Heimische Politprominenz erteilt den Plänen des Bundes-Umweltamtes eine klare Abfuhr Gegen Gängelung: „Wer was essen soll, darf der Staat nicht vorschreiben“

Grevenbroich · "Das Umwelt-Bundesamt fordert aus Gründen des Klimaschutzes eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Tierprodukte wie Milch und Fleisch", ging als Meldung durch die bundesweiten Medien. Hintergrund der Forderung ist, dass die Landwirtschaft wesentlich zum Klimawandel beitrage: Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch beispielsweise verursache zwischen sieben und 28 Kilogramm Treibhausgas-Emissionen.

Rolf Göckmann

Milch und Fleisch also so teuer machen, dass sich mehr Leute vegetarisch ernähren? Der Erft-Kurier befragte die führenden Politiker vor Ort.

Hans Christian Markert

Dirk Gawlinski, Vorsitzender der "grünen" Ratsfraktion: Er spricht sich für "Reglementierung in der Tierhaltung anstelle von Verbraucherpreiserhöhungen" aus. "Das Verbraucherverhalten wird sich anpassen, sprich, er wird seinen Konsum von anderen Produkte reduzieren oder auf günstigere Produkte (von Marken auf Noname) umlenken. Vielleicht sollte man, ähnlich wie für die Industrie CO²-Zertifikate für die Masttierhaltung in Umlauf bringen."

Rolf Göckmann, "Aktive Bürger Grevenbroich": "Wir müssen verstehen, dass gute Lebensmittel und solche, von deren Herstellung die Produzenten auch leben können und bei denen auch eine artgerechte Tierhaltung nicht zu kurz kommt, auch ihren Preis haben (müssen). Die Bereitschaft der Eltern, für gesundes Essen ihrer Kinder in Schule und KiTa auch angemessen mehr zu zahlen, ist sehr gering. In Grevenbroich scheiterte der Versuch einer ,Essen-Qualitäts-Verbesserung' an der damit verbundenen Preiserhöhung etwa 50 Cent".

Hans-Christian Markert,Landtagsabgeordneter der Grünen: "Ich lehne den Vorschlag ab. Das Drehen an der Umsatzsteuer-Schraube ist die unsozialste Form mit Steuerpolitik Lenkungswirkungen zu erzielen. Menschen mit kleinem Portemonnaie, die aufgrund ihres Lebensstieles relativ am wenigsten zu Klimawandel und Umweltverschmutzung beitragen, zahlen dann umgerechnet viel mehr als diejenigen, die über große Einkommen verfügen und sich Flugfernreisen, Sprit schluckende Autos und regelmäßig Fleisch leisten können."

Übrigens sieht er das Thema Lebensmittel-Verschwendung in diesem Zusammenhang als vordringlich an: 50 Prozent der Lebensmittel, die weltweit auf Äckern wachsen, werden weggeschmissen, ohne dass sie in den Läden oder auf den Tellern landen.

Hans-Jürgen Petrauschke, Landrat. Zwar sei die Aufteilung, wo sieben und wo 19 Prozent Mehrwertsteuer anfallen, nicht ganz logisch, diesen Vorschlag des Bundes-Umweltamtes empfindet er als "nicht stichhaltig", nennt ihn schlichtweg "Unfug".

Markus Schumacher, FDP: Er nennt den Vorschlag "absurd". "Wir brauchen keine staatliche Ernährungsgängelung! Wer was essen möchte, darf der Staat nicht vorschreiben." Und weiter: "Warum sollten Bürger, die in einer Demokratie der Souverän sind, nicht in der Lage sein, eigenverantwortlich zu entscheiden, was sie essen wollen? Überdies hat Deutschland heute schon weltweit die höchsten Umwelt- und Klimaschutzstandards. Mehr Klimaschutz darf man nicht gegen den Willen der Bevölkerung zwanghaft durchsetzen."

Martina Suermann, "Mein Grevenbroich": "Ich glaube nicht, dass sich das Käufer- und Konsumverhalten durch die Erhöhung von sieben auf 19 Prozent ändern wird. Für viele ist die Ökobilanz von Lebensmitteln im Alltag überhaupt kein Thema. Zudem darf niemand glauben, dass Discounter und Lebensmittelketten eine "Preiserhöhung" um zwölf Prozent einfach hinnehmen werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die kleineren, regionalen, landwirtschaftlichen Betriebe darunter zu leiden haben. Wohlmöglich wäre noch mehr Massentierhaltung zur Billigproduktion eine der Antworten."

In ihren Augen der richtige Weg: saisonale Produkte von regionalen Herstellern, weniger Verschwendung und dann auch weniger, aber gutes Fleisch.

Rainer Thiel, Landtags-Abgeordneter der SPD: "Das Bundesumweltamt irrt. Erhöhte Mehrwertsteuer auf Fleisch macht dieses teurer und erhöht den Druck noch billiger zu produzieren. Mit Umweltschutz hat das nichts zu tun, es geht hier eher um Bevormundung von uns Verbrauchern." Schon jetzt trügen Familien mit normalem und geringem Einkommen durch das EEG unverhältnismäßig hohe Belastungen bei der Energiewende. Probleme wie Massentierhaltung, Monokulturen für Futterpflanzen oder "Bio-Energie", Überdüngung sowie Artensterben würden so nicht angegangen. Und er fügt an: "Gestern habe ich ein Geschenk eingelöst und war auf einem Grillseminar. Gegrillte Salatherzen, Lorbeerkartoffeln auf Salzteig, Huhn auf Bierdose, ,Arme Ritter' vom Grill als Nachtisch und ein Glas Rotwein. Das Leben kann schön sein."

Heike Troles, Landtags-Kandidatin der CDU: "Der Staat sollte den Menschen ihre Ernährung mit Eiern, Milch, Käse und Fleisch nicht vorschreiben oder gar verbieten wollen. Nicht durch Steuern und nicht durch Verbote. Eier, Milch, Käse und Fleisch sind schließlich keine Luxusgüter sondern Grundnahrungsmittel."

Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreis-Bauernschaft, sieht darin eine Bevormundung der Bürger, die fatale Auswirkungen haben könnte. Denn schließlich seien Fleisch, Milch und Eier nicht nur Lieferanten lebensnotwendiger Nährstoffe und Mikronährstoffe, sondern in ihrer optimalen Zusammensetzung kaum austauschbar.

Es könne deshalb keine Lösung sein, diese hochwertigen Lebensmittel für große Teile der Bevölkerung unerschwinglich zu machen. Das Risiko, dass Verbraucher auf wertvolles Eiweiß zugunsten von mehr Fett und Kohlenhydrate verzichteten, sei zu groß. "Milch und Fleisch sollen für jeden zugänglich sein", fordert ee.

-gpm.

(Kurier-Verlag)