Das Top-Kurier Törchen am 1. Dezember Im Bunker: Rendezvous mit der Monsterspinne
Bissen · Schüsse in der Ferne, Bombeneinschläge im Nachbarort und dann schrillt die Sirene. Fliegeralarm. Panisch stürmen die Menschen in einen nahe gelegenen Bunker - suchen Schutz und warten. Hören die Einschläge und wissen nicht, was morgen sein wird.
Steht das Haus noch? Sind die Nachbarn oder bekannte wohlauf? Leidglich ein paar Rohre sind in den Tiefen des Bunkers eingebaut, um Luft zum Atmen zu bekommen.
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13 Bunker wurden im Amtsbezirk Jüchen errichtet — davon sind viele zerstört, zugeschweißt oder umfunktioniert worden — zu Fledermaus-Höhlen beispielweise. Der Bunker in Bissen ist einer der wenigen, der noch betreten werden kann. Er ist im Privateigentum von Familie Steinfarz und steht mitten in einem kleinen Wald. "Früher haben die Kinder dort immer gespielt. ich war seit bestimmt 20 Jahren nicht mehr dort unten", erzählt Martha Steinfarz.
Inmitten des kleinen Waldes ragt eine offene Steintüre heraus. Vier Meter lang und 1,70 Meter breit ist der Bunker in Bissen. Mit einer Gesamtfläche von 6,80 Metern bot er gerade einmal für zehn Personen Platz. Er war der kleinste in der Gemeinde. Der Weg in die Tiefen, wo Menschen gekauert und um ihr Leben gebangt haben, ist bedeckt mit Laub. "Eigentlich sind hier Treppen", so Steinfarz. Um nicht auf dem Knien zu rutschen, müssen wir uns an den dicken Wänden Halt suchen. 60 Zentimeter sind die Wände dick — die Decke 1,20 Meter. Von oben erkennt man nicht, dass sich unten außer dem langen Gang noch ein weiterer Raum befindet.
Hat man die steile Treppe überwunden, tritt man auf mehrere Zweige. Trotz einer Höhe von 2,20 Meter — und die übersteige ich bei Weitem nicht — gehen wir gebückt. Denn es ist stockduster. Steinfarz kauert hinter mir. "Können Sie etwas sehen?", fragt sie. Ich knipse die Taschenlampe an und atme gespannt aus - vor mir baumelt eine tote Spinne. Und selbst tote Spinnen lassen mir die Haare zu Berge stehen.
Erst jetzt erkenne ich, dass der Tunnel einen kleinen Knick nach links macht und weiter in die Dunkelheit führt. Im Jahre 1950 wurde der Bunker als Futterrübenkeller verwendet. Doch von einem Lagerraum fehlt jede Spur. Gehockt setzen wir einen Fuß vor den anderen und leuchten behutsam die Wände ab. An den Wänden hängen schwarze, dicke Spinnen. Wir bewegen uns in einen weiteren Raum. Hier können wir stehen. Der Boden ist voller Sand. "Das war damals aber noch nicht", stellt Steinfarz fest, "wahrscheinlich sind hier ab und an Tiere zu Gange." Dabei zeigt sie auf ein Buddelloch unmittelbar an der Bunkerwand im Tunnel.
In diesem Raum haben also zehn Personen gesessen und gewartet. "Marcus" steht in schwarz auf der Wand geschrieben. Hat hier ein Marcus während der Kriegszeiten mit seiner Familie gesessen? Oder woher kommt der Schriftzug? Nur eine alte Eistee-Flasche lässt darauf deuten, dass wir nicht die einzigen sind, die es einmal hier herunter gewagt haben. Zwei Rohre sind im Bunker eingebaut, um das Atmen zu erleichtern. Und ein kleiner Felsspalt lässt darauf schließen, dass das der Ausgang war, um zu fliehen. "Klettert man dadurch, kommt man hinten auf der Wiese aus", erzählt Steinfarz", "das Loch haben wir aber zugemacht wegen der Pferde". Und dann bewegt sich plötzlich etwas an den Wänden. Es ist die Mutter aller Spinnen!
Schnell möchte ich den Bunker wieder verlassen. Nicht nur wegen der überdimensionalen Spinne, sondern auch, weil mich plötzlich ein mulmiges Gefühl überkommt. In einem Bunker zu stehen, darüber zu schreiben und gleichzeitig zu wissen, dass sich ein Stück weit menschliches Leben und Geschichte ebenfalls hier unter der Erde befindet und verbirgt. Wenn ich hier unten so stehe und mich im Kreis drehe, bin ich traurig, dass sich Menschen, wie Sie und ich, auf engstem Raum verstecken mussten.