Siebter „Stolperstein“ an der Martinusstraße Warum Ilse Kaufmann (fast) vergessen wurde
Nettesheim · Weil die Nazi-Schergen in ihren Deportationslisten anstatt „Ilse“ „Else“ eintrugen und die junge Frau auch bei der falschen Familie Kaufmann auflisteten, musste der siebte „Stolperstein“ an der Martinusstraße gegenüber der Pfarrkirche jetzt nachträglich angebracht werden.
Die einst von Gunter Demnig initiierten Stolpersteine, die es inzwischen tausendfach quer durch ganz Europa gibt, sollen die Erinnerung an die Menschen wachhalten, die dem Nazi-Terror zum Opfer fielen. In Nettesheim gab es bis zur Pogromnacht am 9. November vor 83 Jahren viele Familien jüdischen Glaubens. „Menschen, die unsere Nachbarn waren“, wie es Bürgermeister Martin Mertens unterstrich, und die in der besagten überfallen, beraubt und gequält wurden.
Die Täter seien „nicht braune Mars-Menschen, sondern leider auch Vorfahren von uns“ gewesen, so der Politiker engagiert weiter. Hätte man in Nettesheim warten wollen, bis Demnig Platz in seinem Terminkalender gehabt hätte, wären noch zwei Jahre ins Land gegangen. Historiker Josef Wißkirchen durfte aber einspringen. Er konnte viel Erhellendes zu der traurigen Familiengeschichte der Kaufmanns beitragen.
Dabei war der Leidensweg der jungen Ilse Kaufmann von der Familie getrennt, bis dann alle gemeinsam in den Tod deportiert wurden. In der Schreckensnacht waren Moritz und Henriette Kaufmann mit ihren fünf Kindern noch in ihrem Haus an der Martinusstraße. Vier junge Männer (ihre Namen sind durchaus noch bekannt) stürmten das Haus, schlugen die Türen ein, zertrümmerten die Fenster und rissen die Treppen heraus. „Das Haus war am Ende total demoliert. Unbewohnbar.“
Die Familie wurde vertrieben, kam nach Köln. Als Ilse 16 Jahre alt wurde, musste sie ihre Familie verlassen, wurde Hausangestellte in einem Ghetto-Haus in Köln. Später kam Zwangsarbeit in einer Kunstseidenfabrik. 1942 wurde sie dann nach Minsk verfrachtet. „Bei der Zusammenstellung des Deportationszuges in Deutz begegnete sie ihren Eltern und Geschwistern wieder“, so der Historiker.
Insgesamt waren 1.164 jüdische Personen in diesem Zug. Sie alle wurden in einen Wald nahe Minsk am Rande einer Grube per Genickschuss hingerichtet. „Wir geben ihr heute den Platz in der Familie wieder. Die Erinnerung wachzuhalten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, ist unsere Aufgabe“, schloss er seine Ausführungen. Für Ilses Oma Sarah Baruch-Kaufmann und ihre Tante Emma Kaufmann gibt es übrigens „Stolpersteine“ an der Friedensstraße in Gindorf, wusste Heimatkenner Ulrich Herlitz beizutragen.
Und Josef Wißkirchen machte die Vertreter der Interessengemeinschaft „NE-BU 962“, die diese gesamte Aktionen vorangetrieben und organisiert hat, darauf aufmerksam, dass in Nettesheim noch ein „Stolperstein“ fehlt: der für Amalia Strauss, die nur ein paar Häuser weiter lebte. Einen solchen Stein für ihren Ehemann gibt es da schon. Auch hier ist derzeit nicht klar, warum die Ehefrau, die auch Opfer der Nazi-Schergen wurde, vergessen wurde. „NE-BU 962“ will sich nun kümmern...