Schon als Jugendlicher verkündete Stephan Masur: „Ich will einen Zirkus gründen“

Frixheim · Er gilt als „Tausendsassa des Varietés“ und begeistert in der komischen Figur des „Le Comte“. Seine Durchlaucht ist ein wenig schrill und schräg. Zudem zaubert er mit fragilen Seifenblasen gekonnt kurzlebige Kunstwerke. Stephan Masur, der heute Varieté-Geschichte schreibt und Varieté-Geschichten erzählt, wuchs in Frixheim auf, besuchte eine weiterführende Schule in Dormagen und saß beim „Globus“ im Grevenbroicher Montanushof an der Kasse, um sich sein Studium zu finanzieren.

Foto: Masur

Geboren in Köln, kam er mit seinen Eltern und Geschwistern (eine Schwester lebt heute in den Niederlanden, die beiden Brüder wohnen und leben in Köln und Düsseldorf) ins Gillbachland. „Das war klein und dörflich eben. Ich bin zwischen Rübenfeldern aufgewachsen“, erinnert er sich heute. Aber es gab die KJG und das Jugendheim. Dort entdeckte er seine Leidenschaft für die Jonglage. Da seien schon einige Stunden draufgegangen, griemelt Masur rückblickend.

So mit 14, 15 Jahren habe er angefangen, sich für den Zirkus zu interessieren. Spätestens mit 18 Jahren habe er im Dorf und in der Schule verkündet: „Ich will einen Zirkus gründen.“ Die Reaktionen seien eindeutig gewesen: „Ja, ja, mach´ du mal“, hätten die meisten ungläubig reagiert. Doch Stephan Masur machte Ernst: Er absolvierte eine Ausbildung an der niederländischen Zirkusschule und studierte BWL mit dem Schwerpunkt Kultur-Marketing.

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„Das ist schon ein hin und her. Die Kosten sind einfach zu berechnen, ob aber die Einnahmen kommen, muss man abwarten“, kommentiert er die Gründungsphase seines „Varieté-Spektakels“. Immerhin kann er rückblickend sagen, dass er „keine totale Pleite“ verbuchen musste, etwas vor dem andere, namhafte Unternehmen nicht gefeit waren…

Stephan Masur ist absolut selbstständig und er bedauert, dass es in Deutschland anders als in Belgien, in den Niederlanden oder in Dänemark keinerlei Subventionen für den Zirkus gibt. Deshalb habe er manch unruhige Nacht erlebt, vor allem am Anfang. „Jetzt sind die Kontakte da“, strahlt er. Die braucht er auch, um die Künstler für seine Programme zu finden. „Die Castings dauern bei mir immer etwas länger“, räumt er ein.

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Das übrigens nicht ohne Grund: Seine Varieté-Abende sind keine einfache Nummern-Abfolge. Vielmehr werden Geschichten erzählt, zusammenhängende Bilder auf die Bühne gebracht. „Da reicht es nicht, eine gute Nummer zu haben. Jeder Künstler muss das Thema lieben und dafür brennen“, betont Masur. Jeder im Ensemble muss tanzen, auf- und abräumen, für komische Einwürfe sorgen. Dennoch schafft er es immer wieder, Talente aus der ganzen Welt in sein Team zu holen: starke Männer, extrem bewegliche Frauen, Feuerschlucker und -spucker, Zauberer und manchmal auch Sänger. Dabei hilft ihm ein über die Jahre gewachsenes Netzwerk mit Verbindungen zu Artistenschulen, Festivalleitungen und anderen Veranstaltern.

Im Januar macht Stephan Masur mit seinem „Varieté-Spektakel“ Station in Pulheim, im dortigen „Walzwerk“, das durch den anderen Rommerskirchener Kultur-Export bundesweit bekannt gemacht wurde: Horst Lichter zeichnet dort seine Show „Bares für Rares“ auf.

Mit diesem Gastspiel in ganz kleinem Rahmen (ganz wenig Plätze; selbst die hinterste Reihe trennten nur drei Meter von der Bühne) kam Stephan Masur seiner alten Heimat so nahe wie noch nie. Natürlich besucht er vor allem bei Familienfeierlichkeiten seine Mutter, die noch heute in Frixheim wohnt. Mit seiner Show gastierte er aber noch nie in der Heimat. Vor Corona machte er immerhin jeden Sommer Station im Kölner „Senftöpfchen“. In diesem Jahr wird er dort allerdings nicht zu finden sein. „Die Belüftungs-Situation da hat sich nicht geändert. Sie haben noch nicht in die Lüftung investiert“, begründet er. Und das Publikum würde mittlerweile auch auf sowas achten.

Apropos Corona: „Da gab es ein paar Hilfen. Da war Deutschland gar nicht so schlecht“, resümiert er lobend. Und ein paar Auftritte hätte er spielen können… Mehr aus der Not als aus der Tugend habe er die Zeit genutzt, um zur Ruhe zu kommen. „Ich hatte Zeit, Sachen zu trainieren, die ich nicht auf der Bühne brauchte. Dass ich das das letzte Mal konnte, liegt mehr als 20 Jahre zurück“, plaudert Stephan Masur. So probierte er Instrumente aus, die er bis dato noch nie gespielt hatte. Und er versuchte Jonglage-Tricks, die er so nicht kannte. „Ich habe den Spieltrieb genutzt“, lacht er.

Foto: Masur

Müssen sich die Zuschauer jetzt also auf einen ganz neuen „Comte“ einstellen? Hat sich Stephan Masur neu erfunden? Nun, antwortet der Varieté-Chef, er habe seine Branchen-Erfahrungen und die Programme passten aktuell zu den Spielorten. Dennoch überlegt er: „Die Gesamtgeschichte müsste inhaltlich größer werden. Dann braucht man aber auch größere Häuser.“ Das wiederum ist der genaue Gegensatz zum „Walzwerk“ in Pulheim. Und an der dortigen Intimität liebt er folgendes: „Man kann nicht lügen.“

Außerdem ist das Backstage-Handling bei einem kleineren Ensemble natürlich einfacher. Da hat er an den regelmäßigen Standorten zum Beispiel ein „Hotel-Sponsoring“ entwickelt: Hotels stellen kostenlos ein, zwei Zimmer zur Verfügung, so dass die Künstler ohne große Kosten unterkommen. Je größer die Spieltruppe, umso schwieriger würde das.

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Fragen, mit denen sich der BWL´er in Stephan Masur beschäftigt. Der Kunst- und Zirkus-Begeisterte postuliert dagegen ganz klar: „Erst wenn ich keine Lust mehr habe, dann mache ich zu.“ Denn das ist sein Credo: „Wir verkaufen Lebensfreude. Das kann man aber nur tun, wenn man selber welche hat. Die Leute merken nämlich, ob man für sein Projekt brennt. Man kann so was nicht runter arbeiten; dann funktioniert das Ganze nicht. Das springt dann sofort auf die Künstler, die Sponsoren und die Zuschauer über.“

Nun, da brauchen weder Stephan Masur noch seine Fans sich Sorgen zu machen: Seine Leidenschaft fürs Varieté hat noch ausreichend Feuer für viele Inszenierungen. Vielleicht auch an Gillbach oder Erft. Wie sagt er über Grevenbroich? „Grevenbroich war damals die große Stadt, wo wir hin einkaufen und vor allem auch Schallplatten holen gefahren sind. Ihr Gesicht ist heute deutlich anders…“

(Gerhard P. Müller)