Menschen in Jüchen Kirmesliebe, die ein Leben lang hält

Jüchen · Wilfried und Annelise Obst aus Hochneukirch

Foto: Alina Gries

Er war der Sohn des Dorfbäckers Obst und lebte eigentlich am Bodensee. Nur das Schützenfest führte ihn zurück nach Hochneukirch und in die Arme seiner damals 18-Jährigen Annelise. "Ich wollte erst gar nicht ins Zelt, aber als ich sah, wie einer unserer Freunde um die fremden Damen am Stehtisch rumschlavinierte, hat mich das gefuchst", lacht Wilfried Obst. Und dann funkte es zwischen den beiden. Bis heute 50 Jahre später.

Foto: Alina Gries

"Der Schwager meiner Cousine war damals König und ich die Ehrendame, obwohl ich aus der Nähe von Titz kam", erinnert sich die 68-Jährige, "wir kamen gerade frisch aus dem Urlaub aus Rimini, braun gebrannt und keiner kannte uns." Wilfried Obst tanzte erst mit der Schwester von Annelise, ehe er sie zum Tanzen aufforderte. "Wir tanzten die Nacht durch", erzählt er ganz aufgeregt, "ich wusste: Das Mädchen heirate ich einmal." Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Bodensee musste dann ein paar Tage länger auf ihn warten. "Er war mir sofort sympathisch. Aber ich hätte nicht gedacht, welche Folgen der Abend hat. Schließlich wusste ich, dass er nicht mehr hier wohnte", so Annelise Obst. Doch allzu lange musste sie auf ihren Wilfried nicht warten. "Ein paar Tage später bekam ich den ersten Brief und ein paar Wochen später stand er vor meiner Tür", lächelt sie verliebt.

Foto: Alina Gries

Im September 1967 lernten sie sich kennen, im Januar wurde standesamtlich und im Mai kirchlich im Nikolauskloster geheiratet. "Ich war damals erst 18, Wilfried 26 Jahre alt. Meine Eltern mussten für unsere Hochzeit noch unterschreiben", grinst sie, "aber er hat auch bei ihnen einen so gut Eindruck hinterlassen, dass mein Vater meinte, wenn er jetzt ,nein‘ sagen würde, dann müssten wir irgendwann heiraten." Ein Jahr später folgte Sohn Nummer eins, drei Jahre später Sohn Nummer zwei. "Unser dritter Sohn ist mit jetzt 29 ein Nachzügler", meint Annelise Obst.

"Das erste Mal habe ich damals mit 22 Jahren im Schützenverein mitgemacht", erinnert sich der 76-Jährige, "ich wollte schon immer König werden." Mit wie vielen Schüssen er traf, weiß er nicht mehr. "Aber früher gab es noch Gipsvögel und wir mussten mit einem richtigen Gewehr darauf schießen", sagt er. Ein einmaliges Erlebnis für die beiden, was sie nicht wiederholen möchten. Da sind sich beide einig. "Wir haben 47 Jahre lang zusammen die Bäckerei geführt und vor drei Jahren an Bäckerei Kamphausen übergeben", meinen beide, "wir genießen die freie Zeit." So hat sich einer der Söhne ein Wohnmobil angeschafft, mit dem die beiden gerne auch verreisen wollen. Das nächste Ziel ist der Bodensee. Und im nächsten Jahr steht die Goldhochzeit an. "Unser zweiter Sohn ist Pfarrer in Krefeld, sodass wir es dort feiern werden", freuen sich die beiden.

Und ihr Tipp für eine funktionierende und glückliche Ehe? "Das kann ich sofort beantworten. Ganz kurz", sagt Wilfried Obst, "auf unserer Hochzeitsreise in Tunesien haben wir uns ohne Grund so dermaßen in die Haare bekommen. Ich kann nicht leiden, wenn sie weint und habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Deswegen ist es wichtig, einen Streit vor dem Schlafengehen zu klären."

Jürgen und Iris Siemons aus Gierath

"Ich trinke keinen Alkohol und als mir bei der Frühkirmes das Wasser zu den Ohren raus kam, meinte ich nur, dass ich gerne einen Kaffee hätte", erzählt Iris Siemons. Dabei fängt sie verliebt an zu strahlen. "Dann hat er jemandem privat Kaffee abgeschwatzt und mir den gebracht. Das hat mir gefallen. Ich bin jetzt noch total gerührt", sagt die 51-Jährige ganz verlegen und wedelt sich Luft zu. Für Jürgen Siemons damals eine spontane Aktion über die er nicht weiter nachgedacht hatte. Nun ist das Paar seit vielen Jahren verheiratet.

"Ich war gerade von meinem damaligen Partner getrennt, als mich eine Arbeitskollegin an Karneval ins Zelt nach Gierath geschleppt hat", erinnert sich die Krefelderin, "Jürgen kam gerade vom Eishockey und ist aus dem Taxi ausgestiegen. Er trug ein stahlblaues Shirt und war braun gebrannt. Da war ich sehr aufmerksam." Danach folgte das ein oder andere Date, ehe sie am 1. Mai ein Paar wurden, schließlich in Gierath.

"Beim ersten Date sind wir chinesisch essen gewesen; da hat er sich ganz schick gemacht", erzählt sie ganz hingerissen, "und beim zweiten Date hat er für mich im Wok gekocht." Eine Leidenschaft, die er bis heute verfolgt. "Die Wohnung war allerdings eine Junggesellenbude", grinst Iris Siemons, "die Deckenstrahler waren genau über dem Billard-Tisch, mitten im Raum." Beim Einzug musste der Billiard-Tisch weichen, nur die Strahler durften bleiben.

"Als wir uns kennengelernt haben, hab ich sie auch einfach ganz forsch gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, einmal Königin zu werden", lacht Jürgens Siemons. Und ihre Antwort? "Ich meinte, ich hätte nicht genügend solcher Kleider und dass wir gerne im nächsten Jahr darüber reden können", so die Verwaltungsfachangestellte. Nun 17 Jahre und ein paar schöne Kleider später konnte sich Jürgen Siemons den Traum endlich erfüllen. Seit dem Abitur ist der 51-Jährige schon im Schützenverein. Und obwohl er der einzige Anwärter war, musste der Vogel runter. "Die Show musste sein", grinst er und fügt hinzu, "die Vögel baue ich jedes Jahr selber."

Die Abkrönung der Siemons war bereits im August. "Es war wunderbar, anstrengend und einmalig. Ich hatte das Gefühl, ich bin nicht mehr von dieser Welt und würde ein bisschen fliegen", schmachtet sie. Dieser Moment wiederholen wollen die beiden jedoch nicht. "Es hat nichts damit zu tun, dass es uns nicht gefallen hat. Nur würden wir es wiederholen, dann würde man es vergleichen. Und wir wollen, dass es einmalig bleibt", meint sie.

Außerdem haben die beiden noch genug andere Hobbys. "Ich trainiere die Mini-Fünkchen im Tanzen und singe bei den ,Gospelfriends‘ in Wevelinghoven", erzählt die Krefelderin. Gatte Jürgen ergänzt: "Ich habe noch einige alte Relikte aus grauer Vorzeit wie meinen Kegelclub", lacht er.

Und das Geheimrezept einer funktionierenden und vor allem glücklichen Ehe? "Das ist eine hervorragende Frage", freut sich Iris Siemons, "den anderen zu akzeptieren, wie er ist und ihn nicht verändern zu wollen. Und natürlich Vertrauen." Und Jürgen Siemons fügt hinzu: "Jeder hat seine Freiheiten. Wir waren aber auch ziemlich reif, was das Leben angeht, als wir uns kennengelernt haben." Da waren beide nämlich schon Mitte 30.

Klaus und Claudia Wawer aus Jüchen

"Ich hab sie gesehen und dachte mir, was für ein nettes Mädchen. Da kann ich es doch mal versuchen‘", erzählt Klaus Wawer und zieht bei der Erinnerung an seine damals 18-jährige Claudia den rechten Mundwinkel zu einem kecken Lächeln nach oben. Und auch wenn sie eigentlich gar keine Lust hatte, überhaupt zum Königsehrenabend in Jüchen zu gehen, sollte sie ein rhythmischer Tanz in die Arme des jungen Schützen führen. "Es hat sofort gefunkt", erzählen sie und schauen sich dabei verliebt in die Augen.

Claudia Wawer ist als Tochter des Schatzmeisters in Jüchen geboren, Klaus Wawer ist im Alter von elf Jahren von Rheydt nach Jüchen gekommen. "Mit 15 bin ich durch meine Verwandtschaft dem Artilleriezug in Jüchen beigetreten", berichtet der 59-Jährige, "früher war ich dann noch erster Reiter, jetzt bin ich der letzte." Aber nicht für seine Claudia. Knapp 30 Jahre sind die beiden jetzt schon verheiratet.

"Als wir ein halbes Jahr zusammen waren, sind wir zu dem Platz gegangen, wo eigentlich das Festzelt steht", erinnert sich Klaus Wawer, "da hab ich ihr dann eine rote Rose geschenkt." Und die hatte es wohl in sich. 1988 wurde im "Haus Katz" standesamtlich und in "St. Jakobus" kirchlich geheiratet. Vier Jahre später folgte Tochter Miriam. 1997 kam dann noch Töchterchen Antonia dazu. Und 2004 folgte nach 180 Ringen ein weiteres Highlight für die Wawers.

"Wir waren das elfte Königspaar im Artilleriezug", erinnern sie sich. Dass sie einmal das Schützenkönigspaar des Bürgers-Schützen- und Heimat-Vereine Jüchen werden würden, war beiden aber schon klar, als sie sich kennenlernten. "Nur wollten wir, dass es zu einem runden Ereignis passiert und dass unsere Kinder soweit auch etwas davon mitbekommen", sagen sie. Und da passte das 80-jährige Bestehen des Artilleriezuges perfekt.

An ihrem Geburtstag wurden die beiden gekrönt, an seinem Geburtstag dann wieder abgekrönt. ",Gemeinsam sind wir stark‘ war unser Motto", so Klaus Wawer, "wir wollten mit unseren Schützen Seite an Seite stehen." Ein Erlebnis, das die beiden wohl nie vergessen werden. "Es ist wie das erste Mal zu heiraten", assoziiert die 52-Jährige, "das kann man einfach nicht toppen."

Und wenn die beiden ihre gemeinsame Zeit nicht beim Feiern des Schützenfestes verbringen, dann verzieht sie sich gerne hinter ihre Bücher, um zu lesen oder Sprachen zu lernen. Aber auch für andere ist sie bei der "kfd" oder dem "Café Welcome" eine große Hilfe. Er hingegen ist ein leidenschaftlicher Reiter und werkelt auch gerne im Garten herum. "Jeder hat seine eigene Geschichte, die er macht", meint sie.

"Gemeinsam sind wir stark" ist aber nicht nur ihr Motto als Schützenkönigspaar gewesen. "30 Jahre ist eine so lange Zeit, mir kommt es aber gar nicht so lange vor", sagt die Jüchenerin, "wir haben immer an einem Strang gezogen und immer das gleiche Ziel vor Augen gehabt." Und auch Klaus ergänzt: "Es hat einfach gepasst, vom ersten Augenblick. Wir konnten immer miteinander reden." Sein Tipp für eine gute Ehe: "Spontanität!".