„Es gilt, immer neugierig zu bleiben“ Heinz Kiefer, Vorsitzender des Stadtsportverbands Jüchen, im Interview

Jüchen · Der Sport lebt vom Einsatz zahlreicher Ehrenamtler. Auch der Stadtsportverband wird von engagierten Menschen geführt. Der Top-Kurier traf Heinz Kiefer, Vorsitzender des SSV Jüchen, zum Interview.

Heinz Kiefer, Vorsitzender des SSV Jüchen.

Foto: privat

Herr Kiefer, was schätzen Sie an der Stadt Jüchen?

Ich habe eine sehr starke Verbundenheit zu meinem Heimatort Gierath-Gubberath, aber auch zur Stadt Jüchen. Ich bin seit 1960 im BSV Gierath-Gubberath, wo ich 1989/90 Schützenkönig war, seit 1963 beim SV Bedburdyck-Gierath sowie seit 1966 beim TTC RW Gierath, heute SG RW Gierath, aktiv – ich bin hier verwurzelt.

Der Sport spielte schon früh eine Rolle in Ihrem Leben. Bis heute setzen Sie sich ehrenamtlich, unter anderem als 1. Vorsitzender der SG RW Gierath, ein. Wie sind Sie eigentlich zum Sportehrenamt gekommen?

Das fing 1974 an mit der Vorstandsarbeit beim TTC RW Gierath. Ein Jahr war ich 2. Jugendwart und im Anschluss daran 1. Jugendwart. Ich habe ein paar Jahre Pause gemacht und bin 1980 dann wieder in das Ehrenamt eingestiegen. Mein Schwiegervater war Geschäftsführer beim TTC RW Gierath und sagte damals einen Tag vor der Mitgliederversammlung: Morgen musst du das Amt übernehmen. Ich hatte von nichts eine Ahnung. (lacht) So bin ich in das Sportehrenamt gerutscht und bis heute aktiv.

Seit 23 Jahren setzen Sie sich nun auch schon für den Sport und das Sportehrenamt als 1. Vorsitzender des Stadtsportverbands Jüchen ein. Was macht das Vereinsleben der Stadt aus?

Es gibt 24 Sportvereine mit über 6.700 Mitgliedern (Stand: 1. Januar 2023). Das Vereinsleben in Jüchen ist sehr vielfältig. Und das ehrenamtliche Engagement finde ich einzigartig. Einer meiner Lieblingssprüche ist: „Keine Schuld ist dringender, als die, Danke zu sagen“. Deswegen möchte ich hiermit einmal allen für den Einsatz im Sportehrenamt danken.

Mit Bodenständigkeit und Leidenschaft haben sich die Jüchener Sportvereine in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Die Pandemie hat in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich gemacht, dass unsere Vereine eine solide Grundlage haben. Absolut erfreulich ist hier die Treue der Mitglieder.

Apropos Pandemie: Viele Vereine sind in der Zeit neue Wege gegangen, haben zum Beispiel mit Online-Angeboten den Kontakt zu den Mitgliedern gehalten. Wie hat sich die Arbeit in den Vereinen generell mit den Jahren verändert?

Online-Angebote können dauerhaft Gemeinschaft und soziales Miteinander nicht ersetzen. Die Digitalisierung mit Homepages und den Sozialen Medien ist jedoch nicht mehr wegzudenken. Man muss nur einen Blick auf die Mitgliedergewinnung werfen: Früher hat man zu Ausflügen oder geselligen Veranstaltungen geladen, dafür Aushänge gemacht oder Briefe geschrieben. Heute gibt es Websites, Facebook, Instagram, Newsletter… Und durch die Datenschutz-Grundverordnung ist das alles mit einem enormen administrativen Aufwand verbunden. Die Digitalisierung ist eine große Chance für Sportvereine. Neue Lösungen entlasten das Sportehrenamt und helfen, attraktiv für Mitglieder und Sponsoren zu bleiben.

Man muss in der schnelllebigen Zeit sehr aufmerksam die Entwicklungen im Vereinsgeschehen verfolgen. Man muss nicht überall mitspielen, aber darf aktuelle Trends nicht verpassen. Mein Motto ist: Nicht so viel wie möglich, sondern so viel wie nötig. Es gilt, Traditionen zu bewahren, aber immer neugierig zu bleiben.

Sie selbst gehen mit gutem Beispiel voran, dass man viel bewegen und mitgestalten kann, wenn man Verantwortung in einem Verein übernimmt. Nachwuchs für das Sportehrenamt, besonders die Vorstandsarbeit zu finden, scheint dennoch immer schwieriger zu werden.

Die Bereitschaft, sich im Sportehrenamt einzubringen, ist sehr differenziert geworden. Ich glaube aber schon, Jugendliche für die Vereinsarbeit begeistern zu können. Entgegen der Annahme vieler älterer Menschen finde ich, dass die Jugend dazu bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und sich für aktive Vereinsarbeit einzusetzen. Ich glaube, viele junge Menschen möchten heute mindestens zu Beginn nicht eine dauerhafte Aufgabe übernehmen, sondern zeitlich limitierte Aufgaben und eher Projekte mitgestalten. Wichtig ist eine Vereinsstruktur, die das Mitwirken von Jugendlichen auch zulässt.

Außerdem hat sich das Anspruchsdenken verändert. Früher war man „seinem Verein“ möglicherweise lebenslang treu. Heute werden Vereine schneller verlassen, wenn die Angebote nicht mehr passen. Aber auch durch Wohnortveränderungen wegen Studium oder Ausbildung sind hier anzuführen.

Welche Auswirkungen hat das eventuell auf die Zukunft der Jüchener Sportlandschaft?

Es wird vermutlich schwerer, alles ehrenamtlich zu stemmen. Vielleicht müssen an manchen Stellen auch Profis eingestellt werden. Eines der wichtigsten Dinge, die sich jeder Verein auf die Agenda schreiben muss, ist: Wie kriege ich die Verantwortung des Vorstandes personell geregelt? Wie kann ich junge Menschen für das Sportehrenamt begeistern? Vielleicht müssen Strukturen geändert werden. Ist es beispielsweise noch modern, zum Beispiel einen Geschäftsführer zu suchen, statt ein Team aus zwei, drei Menschen, das sich um das Tätigkeitsfeld kümmert? Aber das ist natürlich auch nicht so einfach. weil man auf die Satzung achten muss.

Der Sport hat eine gesellschaftliche Funktion. Die Sportvereine bilden eine der tragenden Säulen des gesellschaftlichen Lebens im Stadtgebiet; insbesondere aber auch der Kinder- und Jugendarbeit. Kleine Stellschrauben hier und da wird es immer für den Stadtsportverband und die Vereine geben, aber wir haben in Jüchen als SSV gemeinsam mit den Vereinen mit der Sportentwicklung viel erreicht über die Jahrzehnte und unseren Stellenwert fundamentiert.

Wichtig ist weiter eine angemessene Finanzausstattung der betriebsführenden Vereine. Aus meiner Sicht ist die Grenze der Belastbarkeit der Sportvereine in Jüchen erreicht.

Welche „Stellschrauben“ gilt es vielleicht aktuell anzugehen?

Manchmal fehlt mir ein wenig die Wertschätzung vonseiten der Stadt für das Sportehrenamt, für diesen unentgeltlichen Einsatz und enormen Zeitaufwand. Wir fühlen uns nicht immer gehört, wie zum Beispiel im vergangenen Jahr als es um die Schließung der Sportstätten zwecks Energiesparmaßnahmen ging. Bedeutsam sind Dialog und Kommunikation von allen Seiten, egal, um was es geht. Das hat auch etwas mit Respekt und Wertschätzung zu tun, gehört zu werden.

Außerdem darf man in puncto sportliche Infrastruktur nicht nachlässig werden. Renovierungen, Mängelbeseitigung – zeitnah – sind sehr wichtig und tragen maßgeblich zum Erhalt der Sportstätten bei. Der Fokus muss auch immer zukünftig ausgerichtet sein, um die Sportlandschaft weiter entwickeln zu können. Stillstand ist auch hier Rückschritt.

Wenn es um die Belange der Sportvereine in der Stadt Jüchen geht, haben sie als Stadtsportverbands-Vorsitzender schon oft einen langen Atem bewiesen. Können Sie sich vorstellen, das Amt noch länger auszuführen?

Solange ich neugierig bleibe, interessiert und mit den jungen Menschen im Dialog bin, und ich gegenseitige Wertschätzung verspüre, könnte ich mir das noch einige Zeit vorstellen. Ich bin noch begeistert, mich für den Sport im Allgemeinen und für die sportliche Entwicklung in Jüchen einzusetzen. Es ist einfach eine Herzensangelegenheit.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch Herr Kiefer!

Das Interview führte Daniela Furth.