Jetzt mit 3. Update: Bürger-Information Wevelinghoven,Frimmersdorf, Hemmerden: Was gesagt wurde. Und was nicht gesagt wurde.

Wevelinghoven · Die mit Spannung erwarteten Bürger-Informationsveranstaltungen in Sachen Flüchtlingsunterbringung liegen hinter uns. Für Klaus Krützen wurden alle Fragen nachhaltig beantwortet. Jetzt liegt auch der Beschlussvorschlag der Verwaltung für die Ratssitzung am Mittwoch vor. Hier ein paar Aussagen, die festgehalten werden sollten.

Flüchtlings-Container "Am Steelchen".

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Update: Ratssitzung am kommenden Mittwoch

„Der Rat beschließt die Errichtung einer Zentralen Unterbringungseinheit (ZUE) als Landesaufnahmeeinrichtung mit einer Kapazität von bis zu 400 Personen auf dem Gelände ,An der Untermühle’, dem ehemaligen Standort „Lange-Walker“. Die Verwaltung wird beauftragt mit der Bezirksregierung Düsseldorf Verhandlungen aufzunehmen und dahingehend einen Vertrag zu schließen.“

Das soll der Rat am kommenden Mittwoch auf Vorschlag von Bürgermeister Klaus Krützen beschließen. Und nach den Verlautbarungen aus den Fraktionen dürfte es dafür auch eine Mehrheit geben ...

Zahlen & Fragen

Im einleitenden, rund 45 Minuten langen Vortrag wurden viele Zahlen genannt: 1.586 Flüchtlinge leben demnach derzeit in Grevenbroich (35 Prozent sind Männer, 30 Prozent Frauen und 35 Prozent Kinder).

716 der Flüchtlinge leben in städtischen Unterkünften; 870 (überwiegend Flüchtlinge aus der Ukraine) sind privat untergebracht.

Da aktuell nur wenige neue Flüchtlinge aus der Ukraine und dafür immer mehr „aus aller Welt“ kommen, dürfte der Anteil der privaten Unterbringung ebenso rapide sinken.

Eine überraschende Anmerkung des Bürgermeisters: Es leben noch viele Flüchtlinge aus der 2015er Welle in den Unterkünften. Das mit dem „Auzugsmanagement“ und der „Integration“ scheint zumindest bei diesen Flüchtlingen nicht geklappt zu haben.

Urlaubsländer

Mit Überraschung wurde im Publikum die Übersicht der wichtigsten Herkunftsländer aufgenommen. Ja, kommentierte Sozialamtsleiter Dirk Reiff, da mag manch einer denken: In den Ländern mache ich doch Urlaub. Trotzdem gebe es dort Gründe zur Flucht.

Mit dabei übrigens auch die Türkei, aus der 55 der in Grevenbroich lebenden Flüchtlinge kommen. ... aus dem Land, das unbedingt in die EU will und das NATO-Partnerland ist.

Update: Der nächste Schwung Flüchtlinge, die noch diesen Monat nach Grevenbroich verbracht werden sollen, wird sich zum überwiegenden Teil aus türkischen Bürgern zusammensetzen. Unter den Flüchtlings-Nationen käme die Türkei (nach der Ukraine und Syrien) auf den dritten Rang

„Kuschelig“

Bei der Informationsveranstaltung ging es der Stadt natürlich darum, die bürgerlichen Bedenken gegen die Flüchtlings-Container auf dem „Lange-Walker“-Gelände zu zerstreuen.

Wenig hilfreich war da die Aussage von Sozialamtsleiter Dirk Reiff, der darauf verwies, dass er Schwierigkeiten habe, die Stellen in der für die Flüchtlingsbetreuung zuständigen Abteilung zu besetzen. Und er signalisierte Verständnis für diese Rückhaltung mit den Worten: „In dem Bereich ist es ja auch nicht kuschelig“.

Erwartungshaltung

Bisher wurden 90 Prozent der Flüchtlinge auf städtischen Grundstücken untergebracht. Und die lägen überwiegend im Süden, so Klaus Krützen. Deshalb seien die südlichen Stadtteile (neben der Innenstadt) in Relation zur Einwohnerzahl „gut ausgelastet“. Wevelinghoven, Kapellen und Hemmerden seien bisher nur minimal betroffen und deshalb nun schlussendlich an der Reihe.

Rebecca Ende aus dem Sozialamt machte deutlich, dass es angesichts der vielen Flüchtlinge, die vom Land nach Grevenbroich geschickt würden, zunächst einmal darum gehe, „für ein Dach überm Kopf“ zu sorgen. Das reiche aber nicht aus, „weil die Menschen, die kommen, eine andere Erwartungshaltung haben“.

ZUE

Marc Schnell von der Bezirksregierung informierte, dass in der ZUE „im wesentlichen Sachleistungen“ an die Flüchtlinge ausgegeben werden. Dass es ein „Umfeld-Management“ gibt. Dass das „Container-Dorf“ von vier, fünf Mitarbeitern der Bezirks-Regierung geleitet und dass die übrige von einem Subunternehmer (zum Beispiel Johanniter) geleistet wird.

Die ärztliche Versorgung würde auf dem Gelände sichergestellt; nur wenn es um fachärztlichen Bedarf gehe würde, würden kurzfristig Termine im Umfeld gemacht.

Überfordert

... waren die Vertreter der Stadt zunächst mit der Frage, wie groß die Fläche sei, die für das „Container-Dorf“ benötigt wurde. Sven Hösen von den Stadtbetrieben rechnete ... und rechnete ... und rechnete ... und konnte rund 20 Minuten später verkünden: 12.000 der 35.000 Quadratmeter großen „Lange-Walker“-Fläche würden wohl in Anspruch genommen werden.

Zwei rührende Geschichten

Ein Bürger meldete sich (ohne jegliche Radikalität, aber mit Tränen in der Stimme) zu Wort: Er habe sein ganzes Geld in die Kernsanierung seines Hauses gesteckt, das durch das „Container-Dorf“ doch jetzt an Wert verliere, nicht mehr zu verkaufen sei.

Und er mache sich Sorgen um seine Frau, die morgens zum Kapellener Bahnhof gehe, um zur Arbeit zu fahren. Und abends auf dem gleichen Weg zurückkomme. Er mache sich zudem Sorgen um seine Kinder, die dort aufwachsen und spielen sollten.

In seiner Jugend habe er miterlebt, wie in Kapellen Flüchtlinge auf dem NATO-Gelände untergebracht worden seien. „Meine Schwester ist belästigt und begrapscht worden.“ Er selbst sei bespuckt worden.

Jan-Christoph Schaberick von der Bezirksregierung antwortete mit der Feststellung, dass im Umfeld von bestehenden Landeseinrichtungen nichts von erhöhter Kriminalität bekannt sei.

Und er berichtete von einer Bürgerin, die bei einer Informationsveranstaltung im Ruhrgebiet gesagt habe, dass sie Angst habe, dass sie sich abends nun nicht mehr auf die Straße traue und dass sie so auch auf ihre Jogging-Runden verzichten müsste.

Ein paar Monate nach der Eröffnung der Flüchtlingsunterkunft habe er diese Frau wieder getroffen und sie habe erzählt, dass „alles gut“ sei und dass sie wieder jogge. „Die Flüchtlinge, denen ich begegne, grüßen auch alle immer freundlich“, habe sie gestrahlt.

Update: Keine Garantien

„Am Steelchen“ in Frimmersdorf stehen inzwischen zwei Containerreihen, die zusammen Platz für 160 Flüchtlinge bieten können. Genutzt werden allerdings nur 120 Plätze (laut Beschluss de Rates), wobei man allgemein ja von einer 80-prozentigen Belegung ausgeht.

Allerdings wollte Bürgermeister Klaus Krützen bei der Bürger-Informationsveranstaltung in Frimmersdorf keine Garantie dafür abgeben, dass die 40 Plätze in der Tat nicht genutzt werden. Die Stadt sei nun einmal verpflichtet, ihr zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen ... und wenn es dann prekär werden würde, könnte man irgendwann auch zu anderen Festlegungen kommen.

Ebenfalls keine Garantie gab er für einen 24/7-Einsatz von Security.-Kräften. Die seien teuer und in der Politik werde die Möglichkeit einer „regelmäßigen Bestreifung“ diskutiert.

Die Sorgen der Bürger wurden in Frimmersdorf (ebenso wie in Wevelinghoven) mit dem Hinweis, dass es bis dato so gut wie noch keine Vorfälle gegeben habe, auf Seite geschoben: „Et hätt noch emmer joot jejange“, sagt der Kölner.

Update 2: Die Henne und das Ei

In Wevelinghoven bedankte sich Bürgermeister Klaus Krützen ausdrücklich beim grünen Landtags-Abgeordneten Simon Rock, der dafür gesorgt hätte, dass die Kapazitätsgröße der ZUE von 600 auf 400 gesenkt werden könnte.

CDU-Fraktions-Chef Wolfgang Kaiser machte jetzt dagegen deutlich, dass die zuständige Landesministerin schon im August dies als Möglichkeit eingeräumt habe und dass die Stadt schon lange vor den Beratungen im Stadtrat darüber hätte Bescheid wissen müssen (Lesen Sie auch unter https://www.erft-kurier.de/grevenbroich/cdu-haelt-an-ihrem-konzept-der-dezentralen-fluechtlingsunterbringung-fest_aid-103143723).

Nicht minder hart konterte inzwischen für die SPD Daniel Rinkert: „In den vergangenen Tagen hat die CDU Grevenbroich wiederholt Vorwürfe gegen die Verwaltung und gegen Bürgermeister Klaus Krützen erhoben, die nicht der Wahrheit entsprechen. Entweder beruht dies auf totaler Unkenntnis der Beschlusslage des Rates, was den handelnden Akteuren peinlich sein sollte, oder es sind glatte Lügen und somit populistische Stimmungsmache (Lesen Sie auch unter https://www.erft-kurier.de/grevenbroich/cdu-haelt-an-ihrem-konzept-der-dezentralen-fluechtlingsunterbringung-fest_aid-103143723).

„Lange-Walker“

Eine Nutzung des vorderen, nicht verseuchten Teils des „Lange-Walker“-Geländes soll laut Stellungnahme des Kreises möglich sein. Das aktuell an die Stadt Grevenbroich übersandte Schreiben hatte aber keine neue Untersuchung zur Grundlage, sondern bezog sich insgesamt auf die Erkenntnisse der vergangenen Jahrzehnte.

Grobe Skizze von dem Bereich, in dem keine Schadstoffbelastungen bekannt sind (blau markiert).

Foto: KV/Repro: -gpm.

Die bisher letzte umfangreichere Untersuchung fand 2019 statt; es werden zudem dauerhaft zwei Grundwassermonitorings durchgeführt.

Und: Das Kreis-Umweltamt will bei allen weiteren Schritten involviert werden.

Bürger-Begehren

Das von drei Bürgern angestoßene Bürger-Begehren geht in den sehr engmaschig vorgegebenen Bahnen seinen Weg. Zunächst müssen die Kosten ermittelt werden.

Was bedeutet das aber für das Vorhaben der Stadt? Stadtsprecher Lukas Maaßen zitiert aus dem Gesetz: „Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach Satz 1 oder Satz 2 abschließend festgestellt, darf bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden (Sperrwirkung des zulässigen Bürgerbegehrens).“

-gpm.

(-gpm.)