Lüttgen wieder „met d´m Rad erus“: „Stimmungsflirren“: Ich sah es in den Gesichtern

Grevenbroich · Klaus Lüttgen ist für seine Touren auf dem alten, klapprigen Rad aus den 80er Jahren bekannt. Schon mehrfach ist er damit kreuz und quer durch die Republik geradelt. Doch bei seinem jüngsten Trip „Alles im Fluss“ hat er – gerade im Osten – „eingetrübte“ Stimmung zur Kenntnis nehmen müssen.

...relaxen nach getaner Arbeit an der Weser in Stolzenau.

Foto: Lüttgen

„Alles im Fluss“, das waren 1.040 Kilometer (und 50 Kilometer mit der Bahn) entlang von Weser, Aller, Saale und Unstrut. Ziel- und Startpunkt war Hameln. Und Klaus Lüttgen machte es wie bei all seinen Touren: Morgens ging es auf dem „Drahtesel“ los. Frisches Wasser gab es unter anderem auf Friedhöfen, Snacks zur Not an der „Tanke“. Geradelt wurde bis in den Abend hinein. Und im Gespräch mit Einheimischen wurden kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten in Erfahrung gebracht.

Da Lüttgen es als „kölsche Jung“ versteht, humorvoll auf die Menschen zuzugehen, gab es nicht nur ausreichend Schlafplätze (im eigentlich geschlossenen Jugendgästehaus oder auch in der hölzernen Pilgerhütte), sondern auch jede Menge Gespräche und Begegnungen mit „Menschen wie du und ich“, mit einfachen Leuten. Und das in Ost und West.

Klaus Lüttgen berichtet über seine Touren auch auf  seiner Webseite www.rocktheroads.de.

Foto: Lüttgen

Die Themen waren die üblichen: Menschen, Arbeit, Politik. Im Gegensatz zu früheren Touren hat Klaus Lüttgen allerdings ein „Stimmungsflirren“ festgestellt. „... und das, je mehr östlich, umso intensiver.“ Besonders deutlich sei dies aber in Sachsen-Anhalt der Fall gewesen: „Die Unzufriedenheit mit der Politik – ich sah es schon in den Gesichtern der Menschen“, macht Lüttgen deutlich.

Einmal, als er in einem kleinen Dorf ein altes Haus fotografieren wollte, wurde er von kahlköpfigen Rocker-Typen angegangen. „Spannung lag in der Luft“, erinnert er sich. In Halbersleben sprach er dann mit einem ehemaligen Polizisten (1,95 Meter und massiv muskulös), der seinen Job aufgegeben hatte, weil er dauernd angespuckt und in Schlägereien verwickelt worden sei. „Die haben keinen Respekt mehr vor der Obrigkeit“, habe er begründet.

Radtour Herbst 2023

Foto: Lüttgen

In anderen Orten stolperte Klaus Lüttgen über die „Hütten der AfD“, nahezu prunkvolle Geschäftsstellen und Niederlassungen der rechtsextremen Partei auf dem Vormarsch. Die „Unzufriedenheit der Leute“ sei gerade rund um Saale und Unstrut zu spüren gewesen. Dort habe es nur „schnippische Aussagen in Richtung Politik“ gegeben und „Wut, unterschwellig und diffus“. Manchmal wäre er da in „richtig düstere Ecken“ geraten, seufzt der 59-jährige Wahl-Grevenbroicher.

Und er fügt seufzend an. „Ich hätte am liebsten Unrecht. Wir müssen doch zusammenhalten. Miteinander nach vorne gehen“, lautet sein Appell.

Auch wenn Klaus Lüttgen auf seiner Tour „Alles im Fluss“ mitunter nachdenklich geworden ist, will er seiner Leidenschaft treubleiben. Sein nächstes Projekt: mit einem alten Schwedenrad für ein Fischbrötchen nach Ostfriesland.

(Gerhard P. Müller)