Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach bei der IHK „Kein Ausstieg ohne Einstieg“
Grevenbroich · Rezession, Inflation, lähmende Bürokratie, fehlende Investitionen und erste Abwanderungstendenzen der Industrie: Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Krisenmodus. Auch in Nordrhein-Westfalen schrumpft die Wirtschaftsleistung – und zwar deutlich stärker als im Bundesdurchschnitt. Mit welcher Strategie möchte die Landesregierung dagegenhalten und das Land wieder auf die Erfolgsspur bringen?
Das wollte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein von Hendrik Wüst wissen. Sie hatte den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen zu „Impulse – Das Wirtschaftsforum am Niederrhein“ in die Krefelder Niederlassung des Automobilhändlers eingeladen.
IHK-Präsident Elmar te Neues und IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz stimmten die Gäste mit deutlichen Worten ein. „Aufgrund der strukturellen Investitionslücke im Land steigt das Risiko, dass wir im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsstandorten abgehängt werden“, erklärte Steinmetz, der zusätzliche bürokratische Belastungen wie die geplante Rohstoffabgabe kritisierte.
Der IHK-Hauptgeschäftsführer verwies auch auf die schwierige Lage der energieintensiven Industrie. „Wir brauchen eine verlässliche Energiepolitik“, forderte Steinmetz. „Es muss dringend in erneuerbare Energien, wasserstoffbasierten Kraftwerkskapazitäten und Speicher investiert werden.“ Genauso wichtig seien Investitionen in die marode Infrastruktur, so Steinmetz. Dabei komme es auf deutlich schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren an.
IHK-Präsident te Neues appellierte an den Ministerpräsidenten, die Probleme zügig anzugehen: „Wir haben im Land und in der Region leistungsfähige und innovative Unternehmen. Unsere Volkswirtschaft ist nicht der kranke Mann Europas. Wir sind zurzeit langsamer, weil der Rucksack aus Steuern, Abgaben, Kosten und Auflagen zu voll geworden ist.“
Der Ministerpräsident redete die wirtschaftliche Situation der Betriebe im Land nicht schön: „Die Lage ist ernst.“ Wenn die Energiepreise steigen, sei die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen direkt betroffen. „In der energieintensiven Industrie werden Produktionen stillgelegt oder verlagert“, so Wüst. „Das Hauptproblem ist der Strompreis. Da müssen wir ansetzen.“ Die Senkung der Stromsteuer könnte ein erster Schritt sein, so Wüst. „Aber wir brauchen auch einen Brückenstrompreis für die energieintensiven Branchen, bis wir wieder so viel Strom erzeugen, dass die Preise auf ein vernünftiges Niveau gesunken sind.“ Er sei grundsätzlich kein Freund von Subventionen, aber ein anderes Instrument zum Erhalt wichtiger Industriezweige im Land sehe er nicht.
„Für die Energiepolitik muss gelten: Kein Ausstieg ohne Einstieg“, so Wüst. „Das gilt auch für die Braunkohle.“ Der geplante Kohleausstieg 2030 sei nur dann möglich, wenn bis dahin die Versorgungssicherheit durch neue Gaskraftwerke sichergestellt sei. „Das Bundes-Wirtschaftsministerium muss jetzt die Rahmenbedingungen für den Bau neuer grundlastfähiger Gaskraftwerke und den Netzausbau schaffen. Die Zeit drängt“, erklärte Wüst.
Tempo ist für den Ministerpräsidenten der entscheidende Faktor in vielen Bereichen. „Der Staat ist langsam und intransparent geworden“, sagte er. „Die Beteiligungsprozesse, um Akzeptanz für Projekte zu schaffen, haben wir so aufgebläht, dass wir letztlich Akzeptanz verloren haben.“
Auf Steinmetz‘ Kritik an der geplanten Rohstoffabgabe auf Kies und Sand reagierte der Ministerpräsident ebenfalls: „Wir sind offen für andere Ideen. Es muss nicht diese Abgabe sein. Wenn es uns ohne Abgabe gelingt, die Eingriffe in die Landschaft zu reduzieren, wäre das auch eine Lösung.“