschlagen.„Dort wurde vor Jahren eine Rohrweihe gesichtet“, beschreibt Leuffen das Gegenargument.
Das er natürlich nicht stehen lassen will: Die Rohrweihe sei ein Wandervogel und ob sie also dort noch agieren würde, sei vollkommen unklar. Eine Feldhamster-Population ist zudem das Gegenargument gegen einen weiteren von der Gemeinde präferierten Standort.
„Da kuscht natürlich alles. Aber die Population dort wurde von Menschen angesiedelt und muss mit Elektrozäunen geschützt, kaserniert werden. Das ist mehr ein Zoo als Natur.“
Übrigens: Wie immer gibt es auch in diesem Fall ein paar Rommerskirchener, die nichts gegen die Windräder im „Muhrental“ hätten: „Ein paar privilegierte Flächenbesitzer haben den Nutzen, die Mehrheit hat den Schaden“, macht Manfred Schauf seinem Ärger Luft.
Und dieser „Nutzen“ hat es in sich: Die Landbesitzer kassieren pro Windrad einen durchaus erklecklichen Betrag: Bürgermeister Mertens sprach von 80. bis 100.000 Euro; Leuffen weiß aus eigener Ansprache, dass inzwischen auch von 160.000 Euro die Rede sei. Pro Jahr und für 20 Jahre lang. „Die Berufskollegen freuen sich“, kommentiert Leuffen.
Vereins-Kollege Schauf mahnt: „Das Projekt stört die Lebensqualität von Rommerskirchen. Dann zieht keiner mehr hierhin. Wer will hier noch bauen, wenn er mitten zwischen Windkraftanlagen leben soll?“
Und Leuffgen ergänzt: „Die Bürger werden überfahren. Das wird von oben durchgesetzt und die Leute vor Ort werden nicht gefragt.“
Deswegen hat Bürgermeister Mertens eine Unterschriftenliste gegen diese Planung initiiert. Während der Öffnungszeiten liegt diese im Bürgerbüro im Rathaus aus. Das Beteiligungsverfahren der Bezirksregierung ist im Beteiligungsportal der Bezirksregierung zu finden unter www.beteiligung.nrw.de/portal.
Über die dort abgegebenen Widersprüche muss dann noch einmal der Regionalrat beraten. Quasi die letzte Chance, doch noch zu einer anderen Lösung zu kommen und das „Muhrental“ zu retten. Dort vertreten sind unter anderem Kreisdirektor Dirk Brügge und SPD-Ikone Rainer Thiel. Ganz Rommerskirchen hofft auf entsprechende Einsichten.