In der Kritik: Krützens „Duz-Versammlung“ Fachkräftemangel an Grevenbroicher KiTas setzt ganze Familien außer Gefecht ...
Grevenbroich · „Ist der Kindergarten heute geöffnet? Darf ich mein Kind überhaupt hinbringen? Kann ich zur Arbeit gehen?“ Diese Fragen stellen sich Millionen von Eltern in Deutschland nahezu jeden Morgen – so auch in Grevenbroich. Denn Personalmangel und Krankheitswellen sorgen dafür, dass Herbst, Winter und teilweise Frühjahr in deutschen Kindergärten geprägt sind von außerplanmäßigen Schließungen, eingeschränkten Betreuungszeiten, Notbetreuung für nur einen Teil der Kinder sowie jeder Menge Frust und Sorgen.
Francesca Brunner, Vorsitzende des Elternbeirats der Sonnengruppe in der städtischen KiTa „Sternschnuppe“ in Neuenhausen, verrät: „Wir haben eine Übersicht über Schließzeiten, Notbetreuung und Co. für das Jahr 2024 in unserer Einrichtung zusammengestellt. Mit einem sehr erschreckenden Ergebnis.“ An einem guten Drittel aller Werktage des Jahres fand dort keine oder nur eingeschränkte Betreuung der Kinder statt – insgesamt 55 Tage Notbetreuung, zwei außerplanmäßige Schließtage und 28 geplante. „Wenn man dann die Zeit einrechnet, in der das Kind selbst krank ist und zu Hause bleibt, landet man schnell bei der Hälfte ...“ So müssen sie und die anderen Eltern immer wieder schauen, wie sie eine gute und gesicherte Betreuung ihrer Kinder gewährleisten können, um überhaupt ihrer Arbeit nachgehen zu können. Nicht jeder ist in der Lage, im Homeoffice zu arbeiten. Wenn Freunde und Verwandte noch berufstätig sind, wird es schnell eng. „Für Alleinerziehende ist die Lage noch schlimmer“, gibt Brunner zu bedenken.
Ihre Kollegin Sabrina Kirchhoff bekräftigt: „Wir als Elternbeirat haben schon viele Gespräche mit der Fachberatung der Stadt Grevenbroich zum Thema Notbetreuung geführt, Vorschläge gemacht, leider ohne Ergebnis. Wir wissen langsam nicht mehr, was wir noch tun sollen. Also haben wir uns in einer Mail an den Bürgermeister gewandt und um ein persönliches Gespräch gebeten. Wir möchten gemeinsam die Situation für Eltern, Erzieher und nicht zuletzt die Kinder verbessern.“ Eine Antwort gab es bis Redaktionsschluss nicht. Stattdessen fand am Donnerstag der vergangenen Woche eine vom Bürgermeister einberufene Mitarbeiterversammlung statt, zu der auch die Mitarbeiter der städtischen KiTas kommen sollten. In 17 KiTas hieß es am Donnerstag also mal wieder: „Wir schließen heute früher!“ Brunner: „Wir hatten gehofft, dass die Situation in der Kinderbetreuung ein Thema wäre. Stattdessen verkündete der Bürgermeister, dass sich die Verwaltungsangestellten ab jetzt alle duzen sollen ...“ Unverständnis und Frustration machten sich breit. So ärgert sich denn auch die Grevenbroicher CDU-Chefin Heike Troles: „Gerade in der Vorweihnachtszeit sind viele Eltern beruflich und privat besonders gefordert. Sie nun vor die Tatsache zu stellen, dass die Betreuung ihrer Kinder ausfällt, weil der Bürgermeister womöglich im Zuge des Kommunalwahlkampfs eine PR-Veranstaltung für sich selbst organisiert, wäre ein Schlag ins Gesicht aller betroffenen Eltern und Familien.“
Jasmin Lange, Vorsitzende des Jugendamtselternbeirats (JAEB) der Stadt, fasst es zusammen: „Die Eltern fühlen sich nicht ernst genommen in ihrer Sorge. Viele wissen gar nicht mehr, wie sie ihren Arbeitgebern erklären sollen, dass sie schon wieder ein Betreuungsproblem haben. Hoffnung, dass sich die Lage bessert, gibt es nicht.“ Ganze Existenzen hingen davon ab und der dauerhafte Druck und die Ungewissheit nage an der psychischen Gesundheit der Eltern, so die Mutter. Den Einrichtungen machen die drei Mütter übrigens absolut keinen Vorwurf. Lange: „Die Erzieher und Leiter tun, was sie können, auch sie leiden unter der Situation. Was alle Parteien brauchen, sind Routine und Sicherheit. Auch die Kinder. Denn sie brauchen den sozialen Kontakt im Kindergarten, den Ausgleich, aber eben auch mit einem sicheren Gefühl und Beständigkeit. Hier sehe ich eine Riesengefahr – und dafür lohnt es sich, zu kämpfen!“, ist sie sicher.
Jugenddezernent Florian Herpel weiß um die Situation in den Kitas, den „jahrelangen Fachkräftemangel. Die Kommunen sind da leider an die immer noch viel zu enge Personalverordnung des Landes gebunden“, ärgert sich der Beigeordnete über teilweise gebundene Hände. Die Schloss-Stadt versuche ihr bestes, um Fachkräfte auszubilden („Da haben wir etwa durch die attraktive Pia-Ausbildung und die Ausbildung von Ergänzungsfachkräften erweitert“) und sie zu halten („Wir bieten den Erziehern seit Jahren unbefristete Verträge an“). Was die Kommunikation mit KiTas und Eltern angehe, gäbe es einen regelmäßigen Austausch, aber die Fachberatung kämpfe derzeit ebenfalls mit einem hohen Krankenstand. Die Verwaltung sei bemüht, aber manchmal brauche es etwas Geduld. Damit kennen sich die Eltern ja inzwischen bestens aus ...
Hanna Glinski