Dialog zwischen Politik und Gewerkschaften Im Schulterschluss für einen gerechten Strukturwandel

Südstadt · Vor dem Hintergrund der gestiegenen Energiekosten und dem beschleunigten Kohleausstieg im „Rheinischen Revier“ hat der DGB-Kreisverband Betriebsräte, Gewerkschaftsvertreter und die handelnden politische Akteure im Rhein-Kreis zu einem Austausch über den aktuellen Stand und die weitere Entwicklung des Strukturwandels in der Region eingeladen. Ort des Austausches war „Speira“, welches selbst mit den gestiegenen Stromkosten zu kämpfen hat.

 Betriebsräte, Gewerkschaftsvertreter*innen und Kommunalpolitiker im "Speira"-Werk in Grevenbroich.

Betriebsräte, Gewerkschaftsvertreter*innen und Kommunalpolitiker im "Speira"-Werk in Grevenbroich.

Foto: DGB

Alle Beteiligten waren sich darin einig, dass ein Strukturbruch unbedingt verhindert werden muss und dass Bund und Land jetzt am Zug sind, die betroffen Kommunen und Betrieben bei der Bewältigung des Strukturwandels zu unterstützen.

„Wir Gewerkschaften stehen für eine vernünftige Balance von gerechter Strukturentwicklung, guter Arbeit und Fortschritten beim Klimaschutz ein. Die aktuellen Entwicklungen dürfen sich aber nicht negativ auf Arbeitsplätze, Standortfaktoren und Kaufkraft auswirken. Um gezielt neue Unternehmen anzuwerben und anzusiedeln, brauchen wir eine investive Förderrichtlinie des Bundes. Aber auch das Land ist in der Pflicht mit einem Transformationsfonds zu helfen. Im Saarland gibt es so etwas bereits, Nordrhein-Westfalen muss endlich nachziehen“, fordert Sigrid Wolf, Regionsvorsitzende des DGB Düsseldorf-Bergisch Land.

„Der Rhein-Kreis ist einer der bundesweit führenden Standorte der energieintensiven Aluminium-, Chemie- und Lebensmittelindustrie mit einer großen Anzahl von Arbeitsplätzen, die tarifgebunden sind. Deren Produkte werden für viele andere Wirtschaftszweige benötigt. Im internationalen Vergleich ist der Strompreis für Industriebetriebe in Deutschland allerdings wesentlich höher als in anderen Ländern. In Deutschland zahlt die Industrie bislang mehr als 13 Cent pro Kilowattstunde Strom, in Frankreich unter fünf Cent, in den USA oft sogar unter vier Cent. Damit die energieintensiven Industrien eine grüne Zukunft auch im Rheinkreis haben, brauchen sie preisgünstigen grünen Strom“, so Udo Fischer, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes.

Heinz Höhner, Konzern-Betriebsratsvorsitzender der „Speira“: „Energieintensive Industrieunternehmen werden auch in Zukunft gebraucht. Es muss uns gelingen, diese Industriezweige in Deutschland klimaneutral umzubauen. Wir stellen die Produkte her, die für Energiewende und Transformation unerlässlich sind. Hier, fair, sauber und sicher. Gute Arbeitsplätze, gute und tarifliche Entlohnung, die sichere Steuereinnahmen und eine lebenswerte Region ermöglichen. Ohne Abhängigkeiten, in einem demokratischen Land. Die Maßnahmenpakete der Bundesregierung sind nicht ausreichend, um die Frage der Energiepreise für die energieintensive Industrie zu beantworten. Kommt der Brückenstrompreis nicht schnell, fallen sofort Arbeitsplätze in der Aluminiumindustrie des Rhein-Kreis weg – noch gibt es davon ewta 5.000.“

„Bund und Land müssen die Rahmenbedingungen so weiterentwickeln, dass die Arbeits- und Ausbildungsplätze in unserer Region zukunftsfest gesichert und zusätzliche, gut bezahlte Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen können. Dazu gehört neben der Versorgungssicherheit insbesondere auch ein Strom- und Energiepreis, der die bei uns ansässigen Unternehmen international wettbewerbsfähig produzieren lässt. Mit einer einstimmig beschlossenen Resolution hat der Kreistag dies bei den zuständigen Stellen erst kürzlich noch einmal mit Nachdruck hinterlegt“, betont Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

„Die gestiegenen Energiekosten und der beschleunigte Kohleausstieg stellen unsere Region vor große Herausforderungen. Der Austausch zwischen Gewerkschaft, Betriebsräten und politischen Akteuren ist entscheidend, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Wir müssen einen Strukturbruch unbedingt verhindern. Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung ehemaliger Kraftwerksflächen. Daran arbeiten wir bereits mit verschiedenen Akteuren. Von Bund und Land erwarte ich, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst werden, um die betroffenen Kommunen und Betriebe im Strukturwandel bestmöglich zu unterstützen. Es geht nicht nur um den Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern auch darum, sicherzustellen, dass diese gut bezahlt sind und eine nachhaltige Grundlage für die Zukunft bieten“, erläutert der Bürgermeister von Grevenbroich, Klaus Krützen.

Neuss´ Bürgermeister Reiner Breuer erklärt: „Um den Strukturwandel im ,Rheinischen Revier‘ zu gestalten, ist es aus meiner Sicht wichtig, Infrastruktur-Projekte wie den ,Erft-Sprung‘ im Neusser Hafen voranzutreiben. Diese Investitionen in die Schiene im Hafen tragen zu einer Kapazitätserweiterung als auch einer Effizienzsteigerung der Wachstumsregion ,Rheinisches Revier‘ bei. Die dadurch gestiegene Wettbewerbsfähigkeit eröffnet der Industrie im ,Rheinischen Revier’ in Folge die Möglichkeit, Märkte entsprechend ihrer zukünftigen wachsenden Bedarfe zu erschließen, die sonst Wettbewerbern überlassen werden müssten. Der ,Erft-Sprung‘ wäre damit ein echter Gerechtigkeitsmotor im Strukturwandel und ein gemeinsames Projekt für die Klimaneutralität.“

Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld fordert: „Für einen gerechten und am Ende gelungenen Strukturwandel brauchen wir jetzt einen Brückenstrompreis. Allein an der chemischen Industrie in Deutschland hängen 500.000 Arbeitsplätze. Im energieintensiven Bereich müssen wir von rund zwei Millionen Arbeitsplätzen ausgehen. Meine Sorge ist, dass Investitionen, die heute aufgrund unklarer Rahmenbedingungen nicht getätigt werden können, morgen dazu führen, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Der Industriestandort Rhein-Kreis droht aufgrund ungleicher Voraussetzungen auf Sicht abgehängt zu werden. Das gilt es mit aller Kraft zu verhindern.“

„Als Anrainerkommune ist es unsere Aufgabe, den Bürger eine sichere Perspektive zu bieten. Dazu sind wir vor dem Hintergrund des Strukturwandels darauf angewiesen im stetigen Dialog mit den Gewerkschaften und der lokal ansässigen Industrie zu stehen, um zukünftig den Erhalt und Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu gewährleisten sowie gleichzeitig mit den akuten Herausforderungen von Klimawandel und Energiekrise zielgerecht umgehen zu können“, so Dr. Martin Mertens, Bürgermeister von Rommerskirchen.

„Der Strukturwandel im ,Rheinischen Revier’ gelingt nur gemeinsam, deshalb entwickeln wir, die Stadt Jüchen, in Zusammenarbeit mit der Stadt Grevenbroich das interkommunale Gewerbegebiet im Elsbachtal. Während in der Vergangenheit vor allem Braunkohleabbau und -verstromung die Wirtschaft dominierten, müssen nun neue Arbeitsplätze gefunden werden. Dafür stehen hier 42 Hektar Industriegebiet im Fokus, direkt an der Autobahn 46 auf dem Gebiet beider Kommunen. Die Auswahl der Unternehmen basiert auf Aspekten wie der Arbeitsplatzdichte, der Arbeitsplatzqualität, der Gewerbesteuerzahlung, des Baukonzepts unter Einhaltung des DGNB Standards und natürlich des Klimas und Umweltschutz. Wir sehen den Strukturwandel als Chance, um die Weichen für eine nachhaltig gute Entwicklung in der Zukunft zu stellen. Es ist daher wichtig, dass die Politik und die Wirtschaft gemeinsam an einer Lösung arbeiten, um die Zukunft der Region zu sichern. Nur so kann der Strukturwandel erfolgreich gestaltet werden und die Menschen im Rheinischen Revier eine Perspektive für die Zukunft haben“, betont Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens.

(-ekG.)