Schwester Carina erzählt, wie es wirklich ist: Trotz eigener Ängste Leben retten
„Ich bin Krankenschwester geworden, um Leben zu retten. Aber wenn ich abends im Fernsehen sehe, wie die Covid-19-Zahlen steigen, geht es mir schlecht. Weil ich weiß, dass ich vielleicht mit Schuld bin. Nicht weil ich das möchte, sondern weil wir zu wenig Material haben, um uns und damit auch die Patienten genug zu schützen.“ Diese ehrlichen Worte stammen von einer Krankenschwester, die in einem Krankenhaus im Rhein-Kreis arbeitet. Im Interview mit dem Erft-Kurier berichtet sie , wie die Arbeit im Krankenhaus aktuell ist.
Grevenbroich. Wenn Carina Pfeifer (Name geändert, die Frau ist der Redaktion aber persönlich bekannt) morgens ins Krankenhaus kommt, darf sie sich einen Mundschutz und ein paar Schutzhandschuhe nehmen.
„Das muss für den Tag reichen. Mehr ist nicht da“, erzählt die Mutter. Ihr ist es wichtig, dass sie mit ihren Schilderungen der Klinikleitung keinen Vorwurf macht: „Die tun wirklich, was sie können. Aber es ist einfach kein Material zu bekommen. Da dauert es schon mal bis zu zehn Tage, bis wir die Hersteller erreichen. Oder wir rechnen mit einer Lieferung und erfahren dann, dass das Material an eine größere Klinik gegangen ist.“
Landrat Hans-Jürgen Petrauschke ist die Problematik bekannt: „Das medizinische und Pflegepersonal in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen leistet eine wertvolle Arbeit für die Menschen – nicht nur, aber insbesondere in dieser Zeit. Hierfür haben sie unseren Dank verdient. Das Personal ist leider begrenzt und kann daher nicht beliebig aufgestockt werden. Für die Tätigkeit ist ausreichende Schutzkleidung natürlich besonders wichtig. In den vergangenen Wochen ist die Nachfrage hiernach aufgrund des Corona-Virus um ein vielfaches gestiegen. Leider ist die Schutzkleidung in diesen Mengen momentan nicht verfügbar.“
Der Rhein-Kreis habe frühzeitig eine Notreserve beschafft, mit der wir die dringendsten Lücken schließen. „Zudem hat die Bundesregierung größere Mengen beschafft, die nun auf die medizinischen Einrichtungen verteilt werden soll. Und auch die Wirtschaft hat ihre Produktion hochgefahren. Ich hoffe, dass es so gelingt, alle mit dem Notwendigen auszustatten.“
Aber ist es überhaupt möglich, mit nur einer Schutzausrüstung den ganzen Tag auszukommen? Pfeifer muss nicht lange überlegen: „Eigentlich nicht. Stellen Sie sich mal vor, mich hustet jemand an? Ich kann nichts wechseln. Säubere ich Geräte, fasse ich alle mit den gleichen Handschuhen an. Und am Schlimmsten: Behandle ich einen Patienten, gehe ich mit den gleichen Handschuhen an den nächsten Patienten. Wir möchten das alle nicht… Aber uns bleibt doch nichts anderes übrig.“
Dass dann auch noch Material wie Desinfektionsmittel geklaut wird, macht es nicht einfacher: „Ich habe kürzlich einen Mann erwischt, der benutzte Mundschutzmasken im Müll gesucht hat. Das zeigt einfach, wie verzweifelt die Menschen inzwischen sind.“
Neben diesen Umständen entsteht eine seltsame Stimmung im Krankenhaus: „Alle werden auch in andere Abteilungen versetzt. Wir räumen Stationen frei, um dort zu isolieren. Schaffen Intensivbetten. Gerade ist noch die Ruhe vor dem Sturm. Diese Ungewissheit, was passiert, zermürbt uns aber.“
Unverständnis bleibt auch bei den Entscheidungen der Regierung: „Kann mir mal jemand erklären, weshalb das medizinische Personal weiter arbeiten muss, wenn es mit einem Corona-Patienten Kontakt hatte und keine Symptome hat? Und dass die Quarantäne für uns nur sieben statt 14 Tage dauert? Ich verstehe es nicht.“
Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist für Pfeifer und ihre Kollegen, dass es für sie keine Gefahrenzulage gibt: „Es ist ja nett, dass für uns geklatscht wird. Aber andere Dinge würden uns mehr helfen. Mehr Geld zum Beispiel, um aufzufangen, dass in vielen Familien der Partner nicht mehr voll arbeiten gehen kann. Oder keine Hamsterkäufe mehr. Ich kann nicht morgens um 7 im Supermarkt sein. Wenn ich nach meiner Schicht versuche, noch gewisse Dinge zu kaufen, muss ich meist in mehrere Geschäfte. Dabei setze ich mich ja auch wieder einem Risiko aus. Und das setzt mir eh zu. Ich habe einen chronisch kranken Sohn zuhause.“
Trotz der Umstände, ist sich Pfeifer immer noch sicher, dass sie ihren Traumjob gewählt hat: „Wir geben unser Bestes. Wir sind da für unsere Patienten und machen das Beste aus der Situation. Auch wenn wir viel improvisieren müssen: Wir retten Leben und wir werden die Situation gemeinsam schaffen!“
-jule.