Schallplatten, Rock ’n Roll und Petticoat: Tanze in den Morgen

Grevenbroich · „Ich wusste nicht mal mehr, dass ich den Wiener Walzer noch kann“, lacht Bürgermeister Klaus Krützen. Denn er hat, im Gegensatz zu dem großen Rest des Publikums, keine Tanzschule besucht. „Ich habe das Tanzen ,selfmade‘ im Zelt gelernt“, fügt er später grinsend hinzu.

Schallplatten-DJ Volkmar Hess organisiert mit seiner Gattin

Foto: Fotos (2): Alina Gries

Dennoch scheinen die klatschenden Zuschauer von Krützens konzentriert gesetzten Schritten begeistert. Und das besondere dabei ist nicht die Tanzeinlage des Bürgermeisters, sondern die Menschen, die ihm zusehen.

„Tanze mit mir in den Morgen - ist das Motto von heute“, berichtet Volkmar Hess, „damit sind nicht nur die alten Platten gemeint, sondern die Reise in die Vergangenheit in Kombination mit Mode und Musik.“ Hess ist Schallplatten-DJ auf etwa 100 Veranstaltungen in der gesamten Umgebung. Dabei sind es nicht etwa Partys oder Clubs, bei denen er auflegt, sondern Veranstaltungen wie die des Demenznetzes Grevenbroich.

„Es ist ein Tanzen für Senioren mit, aber auch ohne Demenz“, erzählt Cordula Buhles vom Caritas-Verband, „eine ähnliche Veranstaltung gab es im Frühjahr schon einmal.“ Dennoch habe sie mit einer so großen Resonanz nicht gerechnet. „60 Personen sind hier, die Leute danach konnten wir nicht mehr rein lassen“, so Buhles. Und dass gerade Tanzen etwas ist, was demenzkranke Menschen bewegt, konnte Buhles schon beim vergangenen Mal beobachten.

„Da war ein Herr, der bei einem Lied plötzlich meinte: ,oh das ist Petticoat, ich erinnere mich‘ oder jemand, der nicht so gut laufen kann, tanzte auf einmal durch“, erzählt Buhles strahlend, „Es ist auch für Ehepaare, bei denen vielleicht der Partner an Demenz erkrankt ist, etwas schönes, einfach gemeinsam etwas zu unternehmen.“ Das schien auch dieses Mal zu funktionieren. „Wir tanzen, bis die Füße qualmen“, läutete Volkmar Hess die Veranstaltung ein und brachte mit „Que Sera, Sera“ schon prompt die wippenden Zuschauer zum Schunkeln und Singen. „Ich würde auch noch tanzen, wenn jemand dabei wäre“, lächelt Erich Thoß, „am liebsten tanze ich Walzer. Da tritt man dem anderen nicht so schnell auf die Füße.“ Doch dabei muss man keine Angst bei dem 88-Jährigen haben. „1948 habe ich eine Tanzschule in Sachsen besucht“, erzählt er, „und ab und zu bin ich beim Seniorentanz.“

Und auch Bürgermeister Krützen zeigt sich begeistert – wenn auch etwas verschwitzt. „Ich finde es wichtig, dass solche Veranstaltungen angeboten werden, bei denen man in die alte Zeit eintauchen kann.“

Alina Gries

(Kurier-Verlag)