Clemens Schelhaas tingelte mit Rucksack und Bus durch seine „erste Liebe“ „In Marokko erfuhr ich, was wirkliche Nächstenliebe ist“
Grevenbroich · „Ich schlage die Augen auf. Ich hatte keine Schmerzen mehr. Langsam kann ich mich orientieren: 13 Betten im Raum, in der Mitte ein Abfluss. Mein Bettnachbar war bei einer Messerstecherei verletzt worden.“ Weltenbummler Clemens Schelhaas erinnert sich noch genau an den Unfall während seiner Marokko-Tour im Jahre 1992. Diesmal tingelte der 86-Jährige mit Rucksack und Bus durch das Land, das er als „erste Liebe, letzte Liebe“ bezeichnet.
Er war damals mit dem Motorrad unterwegs in Marokko: „Die untergehende Sonne hatte mich geblendet, ich war gegen einen Felsen geprallt und hatte mich an der Schulter verletzt. Die Insassen eines Kleinbusses fanden mich und nahmen mich auf. Man brachte mich zur nächsten Sanitätsstation. Dort erfuhr ich, was Nächstenliebe ist“, schreibt Schelhaas in seinen Betrachtungen zu dem nordafrikanischen Land.
Die Sanitätsstation hatte kein Röntgengerät, also packte der Arzt den verletzten Deutschen in seinen Wagen und brachte ihn ins nächste Krankenhaus in Beni Mellal (dort baute „Buckau“ zu der Zeit große Zuckerfabriken). „Die Infusionsmittel hingen in einer Plastiktüte an der Decke“, erinnert sich Schelhaas mit einem Lächeln.
Mit bandagierter Schulter schlug er sich mit dem Bus nach Casablanca durch, flog nach Hause und wurde in einer Kölner Spezialklinik weiterbehandelt. Dort sei er zu einer „Nummer“ unter vielen geworden und habe gedacht: „Du wärst besser bei den Menschen in Marokko geblieben“, gibt der Weitgereiste (bekannt geworden ist Clemens Schelhaas durch seine Reisen und Fotos vor allem aus Nepal) zu Protokoll.
Sein erster Besuch in Marokko datiert übrigens ins Jahr 1961. Damals war er mit seinem Bruder Karl und mit Friedrich Schmitz, damals noch Jura-Student, später Notar, Vorsitzender des Geschichtsvereins und Buch-Autor, unterwegs.
Danach bestimmte das Motorrad seine Marokkoreisen: Fünfmal kurvte er mit dem Motorrad durch das Land. Mal allein, mal mit Freunden. „Stippvisiten nach Tanger rechne ich nicht mit“, strahlt er.
Und er fügt an: „Ich wollte dieses Jahr wieder einmal nach Marokko. Meine Enkelin Tashi, die im vorigen Jahr mit mir am Nordkap war, fiel aus. Sie begann inzwischen eine Ausbildung. So kam der alte Plan zum Zuge, den ich mir für die alten Tage aufgehoben hatte, mit Rucksack und Bus durch Marokko zu tingeln. Später stieß in Marrakesch meine Tochter Anne, bewährte Begleiterin bei meinen Nepal-Touren, zu mir“, so Clemens Schelhaas.
Das Reisen mit dem Bus sei in Marokko völlig entspannt: „Busse fahren in die entlegensten Orte“, berichtet er. Er reiste übrigens mit der Bahn (Fes – Marrakesch) an. Schelhaas notiert: „Und hier hatte ich ein besonderes Erlebnis: Die Bahn war pünktlich.“
Der Besuch mindestens einer der vier Königsstädte gehört zum touristischen Pflichtprogramm. Marrakeschs Mittelpunkt ist der „Platz der Geköpften“: „1961 bestand der Platz noch aus gestampftem Lehm, der auch für Menschen aus der Umgebung wirtschaftlicher und kommunikativer Sammelpunkt war. Heute ist der Platz asphaltiert und ist ein touristischer Rummelplatz geworden – wobei ich aber nie vergesse, dass ich selbst Tourist bin.“
Im Norden und in der Mitte zeigt sich die Landschaft Marokkos vielfältig: Mittelgebirge, fruchtbare Ebenen, Wälder. Südlich von Marrakesch ändert sich das Bild völlig: Das Atlas-Gebirge mit über 4.000 Meter hohen Bergen bildet eine Barriere; die Pässe sind über 2.000 Meter hoch. Im Süden vom Atlas beginnt die Wüste mit einigen markanten Oasen-Städten. Übrigens auch ein Paradies für Motorradfahrer, wie der weit gereiste Grevenbroicher zu berichten weiß. Zagora, M´hamid, Esaouria waren einige seiner Stationen.
In seinen Aufzeichnungen erinnert sich Schelhaas auch an eine Begegnung mit einer deutschen Touristen-Gruppe, die in einer langen Reihe von Wohnmobilen „das große Abenteuer“ suchte. Aber das ist eine andere Geschichte, die es zu erzählen lohnt (im neuen Jahr zu lesen auf unserer Homepage).