Der „Fleiß-Pegel“ des Jahres“ 3,8 Millionen Überstunden
Grevenbroich · Es ist der „Fleiß-Pegel“ für den Rhein-Kreis: Rund 3,82 Millionen Überstunden haben die Menschen im Rhein-Kreis im vergangenen Jahr am Arbeitsplatz zusätzlich geleistet. Davon 2,09 Millionen Arbeitsstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung.
Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ vom Pestel-Institut hervor. Die Wissenschaftler haben dabei die „Plus-Stunden im Job“ im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) untersucht.
Ein pikantes Ergebnis aus dem „Überstunden-Monitor“: „Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Rhein-Kreis durch unbezahlte Mehrarbeit rund 30,11 Millionen Euro quasi ‚geschenkt‘. Und das ist schon äußerst sparsam – nämlich nur auf Mindestlohn-Basis – gerechnet“, sagt Claudia Hempel von der NGG Krefeld-Neuss.
Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den „massiven Fachkräftemangel“.
„Allein in Hotels, Restaurants und Gaststätten leisteten die Beschäftigten im vergangenen Jahr im Rhein-Kreis rund 50.000 Überstunden. 20.000 davon ohne Bezahlung – quasi für umsonst“, so das Pestel-Institut. Die Wissenschaftler haben bei ihrer Untersuchung aktuelle Mikrozensusdaten ausgewertet. Basis der Überstunden-Berechnung ist die Übertragung von Branchen-Durchschnittswerten auf die Beschäftigungsstruktur vom Rhein-Kreis.
Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Krefeld-Neuss: Hotellerie und Gastronomie könnten nicht dauerhaft auf die „Goodwill-Überstunden“ ihrer Beschäftigten bauen. „Es wird höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert hat. Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen“, sagt Claudia Hempel.
Konkret peilt sie dabei für die Zukunft einen „Gastro-Start-Lohn“ von 3.000 Euro brutto pro Monat für alle an, die in der Hotellerie und Gastronomie nach ihrer Ausbildung in einem Vollzeit-Job weiterarbeiten. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen und Gastro-Beschäftigte nach ihrer Ausbildung in der Branche zu halten.
Das Gastgewerbe erlebe gerade einen regelrechten „Fachkräfte-Schwund und Mini-Job-Schub“. Ob in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder an der Bar: „Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen“, berichtet die Geschäftsführerin der NGG Krefeld-Neuss. Mittlerweile seien 53 Prozent der Gastro-Beschäftigten im Kreis Mini-Jobber.
Der Fachkräfte-Mangel und eine faire Bezahlung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandwerk und in der Ernährungsindustrie werden auch ein Schwerpunktthema auf dem Gewerkschaftstag der NGG Mitte November in Bremen sein, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird.