Akcakaya: „Ich will keinem ein Weltbild aufdrücken“
Grevenbroich · „Die Regionen, wo die Bäume brennen, reizen mich“, lacht Rohat Akcakaya. Der 21-Jährige ist gerade erst von einem Aufenthalt in China wiedergekehrt und bereitet sich schon jetzt auf sein Auslandssemester in Istanbul und ein Praktikum in Tel Aviv vor.
Dabei geht es ihm vor allem um eines: Die politischen Perspektiven der Landsleute zu verstehen.
„Ich kann mir schon vorstellen, dass eine Partnerschaft zwischen Grevenbroich und einer chinesischen Stadt entstehen könnte“, zuckt der Grevenbroicher die Schultern.
Zwei Wochen verbrachte der „Kick in den Frieden“-Initiator im Rahmen einer sogenannten „Summer School“ in Peking, die in Kooperation mit der Tsinghua Universität stand, und konnte sich zumindest einen Eindruck vom Lifestyle Asiens machen. „Die chinesische Regierung beispielsweise ist ein starker Sozialstaat mit einem bestimmten Digitalisierungssystem ähnlich wie die Dating-App ,Tinder’“, die bekannt für seine „Wisch-Struktur“ ist, versucht Akcakaya zu erklären, „jeder Bürger ist mit seinem Profil digital hinterlegt. Ist er beispielsweise Schneider, hat aber keine Möglichkeit, sich selbstständig zu machen, wird er vom Staat finanziell unterstützt.“ Auch Arbeitslose würden in den Regionen mit Arbeitgebern „gematched“ werden. „Aber auch bei anderen Methoden ticken die Chinesen ganz anders“, zeigt er sich beeindruckt, „sie zahlen nur mit dem Smartphone und haben einfach einen ganz anderen Arbeits-Ethos als hier in Deutschland.“ Die „Summer School“ wurde in elf Arbeitsgruppen eingeteilt. Für Rohat Akcakaya stand das Thema „Gender Studies“ im Vordergrund.
Überraschend für den 21-Jährigen sei auch gewesen, dass David Missal seine Universität besucht hat. Über den Journalismus-Studenten wird derzeit viel berichtet, da er über Menschenrechte in China recherchiert hatte. „Persönlich kennengelernt habe ich David Missal aber nicht“, so Akcakaya. Auch er ist seit einigen Wochen wieder zurück in Deutschland.
Nicht, weil er ausgewiesen wurde, sondern weil seine Zeit an der „Summer School“ beendet ist. „Ab dem 7. September geht es dann für mich nach Istanbul, um ein Auslandssemester zu absolvieren“, erklärt der Student, der Politik- und Verwaltungswissenschaften sowie internationale Beziehungen in Friedrichshafen studiert. „Ich würde gerne das Land meiner Eltern kennenlernen“, lautet seine Begründung.
Auch hier wolle er zuhören und sich ein eigenes Bild der Menschen und politischen Situation vor Ort machen. „Ich will niemandem ein Weltbild aufdrücken“, so Akcakaya, „Ich gehe nicht in die Türkei, um sie zu retten, sondern um zuzuhören.“ Hauptgrund sei aber sein Hintergrund. So ist sein Vater kurdischer Abstammung, seine Mutter türkischer. „Noch spannender wird es aber danach im Osten, in Tel Aviv“, überlegt er, „im Rahmen des Studiums muss ich ein Auslandspraktikum absolvieren.“
Dabei ist ihm ein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung direkt in den Sinn gekommen. Das Praktikum möchte der Student dazu nutzen, um den Dialog zwischen Palästinensern und Israelis aufrecht zu erhalten. „Vielleicht kann ich die Ansicht im Kleinen verbessern“, meint er.
Alina Gries