Christiane Medes Spinnrad dreht sich immer weiter „Das Mädchen macht aus jedem Faden etwas“
Grevenbroich · Das Märchen von Dornröschen hat sicher jeder schon gehört. Das junge Mädchen sticht sich am 15. Geburtstag mit einer Spindel in den Finger, fällt in einen hundert Jahre langen Schlaf und wird vom Prinzen wieder wach geküsst.
Illustriert wird die Geschichte immer mit Dornröschen an einem Spinnrad. Das Märchen fasziniert auch Christiane Mede aus Langwaden. Sie hat sich einen Kindheitstraum erfüllt: Denn die 61-Jährige besitzt Spinnräder und spinnt ihre eigene Wolle.
"Mein Vater hat immer gesagt: Das Mädchen macht aus jedem Faden etwas", erinnert sich Christiane Mede, dass Handarbeit schon seit frühester Kindheit ihr Hobby war. Unerreichbar erschien ihr da der große Wunsch: ein eigenes Spinnrad besitzen. Als die gebürtige Thüringerin in einem Online-Handel für Wolle arbeitete, ergab sich die Gelegenheit. Die damalige Chefin, die von dem Wunsch wusste, bot an, ein Spinnrad zu bestellen und Mede durfte es abbezahlen. "Als ich meinen ersten eigenen Faden hergestellt habe, war das Glücksgefühl unfassbar", erzählt die Spinnerin. Und so ist sie bei dem ungewöhnlichen Hobby hängen geblieben. Bis zu 1.000 Euro kann ein neues Spinnrad kosten und bis zu zwei Jahre Wartezeit für ein neues sind an der Tagesordnung.
Spinnräder restauriert und neue Spueln gedrechselt
Mit der Zeit hat sich das ein oder andere Spinnrad im Haus in Langwaden angesammelt. Mede und ihr Mann stöbern gerne auf Flohmärkten und haben dort schon richtige Schnäppchen gemacht. "Dabei sind die Spinnräder nicht immer in bestem Zustand, wenn ich sie ertrödele. Wir haben schon welche von Grund auf restauriert und mein Bruder hat dafür neue Spulen gedrechselt", erzählt die Oma vierer Enkelkinder.
Wenn Mede Menschen berichtet, was sie in ihrer Freizeit macht, ist erst einmal Staunen angesagt: "Ich muss dann oft erklären, wie das Spinnrad funktioniert. Mir fehlen aber Gleichgesinnte. Als wir noch in Thüringen gelebt haben, habe ich viele gekannt, die ähnlich verrückt nach Spinnen und Co waren. Hier fehlt mir das ein bisschen. Aber vielleicht ergibt sich ja auch über den Artikel etwas." Seit viereinhalb Jahren wohnt das Ehepaar Mede nun in Langwaden. Vorher lebten sie in Thüringen, verließen aber die alte Heimat, um näher bei den Enkelkindern zu sein: "Und es ist perfekt hier. Jetzt fehlen wirklich nur noch Menschen mit gleichem Hobby."
Zum Spinnen nimmt Mede Wolle — ob vom Schaf oder Kaninchen, auch Mischungen und Färbungen sind möglich. Diese wird mit einem so genannten "Anspinn-Faden" verzwirbelt und dann dank Drehungen des Spinnrades, die über den Fuß erzeugt werden, zum Faden gesponnen. Mit den fertigen Fäden stellt Christiane Mede Produkte wie Socken oder Schals für die Familie und Freunde her: "Ich bin glücklich, wenn ich mit meinen Produkten Freude bereiten kann."
"Dornröschen konnte sich nicht an einem Spinnrad stechen"
Außerdem nahm die Langwadenerin schon an Wettbewerben teil: "Ich habe mal den zweiten Platz belegt beim Wettbewerb, wer den längsten Faden spinnt." Sie kam auf stolze 180 Meter innerhalb einer Stunde.
Mede spinnt zur Entspannung, um zur Ruhe zu kommen — und hat dabei einen wichtigen Hintergedanken: "Ich möchte für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Ich möchte aufklären darüber, dass alle unsere Anziehsachen aus Fäden bestehen. Jedes einzelne T-Shirt hat so seinen Wert und wir sollten nicht so achtlos damit umgehen. Wir müssen diese Werte viel mehr achten. Denn alles ist Faden!"
Das Märchen von Dornröschen sorgt zwar dafür, dass Spinnräder bekannt sind, aber die Expertin weiß, dass es so gar nicht gewesen sein könnte: "Spinnräder waren ganz viele Jahre verpönt, als die Gebrüder Grimm das Märchen geschrieben haben. Deshalb konnte Dornröschen sich nicht an einem Spinnrad stechen, wie viele Abbildungen es zeigen, sondern nur an einer Handspindel, denn die wurde damals benutzt und die hat auch eine Spitze." Aber eigentlich ist das auch egal, denn das Märchen hat das Spinnrad zu etwas Zauberhaftem gemacht und genau das liebt Christiane Mede an ihrem Hobby.