Schmidt-Härlen und Gassen starten eine Online-Petition / Fragen und Ängste Petition gegen das Rechenzentrum: Planung unter einer „Dunstschicht“

Wevelinghoven · Für Beate Schmidt-Härlen, inzwischen parteilose Stadträtin, steht fest: Energiewende und gleichzeitige Digitalisierung allerorten – das wird nicht funktionieren. Und ihre Mitstreiterin Dorothee Gassen wettert: „Wir sollen kalt duschen und einen Pullover mehr tragen. Und dann kommt so ein Unternehmen, das ein Vielfaches an Strom verbraucht.“ Die beiden haben eine Petition gegen das Hyperscale-Rechenzentrum vor den Toren von Wevelinghoven gestartet.

Hyperscale-Rechenzentrum am „Gasthausbusch“: Zur Petition von Beate Schmidt-Härlen geht es über www.openpetition.de/!hyperscaler.

Foto: KV./Repro: -gpm.

Mitte Dezember hat der Regionalrat (gegen die Stimmen der „Grünen“) den Weg frei gemacht für das riesige Rechenzentrum („Hyper Scale“; wir berichteten mehrfach). Neben den allgemeinen Vorbehalten (Schmidt-Härlen: „Das wird ein weiterer Standort der Durchleuchtungsindustrie.“ Gassen: „Die Menschen haben ein Recht auf ein analoges Leben.“) nennen die beiden drei entscheidende Hauptgründe für die Petition und gegen das Rechenzentrum.

„Zum einen fallen 23 Hektar Ackerfläche, 32 Fußballfelder, weg“, so Schmidt-Härlen, die betont: „Das ist im Bundesvergleich extrem ertragreiche Ackerfläche.“

Angesichts der großen Fläche sei die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze dagegen verschwindend gering: „... nur 50, 60 Arbeitsplätze, überwiegend beim Wachpersonal“, schüttelt die Stadträtin den Kopf. Und Gassen ergänzt sarkastisch: „Und das sollen dann die Arbeitsplätze für die sein, die ihren durch den Strukturwandel beim RWE verlieren.“

Drittes Hauptargument ist der Stromverbrauch: Das Rechenzentrum würde allein 4,6 Mal so viel Strom verbrauchen wie bis dato die gesamte Stadt Grevenbroich.

Beate Schmidt-Härlen.

Foto: Beate Schmidt-Härlen

Widersinnig in den Augen von Beate Schmidt-Härlen: „Die kleinen Leute finanzieren derzeit alle die Energiewende und dann siedelt sich so ein Unternehmen an, weil hier die Kohlekraftwerke stehen, die aber bald weg sein sollen.“

Dorotheé Gassen betont: „Vom Land, der Bezirksregierung, den Verantwortlichen im ,Rheinischen Revier‘, der Stadtverwaltung, dem Stadtrat und vor allem auch dem Bürgermeister werden die Interessen des Investors gehört und bedient, während die Bürger nur spärlich über das Vorhaben informiert werden und nicht um ihre Meinung gefragt werden.“

Zwei Gründe werden für diese Geheimhaltung angeführt: der ausdrückliche Wunsch des hinter dem Projekt stehenden „Global Player“ (Gassen geheimnisvoll: „Aus Frankfurt haben wir den Namen ,Microsoft‘ genannt bekommen.“) und das Telekommunikationsgesetz, das das Projekt „unter eine Dunstschicht“ legt, wie es Schmidt-Härlen formuliert.

Immerhin gehe es um nationale Sicherheitsinteressen, „denn niemand soll ja wissen, wo welche Leitung genau liegt“, so die Ratsfrau weiter. Und so viel steht fest: Der geplante „Hyper Scaler“ soll den „Datentransport quer durch Europa“ sicherstellen. Und im Bereich der sogenannten „Blauen Banane“ (eine Kette von Ballungsräumen von der Irischen See bis zum Mittelmeer) sollen 60 Millionen User von den dann stabileren Verbindungen profitieren.

Für alle Gamer, Streamer und Digitalisierungsnutzer sicherlich eine tolle Vorstellung. Bei den beiden Frauen schwingen hier aber auch Bedenken mit: Nicht alle hätten die „Teilnahmemöglichkeit am Handy“; auch das rein „analoge Leben“ müsse noch möglich bleiben. Schon Corona habe gezeigt, dass der „sozial-emotionale Zusammenhalt“ in der rein digitalisierten Welt verloren gehe. Und am Ende bleibe die Frage: Wer hat die Herrschaft über meine Daten?

(Gerhard P. Müller)