Zweiter Advent Ein adventlicher Gruß in schwierigen Zeiten
Grevenbroich · Auch wenn wir bald Weihnachten, das Fest des Friedens, begehen, so ist doch das Heilige Land, das Christentum, Judentum und Islam gleichermaßen heilig ist, seit dem terroristischen Hamas-Attentat vom 7. Oktober 2023 wieder in besonders grausamer Weise Gegenstand eines Krieges.
Dabei sprechen wir in Deutschland davon, dass Israels Sicherheit auch unsere Staatsräson ist. Eine der Gründe ist, dass die Gründung des Staates Israel von der UNO 1947 auf britischem Mandatsgebiet in Palästina nicht zuletzt vor den Erfahrungen des Holocaust erfolgte. Viele Holocaust-Überlebende aus Deutschland, unter ihnen der gerade erst volljährig gewordene Hemmerdener Helmut Sachs, gingen nach Israel und kämpften für die Unabhängigkeit. Helmut Sachs hatte als einziger seiner Familie mit gerade einmal 15 Jahren den Holocaust überlebt, mehr als vier Jahre als Kind Ghettos und KZs überlebt.
Auch einigen Grevenbroicher Familien wie den Löwensteins, der zionistisch eingestellten Familie David und Löwenstein, der Familie Moser, den Jugendlichen Walter Stern als „Kibbutznik“ oder Lieselotte Katz mit einem „Kapitalistenzertifikat“ gelangen zuvor bereits in den 1930er Jahren die Flucht nach Palästina. Karl Katz aus Wevelinghoven kam noch kurz nach Kriegsausbruch illegal mit dem Schiff „Patria“ 1940 dorthin.
Für sie alle waren die Emigration oder die Flucht nach Palästina letztlich ein Ausweg aus dem Holocaust. Der Elterngeneration, denen eine Emigration verwehrt blieb oder die selbst vor dem Hintergrund des Novemberpogroms der „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 in Deutschland blieben, da man ihnen nach ihrer Vorstellung zumindest nicht das Leben nehmen würde, wurden im Holocaust ermordet.
Dies betraf auch die Familie von Lieselotte „Liesel“ Katz aus Grevenbroich. Ihr Bruder Walter konnte im Jahr 1937 nach Südafrika, Liesel Anfang 1938 von Grevenbroich aus nach Palästina emigrieren. Auf ihrem Auswanderungsbogen gab Liesel, gefragt nach dem Grund ihrer Emigrationsabsicht, an, sie wolle „nach Palästina, weil ich als Jüdin in Deutschland keine Zukunft habe!“ Hier erwarb sie die von den Briten vor der israelischen Staatsgründung ausgestellte palästinensische Staatsbürgerschaft. Liesels Eltern Alex und Elfriede Katz blieb die Ausreise nach Palästina verboten, weil sie aufgrund des Novemberpogroms des 9. Novembers 1938 „illegal“ nach Belgien und später vor dem Krieg nach Frankreich geflohen waren.
Die Staatsgründung Israels erklärt sich nicht zuletzt vor diesen Erfahrungen des Holocaust und seiner Etablierung auf bereits versprochenen, historischem und bis in die biblische Zeit zurückreichenden jüdischem Siedlungsgebiet. Dass überlebende, verfolgte Juden in Israel eine Heimat und einen eigenen, demokratischen Staat gefunden haben, verpflichtet Deutschland, Israels Sicherheit heute als Staatsräson zu betrachten. Und dies gilt nach den terroristischen und barbarischen Angriffen und Geiselnahmen der Hamas umso mehr, wenn sich Israel gegen den Terrorismus wehrt und verteidigt. Noch heute leiden Nachfahren, darunter Nachfahren von aus Grevenbroich Geflohenen, unter den täglichen Raketenangriffen der Hamas und den kriegsähnlichen Erfahrungen in Israel. Viele der Geiseln – ebenso wie Holocaust-Überlebende der zweiten und dritten Generation weltweit, die wie die Kinder und Enkel von Liesel Katz an Deutschlands Demokratie und seine Verantwortung für jüdische Leben glauben – haben die deutsch-israelische Staatsbürgerschaft, weil sie Nachfahren von Holocaust-Überlebenden sind. Die beiden Töchter von Liesel Katz, Mari Bruce und Joan Noble, haben in den vergangenen Jahren mehrfach auf Einladung des Geschichtsvereins Grevenbroich besucht, um mit ihren Kindern und Enkeln Spuren ihrer Familie zu folgen.
Wir sind es unserer Geschichte, dem Land und den Israelis, die Anfang Oktober das größte Massaker seit dem Holocaust erlebt haben, schuldig, an der Seite Israels zu stehen und uns klar gegen den Terrorismus der Hamas zu positionieren. Gleichzeitig trauern wir um alle zivilen Opfer, darunter derzeit vor allem palästinensische Zivilisten im Gazastreifen, menschliche Schutzschilde und letztlich auch Opfer der Hamas und des über Israel gebrachten Terrors.
Wenn in diesem Jahr zum Gedenktag des 9. Novembers auf dem Synagogenplatz und auf dem jüdischen Friedhof mit „KKG gegen das Vergessen“ der jüdischen Opfer aus dem Stadtgebiet Grevenbroichs gedacht, wenn beim „Menorah“-Abend im Pascal-Gymnasium auch an Liesel Katz und ihre Familie sowie im Erasmus-Gymnasium an die Gebrüder Fritz und Walter Stern, die als Schüler emigrierten, erinnert wurde, so ist dieses Erinnern aktueller denn je. Denn gleichzeitig ist dies ein Aufruf zu Toleranz ohne Rücksicht auf Religion oder Herkommen, gegen Hass und Terror sowie für ein friedliches Miteinander, aber auch ein deutliches Ausrufezeichen: Nie wieder – kann auch jetzt sein.