Eine „Schlichtung“ wird wohl als Ausweg beschlossen Herpel: „Es ist zu Verletzungen gekommen. Auf beiden Seiten.“

Grevenbroich · „Heiße Luft.“ „Verletzungen auf beiden Seiten.“ Schikanen wie geänderte Passwörter, von denen der Trägerverein nichts erfährt. „Massive Angriffe auf Mitarbeiter der Verwaltung.“ Die Ausgangsposition für die Beratungen im Jugendhilfe-Ausschuss in Sachen „Verein Alte Feuerwache“ (VAF) am Montag um 18.30 Uhr im Bernardussaal wirkt nicht besonders gut. Deshalb versuchte Bürgermeister Klaus Krützen in dieser Woche auch, „Luft aus dem Kessel“ zu lassen.

Der Abend der Wahl: Der Verein „Alte Feuerwache“ bekam im Dezember 22 einen neuen Vorstand. Stadtjugendpfleger und Ex-Vorsitzender Christian Abels (Zweiter von links) schlug Heike Troles (Vorsitzende des Jugendhilfe-Ausschusses; Zweite von rechs) vor.

Foto: SGV.

Versucht das Jugendamt der Stadt mit dem VAF einen freien Träger der Jugendhilfe ins Abseits zu stellen? Und das aus rein politischen Gründen? Diese Fragen (die eigentlich Vorwürfe sind) stehen seit ein paar Wochen im Raum. Vor der Sitzung am Montag hat sich jetzt die Spannung noch einmal regelrecht angestaut. Offizielle Erklärungen, aber auch anonyme Beschuldigungen jagen regelrecht durch die Stadt.

Der Erft-Kurier hat die Sichtweisen der wichtigsten handelnden Personen zusammengetragen.

Vereins-Vorsitzende Heike Troles (CDU)

Die Tatsache, dass CDU-Politikerin Heike Troles im vergangenen Jahr zur Vorsitzenden des VAF gewählt worden ist, ist in den Augen vieler Beteiligter der Grund für die Probleme zwischen Verein und Verwaltung. Mail-Verkehr aus Kreisen der SPD scheint das zu belegen (wir berichteten).

Allerdings nahm die Landtags-Abgeordnete erst Ende September erstmals an einem Gespräch im Jugendamt teil. Dieses Treffen habe drei Stunden gedauert und sei „sehr unangenehm“ gewesen. Was sie vor allem störte: „Fachliche Dinge haben absolut im Hintergrund gestanden.“

Zudem: „Fachliche Vorwürfe, die gibt es nicht. Die sind dem Vorstand nicht bekannt.“ Die Vertreter der Stadt (Herpel, Abels, Schikora) hätten nur einmal kommentiert, dass die Stadt einige Aufgaben mit weniger Geld abwickeln könnten.

Dezernent Florian Herpel

In einem exklusiven Gespräch mit der Redaktion des Erft-Kurier konstatierte Dezernent Florian Herpel: „Es ist eine angespannte Situation. Es ist zu Verletzungen gekommen. Auf beiden Seiten.“

Der Wirksamkeitsdialog, dem sich laut Beschluss des Jugendhilfe-Ausschusses alle freien Träger stellen müssten, sei noch ein „laufendes Verfahren“. Und: „Ich kann nichts kritisieren, das ich im Detail nicht kenne.“ Insofern seien Fragen nach etwaigen Fehlern oder Minderleistungen des VAF ein „Vorwegnehmen eines Ergebnisses“.

Jetzt komme es nur darauf an, „geeignete Rahmenbedingungen zu finden, um den Dialog fortzusetzen. Es müsse ein Format gefunden werden, „in dem offen und ehrlich gesprochen werden kann“.

In diesem Sinne will er auch den dreifachen Beschlussvorschlag der Verwaltung (Alles bleibt beim Alten – Mediation – Beenden der Zusammenarbeit) verstanden wissen: Er habe damit nur zeigen wollen, „welchen Entscheidungskorridor es gibt und wo die Enden des Korridors sind“.

Darüber hinaus betont Herpel noch einmal das „Primat der freien Träger“.

Stadtjugendpfleger Christian Abels

Christian Abels hält sich in der aktuellen Diskussion betont bedeckt. Und das vielleicht aus gutem Grund, ist er doch einer der „Väter“ des VAF, hat als Vorsitzender (zusammen mit Jugendamtsleiterin Birgit Schikora) das gesamte Personal angestellt und bei seinem von der Aufsicht erzwungenen Rückzug aus dem Vorsitz Heike Troles als seine Nachfolgerin vorgeschlagen. Inzwischen ist er Prokurist der Jugend-gGmbH.

Pädagogische Leiterin Andrea Kückels

Der pädagogischen Leiterin des VAF ist es zunächst einmal wichtig, in den Zahlenwirrwarr der Beratungsunterlage für Montag Ordnung zu bringen: Die dort genannten 869.000 Euro seien nie vom Verein von der Stadt gefordert worden. Vielmehr sei das nur die Summe, die das Gesamtvolumen des Vereins widerspiegelt. Immerhin habe man rund 250.000 Euro anderweitiger Zuschüsse und Spenden aufgetrieben.

Die von Herpel vorgeschlagenen 275.000 Euro reichten dagegen nicht aus, um das bisherige Programm auch in 2024 am Laufen zu halten. Diese Summe würde zwangsläufig zum Streichen von Veranstaltungen und zu Entlassungen führen.

„Wir brauchen die gleiche Summe wie in 2023, nämlich 492.000 Euro“, so Kückels bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Diese Summe und eine Arbeitsplatz-Garantie bis Dezember 2024 sind damit in ihren Augen auch die Eingangsvoraussetzung für die Mediation, zu der der VAF gerne bereit sei.

SPD-Chef Daniel Rinkert

„Vieles, was der Verein erzählt, ist heiße Luft“, geht SPD-Chef Daniel Rinkert mit dem VAF hart ins Gericht. Vor allem wirft er ihm vor, „Mitarbeiter der Verwaltung in den Senkel“ gestellt zu haben.

Wichtig sei, dass die Stadt nicht in Konkurrenz zu den freien Trägern stehe und dass alle Träger der Jugendhilfe gleich behandelt würden. „Da muss jetzt ein Dritter ran“, resümiert Rinkert und weist damit für seine Fraktion in Richtung Mediation.

Für die CDU-Fraktion: Achim Pfeifer

Die CDU-Fraktion hatte vor der September-Sitzung des Jugendhilfe-Ausschusses einen umfangreichen Fragen-Katalog gestellt, von dem SPD-Sprecherin Gina Penz damals feststellte, dass sie „total berechtigt“ seien, dass die Verwaltung alles genau beantworten und dass dann die Vorlage zu einem späteren Zeitpunkt beraten werden solle.

Die CDU ist allerdings mit den jetzt vorliegenden Antworten nicht zufrieden und hat über sechs Seiten „Nachfragen“ gestellt. Darüber hinaus moniert die CDU, dass in der Beratungsvorlage für Montag einzelne Punkte des CDU-Antrags von der Verwaltung nur mit „wird abgelehnt“ beantwortet werden.

Bürgermeister Klaus Krützen

Der Bürgermeister ging am Dienstag mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit, versuchte, „Luft aus dem Kessel zu nehmen“: „Die Stadt hat nicht vor das Familienbüro zu schließen. Im Gegenteil: Dieses wertvolle Angebot werden wir erhalten“, sagt Krützen. Auch stehe die Zukunft des VAF nicht zur Diskussion. Denn eine Auflösung des Vereins könne nur dieser selbst beschließen.

„Wichtig ist mir, dass wir eine sachliche Debatte führen und zu einer Umsetzung der Beschlüsse im Jugendhilfe-Ausschuss kommen“, so Krützen weiter. Der VAF erhält im Jahr 2023 eine städtische Förderung von rund 493.000 Euro, die, so erklärte es der Verein, zur Fortführung der Arbeit auf bis auf etwa 870.000 Euro steigen müsse. Zudem nutzt er aktuell kostenfrei eine Reihe von städtischen Räumlichkeiten.

„Wir wollen natürlich wissen, was der Verein mit diesen Steuergeldern im Einzelnen macht und vorhat“, erklärt Bürgermeister Krützen. „Deshalb ist es uns sehr wichtig, jetzt einen geschützten und vertrauensvollen Gesprächsrahmen zu schaffen, um den Dialog fortführen und zu einer gemeinsamen Lösung kommen zu können.“

Er drängt also in Richtung einer „Schlichtung“ durch einen Außenstehenden. „Die Mediation wird gut laufen. Davon bin ich fest überzeugt“, gab er gegenüber der Redaktion noch zu Protokoll.

Ausschuss-Vize Gina Penz

Gina Penz ist stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfe-Ausschusses und wird zu diesem Punkt die Sitzungsleitung von der wegen Doppelfunktion befangenen Vorsitzenden Heike Troles übernehmen. „Da sind viele Emotionen im Spiel“, sagte sie der Redaktion. Und Mitarbeiter der Stadtverwaltung seien „sehr massiv angegangen“ worden. Ihr ist aber vor allem wichtig, „dass wir hoffentlich was Gutes hinbekommen“.

Ausblick: Schlichtung

Jugend-Dezernent Florian Herpel unterstützt die Idee der „Schlichtung“: „Die Mediation ist geeignet, einen geschützten Gesprächsrahmen zu schaffen, in dem die Ausgangs- und Auftragslage verabredet wird und in dem offen über alle Punkte gesprochen werden kann.“

„Persönlich und unter vier Augen“ will Herpel sich mit Heike Troles auf die Rahmenbedingungen der Mediation (Auswahl des „Schlichters“ sowie der Teilnehmer vonseiten des Vereins und der Stadt) verständigen. Voraussetzung: „absolutes Stillschweigen gegenüber der Öffentlichkeit“.

VAF-Kultur-Referentin Isabel Schiffer

Isabel Schiffer machte bei der VAF-Pressekonferenz keinen Hehl aus ihrer Gefühlslage: Man sei enttäuscht, fühle sich nicht mehr wertgeschätzt und habe Angst um den Job.

(Gerhard P. Müller)