„Erasmus“-Schülerin Valvara aus Mariupol: „Wir können nur beten“
Grevenbroich · Ein Euro je Schüler und Lehrer – so lautete ein Spendenaufruf des Erasmus-Gymnasiums an die Schulgemeinschaft. Ziel war es, so rund 1.000 Euro zusammenzubekommen, die unterschiedlichen Organisationen in der Ukraine-Hilfe übergeben werden sollen. Doch die Erwartungen wurden weit übertroffen: Es kamen weit über 2.000 Euro zusammen.
Ein erstes Statement gegen den Krieg hatten die Erasmus-Schüler bereits vor drei Wochen gesetzt, als sie den Eingang mit Friedenstauben schmückten. Doch allen war schnell klar, dass sie mehr tun wollen, weiß Schulleiter Dr. Michael Collel: „Es ist den Schülern ein großes Bedürfnis, ihre Solidarität und, was sie von dem Krieg halten, zu zeigen.“
Das taten sie nun mit einer Spendenaktion in der vergangenen Woche. Ideengeberin war Lehrerin Kerstin Wichelhaus, die sich mit einigen Schülern der SV zusammensetzte und den Plan ausarbeitete: „Wir engagieren uns schon lange für Togo und machen jedes Jahr eine besondere Aktion, um Sach- oder Geldspenden zu sammeln. Und diese Kultur hat jetzt dazu geführt, die Lage in der Ukraine als Anlass zu nehmen, die jährliche Spendenaktion dafür umzusetzen.“ Doch die Menschen in Togo werden natürlich nicht vergessen, wie Wichelhaus betont, und wie gewohnt bei der „Aktion Tagwerk“ unterstützt.
Das SV-Team für die Spendenaktion – Karl Peiffer, Aamir Mohammed, Hazan Nur Topcu, Emily Lepka, Franka Schulte-Haubrügger und Muhammed Budak – hat viel recherchiert und sich letztendlich für das Sammeln von Geldspenden entschieden. „Das ist am sinnvollsten“, erklärt Karl Peiffer, dass sie zwei bis drei kleinere Organisationen und Projekte – auch direkt hier vor Ort – unterstützen wollen.
Im Foyer des Gymnasiums bauten sie schließlich einen unübersehbaren Spendenstand auf, der für einen Tag Anlaufstelle war für alle, die helfen wollten. An mehreren Stellwänden waren dabei selbstgeschriebene Statements, was Krieg und Frieden bedeuten, und Fotos von Schülern mit Botschaften wie „more peace, less war“ zu entdecken.
„Wir haben versucht, alles so schnell wie möglich umzusetzen“, berichtet Aamir Mohammed, „denn schnelles Handeln war wichtig. Und das haben wir ganz gut geschafft.“ Mit ihrem Spendenaufruf erhoffte sich das Team, von allen Schülern und Lehrern jeweils einen Euro zu bekommen. Doch Kleingeld landete kaum in der Spendenbox. „Viele haben deutlich mehr gespendet“, freut sich Peiffer, dass rund 2.500 Euro zusammengekommen sind.
Auch Valvara Kovalchuk hat sich an der Aktion beteiligt, denn für sie hat das Ganze eine besondere Bedeutung. Die Achtklässlerin, die in Mariupol geboren wurde, kam im Alter von sechs Jahren mit ihrer Mutter aus der Ukraine nach Deutschland. „Teile meiner Familie sind noch dort“, berichtet sie, „das ist sehr schlimm.“
Ihre Tante und ihr Onkel seien bei Ausbruch des Krieges glücklicherweise bei ihnen zu Besuch gewesen und seither hier. Varvaras Großeltern und ihr Cousin, der aufgrund seines Alters das Land auch nicht verlassen darf, sind jedoch noch in der Ukraine und leben im Haus ihrer Tante etwas außerhalb des Stadtkerns von Mariupol.
Wie Varvara erzählt, sei das Haus glücklicherweise nicht zerstört und Schutz würden sie im Keller suchen. „Wir hatten zwei Wochen keinen Kontakt zu meinen Großeltern, weil sie kein Netz hatten“, erzählt die 14-Jährige vom bangen Warten. Schließlich gab es dann Ende vergangener Woche die Möglichkeit, kurz miteinander zu telefonieren. „Mein Opa hat erzählt, dass es sehr schlimm ist in Mariupol und dass sie Schüsse hören können“, so Varvara, „sie haben auch kein fließendes Wasser und haben angefangen, Regenwasser zu filtern für den Fall der Fälle.“ Nahrung und etwas zu trinken seien aber derzeit noch genug vorhanden.
„Ich habe quasi keine Vergangenheit mehr“, so die Schülerin weiter. Denn die Geburtsklinik, in der sie zur Welt kam, gibt es nicht mehr. Sie wurde bei einem Bombenangriff zerstört – die Bilder davon gingen um die Welt. Auch das Haus, in dem sie gewohnt habe, gebe es nicht mehr. „Ich mache mir wirklich Sorgen um meine Familie, weil ich nicht weiß, wie es weitergehen wird. Es ist schon schwer, hier den normalen Alltag weiterzuleben, aber ich muss ja weitermachen“, weiß Valvara, dass zuhause zu sitzen, nur zu weinen und sich zu sorgen, nichts bringe.
Man könne nur glauben und hoffen, dass alles gut wird, und mit Spenden seinen Teil beitragen. Daher findet sie die Aktion in ihrer Schule auch sehr gut: „Es ermuntert einen, eher zu spenden. Denn wenn es in der Schule gemacht wird, ist es für viele einfacher, als selber zu recherchieren, wo man Spenden kann.“
Bald schon möchte das Team der SV die Spenden persönlich an die unterschiedlichen Organisationen übergeben. So soll ein Teil auf jeden Fall der „Existenzhilfe“ zugutekommen, die davon Verbandsmaterial und Medikamente kaufe und an die ukrainische Grenze bringe. Zu guter Letzt möchte sich die SV noch ganz herzlich bei ihrer Lehrerin Kerstin Wichelhaus für die Idee und die Unterstützung bei der Aktion bedanken.