Hinter der Türe einer Künstlerin
Kamphausen · Gelangt man in die Ecken Kamphausens ist es erst einmal eine Hürde die richtige Hausnummer zu finden. Mal sind die Zahlen sortiert nach geraden und ungeraden Zahlen, dann wechseln sie die Seite und haben auf einmal keine Struktur mehr.
Andere Häuser in der Nachbarschaft haben sogar eine neue Hausnummer an die Wände angebracht und die alte schlicht und einfach durchgestrichen. Renate Fellner wohnt in Kamphausen, ihre Hausnummer ist nicht ganz so skurril wie die ihrer Nachbarn. Öffnet sie jedoch ihre Türe des rustikalen Bauernhauses, befindet man sich ganz plötzlich in einer ganz anderen Welt.
Blick man durch die riesigen Wohnzimmerfenster kann man das erhaschen, was sich hinter dem Haus verbirgt: riesige Seen mit Skulpturen. Doch es sind nicht irgendwelche Skulpturen — es sind die von Renate Fellner. "Ich modelliere alles, was ich gerne mag", sagt sie, "ich mag Kinder, lese gerne und bin Gesangslehrerin und Flötistin." Einer ihrer Besonderheiten ist die Skulptur, der sie den Namen "Gregor Martin" gegeben hat. Er sitzt einsam auf einer Bank und schaut mit einer Seelenruhe auf die Weiten des Sees. "Das ist mein Neffe Gregor Martin, als er noch klein war", erklärt die 71-Jährige, "er wurde geboren als Martin Luther King ermordet wurde. Heute ist er 42 Jahre alt, doch als Kind sah er genau so aus wie die Skulptur." Dabei entdeckte Fellner ihre Vorliebe zum Modellieren schon recht früh.
"Angefangen habe ich schon während der Schulzeit. Aber es war mehr, dass ich für mich modelliert habe", verrät die Kamphausenerin, "für mich ist es wichtig, die Kunst anzufassen. Ich kann die Skulpturen drehen, wie ich möchte, und sie sehen immer anders aus."
Am liebsten mag Renate Fellner die so genannten "Handschmeichler". "Sie sind klein und liegen angenehm in der Hand. Es gibt nur wenige Künstler, die solche ,Handschmeichler‘ herstellen", sagt sie, "ich mag vor allem die filigrane Arbeit daran. Durch das Streicheln verändert sich das Material erst und bekommt den Glanz. Es verändert sich je öfter und intensiver es berührt wird."
So hat auch ihre Esels-Skulptur in einem Park in Jülich ganz blitzblanke Ohren, weil sich die Kinder beim Reiten dort immer festhalten. "Früher habe ich mir immer die Figuren ausgedacht, heute überlege ich mir eine Thematik für meine nächste Ausstellung, die dann als Leitfaden dient", sagt Fellner. So benannte sie die vergangene Ausstellung "Gespruchenes, Geliddertes, Gedanztes". Dazu formte sie beispielsweise Ballettschuhe.
"Meine jetzige Ausstellung hat das Thema ,Sonne, Mond und Sterne‘", erzählt sie. Diese Ausstellung kann noch bis zum 20. Dezember jeden Mittwoch im Rahmen des "offenen Ateliers" von 15 bis 18 Uhr besucht werden. Persönliche Führungen auch an den Wochenenden sind nach Vereinbarung möglich. Und die lohnen sich.
Lässt man seinen Blick über die Skulpturen innerhalb des Ateliers der Künstlerin schweifen, bemerkt man die Liebe zum Detail. "Ich bin mir ganz sicher, dass sich einige Besucher in meinen Skulpturen wiedererkennen", meint sie, "ich halte mich an keine Schlagwörter, sondern nehme Bewegungen von anderen mit. Wenn mir etwas gut gefällt, dann übernehme ich das für meine Skulptur." Doch wenn sich jemand wiederentdeckt, lächelt sie nur schmunzelnd. "Ich möchte für mich bleiben, die Menschen sollen selber herausfinden, was sie in meinen Skulpturen wiedererkennen oder sehen", berichtet die 71-Jährige.
So war die erste Skulptur, die Renate Fellner erschaffen hat, eine kleine dicke Frau. "Sie sollte bodenständig sein. Das ist auch ein Merkmal meiner Skulpturen. Alle haben kräftige Beine und kompakte Füße — sie sind eben bodenständig."
Doch bis die Skulpturen perfekt sind benötigt Fellner den nötigen Abstand. "Ich decke sie manchmal bis zu einem Monat einfach mit einer Decke zu", verrät sie, "das gibt mir Abstand. Vor einigen Jahren ist mit das passiert, dass die Armbeuge einer Figur nicht zu dem Rest des Körpers gepasst hat."
Dabei ist Renate Fellner in ihrer Jugend vor allem musisch erzogen worden. "Ich habe auf Gymnasium besucht mit musischer und künstlersicher Ausbildung und habe erst einmal Musik im Schwerpunkt Gesang und Blockflöte studiert", erklärt sie. Nun unterrichtet sie auch selbst an der städtischen Musikschule, "Ich habe wohl die Ruhe und die Sprache, in der sich jeder Jugendlicher wiederfindet", meint Fellner, "viele sind zur Oper gegangen." Während sie versuchte, anderen Musik nahe zu bringen, ist sie in der Kunst mit anderen eher ungeduldig. "Ich möchte mit mir selber arbeiten und will keinen um mich herum. Erst wenn die Form fertig ist und ich zum Gießer gehe, möchte ich Kontakt zu anderem Menschen haben", berichtet sie.
Dennoch bietet sie zweimal im Jahr einen Workshop an, bei dem die Teilnehmer lernen, Skulpturen zu erschaffen. "Wenn sie von mir nach Hause gehen, können sie lebst Skulpturen herstellen", so Renate Fellner, "jeder hat eine eigene Handschrift, keiner kann etwas genauso nachmachen."
Die nächste Ausstellung wird die 29. sein. "Ich habe schon eine Idee", verrät Fellner, "es soll von Betten handeln. In denen kann man sich wohlfühlen, aber auch lesen und viele weitere Dinge tun."