Analyse und Meinungen Können Sie mit dem Kompromiss in Sachen „St. Elisabeth“ leben?

Grevenbroich · Unter der Überschrift „Zwanzig Millionen nachgeschossen“ berichtete der Erft-Kurier über die drohende Insolvenz der Rheinland-Klinikums, die wohl das Ende der Häuser in Neuss, Grevenbroich und Hackenbroich bedeutet hätte.

Foto: RKN/Michael Reuter

Die Stadt Neuss und der Rhein-Kreis sichern darüber hinaus die Zukunft des Rheinland-Klinikums finanziell und mit einer Umstrukturierung. Diese bedeutet für Grevenbroich unter anderem den Wegfall der Notaufnahme. Wütende Bürger-Proteste im Internet und auf der Straße waren die Folge.

Der Erft-Kurier wollte von den führenden Kommunalpolitikern wissen, wie sie diesen „Kompromiss“ sehen. „Können Sie mit dem aktuellen Kompromiss in Sachen Zukunft des ,St.Elisabeth’-Krankenhaus leben?“ und „100, 200 Demonstranten gegen diese Pläne. Auf der anderen Seite zahllose Menschen/Patienten, die Kritik an der Arbeit der Notaufnahme deutlich machen. Ihre Meinung?“ wollten wir von Troles, Rinkert,Schumacher & Co wissen.

Die vollständigen Antworten finden Sie hier. Das Fazit: So richtig glücklich ist niemand mit dieser Lösung. Aber die Alternativen seien eben noch einschneidender, meinen die Politiker aus dem Rat.

Hier die wortgetreuen Antworten der Politiker:

Peter Gehrmann („Die Grünen“):

zu 1. Grevenbroich hatte keine Wahlmöglichkeit. Wir müssen als Stadtrat die Beschlüsse der Gesellschafter, also des Rhein-Kreises und der Stadt Neuss, akzeptieren und damit leben. Bedingt durch die Uneinigkeit der beiden Gesellschafter über die zukünftige Ausrichtung des „Rheinlandklinikums“ nach der Fusion 2019 konnten die möglichen Vorteile und Synergieeffekte nicht realisiert werden. Die jetzigen Beschlüsse sind der daraus resultierenden wirtschaftlichen Lage geschuldet. In letzter Minute wurde wohl eine Insolvenz verhindert. Jetzt liegt es in der Verantwortung von Petrauschke und Breuer, sich zusammenzuraufen und eine gute Gesundheitsversorgung in Grevenbroich sicherzustellen.

zu 2. Schon seit längerer Zeit können zum Beispiel Herzinfarkte und Schlaganfälle im Grevenbroicher Krankenhaus nicht mehr versorgt werden. Entsprechende Notfälle werden schon heute direkt in die dafür ausgelegten Kliniken im Umland eingeliefert. Da auch zukünftig die Chirurgie stark eingeschränkt wird, gibt es für das „St. Elisabeth“-Krankenhaus keine Möglichkeiten mehr, eine Notaufnahme aufrecht zu erhalten. Wir als „Grüne“ werden darauf drängen, die Rettungspläne entsprechend anzupassen. Insbesondere die Ausstattung der Rettungswache mit ausreichend Fahrzeugen und Sanitätern muss sichergestellt werden. Die Notfallversorgung in Grevenbroich darf nicht unter den Beschlüssen zum „Rheinlandklinikum“ leiden.

Rolf Göckmann (UWG):

zu 1. Ich denke, dass es nicht um die Frage geht, ob wir mit dem Kompromiss leben können. Wir werden damit leben müssen. Die Option der kompletten Schließung des Krankenhauses war nicht nur fiktiv, sondern lag tatsächlich als Diskussionspunkt mit in der Waagschale. Es ist bedauerlich, dass das Kreiskrankenhaus Grevenbroich letztendlich so ausgeblutet wird. Die Fehler der Vergangenheit, die nicht in unserer Hand lagen, holen uns nun ein. Im Übrigen bleibt abzuwarten, ob die aufgestellten Prognosen und Voraussetzungen hierfür tatsächlich erfüllt werden. Die Lösung, die wir jetzt haben, scheint mir noch nicht in Stein gemeißelt zu sein.

zu 2. Die Anzahl der Demonstrierenden spiegelt nicht die Menge der Leute wieder, die getroffene Entscheidung nicht mittragen. Die Uhrzeit und der Wochentag, zu der die Demonstration angesetzt war, war sicherlich unglücklich, da allein aus beruflichen Gründen viele davon abgehalten wurden, hieran teilzunehmen.

Klaus Krützen (Bürgermeister):

zu 1: Der aktuelle Kompromiss zur Zukunft des Krankenhauses ist aus meiner Sicht nur dann akzeptabel, wenn die Notfallversorgung der Bürger in Grevenbroich weiterhin sichergestellt wird. Die geplante Umstrukturierung bereitet mir große Sorgen. Es ist essenziell, dass Menschen in Not schnell und ortsnah medizinisch versorgt werden. Zudem fordere ich die Gesellschafter des Rheinland-Klinikums zu einer offenen und transparenten Kommunikation auf. Denn die Bürger haben ein berechtigtes Interesse daran, umfassend und klar über die geplanten Änderungen informiert zu werden. Transparenz und eine aktive Öffentlichkeitsarbeit sind jetzt notwendig, um Vertrauen zu schaffen und Unklarheiten auszuräumen. Gleichzeitig ist es wichtig, anzuerkennen, dass bereits die ehemaligen Kreiskliniken vor der Fusion in einer schwierigen finanziellen Lage waren. Somit war abzusehen, dass es im „St. Elisabeth“-Krankenhaus zu Veränderungen kommen muss, um es erhalten zu können.

Des Weiteren verweise ich auf die bereits 2021 und 2023 im Rat der Stadt Grevenbroich verabschiedete Resolution „Sicherheit und Perspektive für das Krankenhaus in Grevenbroich“. In dieser Resolution haben wir die Entscheidungsträger aufgefordert, ein transparentes Verfahren bei der strategischen Ausrichtung des Rheinland-Klinikums sicherzustellen und die Bürgerinnen und Bürger aktiv in den Prozess einzubeziehen.

zu 2: Die Demonstrationen zeigen deutlich, dass der Wegfall der Notfallambulanz auf großen Widerstand stößt. Es gibt berechtigte Bedenken seitens der Bevölkerung, dass durch die geplante Schließung die Versorgungslücke zu groß wird. Auf der anderen Seite nehme ich die Kritik an der bisherigen Arbeit der Notaufnahme ernst. Eine gute Notfallversorgung ist für die Menschen in unserer Stadt von großer Bedeutung und dafür setze ich mich weiterhin ein – auch wenn Grevenbroich kein Gesellschafter des Rheinland-Klinikums ist.

Daniel Rinkert (SPD):

zu 1: Grevenbroich bleibt Krankenhausstandort. Das ist wichtig für die Versorgung der Patienten. Denn schließlich hatte der Aufsichtsrat des Rheinland-Klinikums im Sommer gegen die Stimmen von Bürgermeister Krützen und mir für die Schließung unseres Krankenhauses gestimmt. Der nun gefundenen Kompromiss bereitet den Menschen in Grevenbroich und mir persönlich allerdings in einem Punkt große sowie berechtigte Sorgen. Für mich ist bisher nicht ersichtlich, wie zukünftig die Versorgung der Bürger im Notfall sichergestellt werden soll. Meine Forderung an die Gesellschafter (Rhein-Kreis und Stadt Neuss) ist daher ganz eindeutig: Die Notfallversorgung darf sich nicht verschlechtern. Es ist ganz wichtig, dass Menschen in Not schnell und ortsnah medizinisch versorgt werden. Dafür werde ich ich mich als Mitglied des Aufsichtsrats im weiteren Prozess einsetzen.

zu 2: Wichtig war in der jüngsten Zeit, dass sich der Rat der Stadt Grevenbroich auf Initiative von Bürgermeister Krützen in den Jahren 2021 und 2023 eindeutig für den Erhalt des Krankenhauses eingesetzt hat. Ohne diese klare Position und den Widerstand der Bürger gegen die Schließungspläne hätte unser „St. Elisabeth“-Krankenhaus keine Zukunft mehr.

Markus Schumacher (FDP):

zu 1: Die Haltung der FDP Grevenbroich war immer klar und eindeutig: Pro „St. Elisabeth“-Krankenhaus Grevenbroich. Das haben wir gegenüber dem Landrat und dem Bürgermeister immer kommuniziert. Als Ratsherr hat man jedoch keinen direkten Einfluss auf die Entscheidungen zwischen dem Rhein-Kreis und der Stadt Neuss. So bitter wie wahr. Deshalb muss ich schlicht damit leben. Ich befürchte, dass die Notversorgung in Grevenbroich schlechter werden wird. Dadurch dass nicht transparent und offen von Seiten der handelnden Akteure gegenüber der Bevölkerung kommuniziert wurde, wurde Vertrauen verspielt. Das ist leider spürbar und nachvollziehbar.

zu 2. In einer freien Gesellschaft ist das Demonstrationsrecht ein hohes Gut. Ob Ort und Zeit immer angemessen sind, muss jeder selbst entscheiden. Der Rathausplatz in Neuss wäre der bessere Ort gewesen. Ich selbst kann aus eigenen Erfahrungen nur sagen, dass den Menschen mit denen ich in der Notaufnahme war, immer zeitnah und gut geholfen wurde. Dafür bin ich allen Beteiligten sehr dankbar.

Martina Suermann-Igné („Mein GV“):

zu 1: Die Frage ist nicht, inwieweit ich mit dem Kompromiss leben kann. Die Frage ist, was passiert wäre, wenn dieser Kompromiss nicht gefunden worden wäre. Der Standort Grevenbroich wäre, ohne Wenn und Aber, geschlossen worden. Selbstverständlich sehe ich den Verlust der Notfallambulanz kritisch und hätte mir gewünscht, dass diese und andere Bereiche der Grundversorgung für unsere Bürger erhalten bleiben, aber die Realität sieht leider anders aus. Der Rat der Stadt Grevenbroich und die örtliche Politik kann vieles fordern und hat das auch getan- am Ende entscheiden jedoch die Gesellschafter Rhein-Kreis und Stadt Neuss.

zu 2: Ich verstehe die Sorge der Teilnehmer am Trauerzug „Notfallambulanz“ sehr gut, decken sich die Bedenken und Fragen derer durchaus auch mit meinen, die ich an die Geschäftsführung und Gesellschafter des Rheinlandklinikums schriftlich gerichtet habe, die aber leider mit der Begründung der Verschwiegenheitsverpfllichtung unbeantwortet geblieben sind. Inwieweit die Kritik „zahlloser“ Menschen, an der Arbeit der Notaufnahme gerechtfertigt ist, kann ich nicht beurteilen. Oftmals sind individuelle Ansprüche und das tatsächlich Leistbare nicht deckungsgleich. Ich persönlich nehme wahr, und die Menschen in meinem persönlichen Umfeld bestätigen in weiten Teilen, dass die Mitarbeitenden in der Notaufnahme und im gesamten „St. Elisabeth“-Krankenhaus, trotz Fachkräftemangel, jeden Tag ihr Bestes geben und sich für ihre Patienten aufreiben. Das sollte und muss man wertschätzend anerkennen.

Heike Troles (CDU):

zu 1: Die im Rahmen der Fusion der Kliniken des Kreises mit dem Neusser Lukasklinikum im „St. Elisabeth“-Krankenhaus durchgeführten Umstrukturierungen schmerzen mich als geborene Grevenbroicherin persönlich sehr. Daraus muss ich keinen Hehl machen. Offenkundig empfinden viele meiner Mitbürger ebenso. Die Schließung der Geburtsstation im Jahr 2021 war der erste Stein, der weitere ins Rollen brachte.
Gleichwohl sollten wir uns nicht in eine argumentative Einbahnstraße begeben. Zugunsten des Erhalts des Klinikums als essentiellen Teil der zukunftsfesten Klinikstruktur müssen Schließungen von Abteilungen hingenommen werden. Klar ist für mich, dass die Fusion der richtige, weil nötige Schritt gewesen ist. Auch und gerade mit Blick auf die Krankenhausreform des Landes und Bundes, die auf starke Verbünde oder Zentralisierung setzt. Und das Rheinland-Klinikum ist ein handlungsfähiges Klinikum mit drei Standorten. Wenn der notwendige Umbau der Klinikstrukturen nicht gekommen wäre und man kein Einvernehmen zwischen dem Rhein-Kreis und der Stadt Neuss hergestellt hätte, wäre das Klinikum in Gänze insolvent gegangen und das hätte alle Standorte in ihrer Existenz gefährdet. Also, auch wenn die Entscheidungen schmerzen, kann ich angesichts der aufgebauten Perspektive für das „St. Elisabeth“-Krankenhaus als geriatrisches Zentrum mit dem aktuellen Kompromiss leben, sofern dieser vollumfänglich und zeitnah umgesetzt wird.

zu 2: Zunächst möchte ich betonen, dass ich es richtig finde, wenn die Bürger ihren Unmut über die Schließung der Notaufnahme in Form eines Demonstrationszuges zeigen. Das ist ihr gutes Recht. Über die Art und Weise lässt sich indes streiten.

In der Frage der Notwendigkeit der Notaufnahme in Grevenbroich halte ich mit Blick auf die bislang dort tätigen Mitarbeiter Kritik an der Arbeit für unangebracht. Das Personal handelt sicher stets im Sinne der Patienten und nach bestem Wissen und Gewissen. Gleichwohl erkenne ich, dass die geführte Diskussion droht von Bedenken und Ängsten überlagert zu werden. Natürlich dürfen und sollen diese geäußert werden. Schauen wir aber auf die Faktenlage, so ergibt sich doch ein differenziertes Bild.

Zunächst einmal: Auch nach der Schließung der Notaufnahme ist zwischen 8 und 22 Uhr eine medizinische Erstversorgung hier in Grevenbroich sichergestellt. Zudem werden bereits seit geraumer Zeit schon Notfälle wie Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten oder auch komplizierte Brüche nicht mehr vor Ort behandelt, sondern nach Neuss transportiert. Und dieses System funktioniert anscheinend. Und das weitestgehend geräuschlos, dank der hervorragenden Arbeit der Kreisleitstelle und der hier ansässigen Rettungsorganisationen und dem Personal in den Neusser Kliniken, die modernste Methoden zur Stabilisierung des Gesundheitszustands der Patienten einsetzen.

Sicherlich ist mit der Schließung der Notaufnahme etwas Endgültiges verbunden, wir sollten jedoch tunlichst vermeiden, durch Bedenken die durchaus beruhigende Faktenlage außer Acht zu lassen und das Zerrbild einer medizinischen Unterversorgung in der Stadt aufzubauen.

(Gerhard P. Müller)