Naturschutz und Klimaschutz miteinander vereinbaren Vor lauter Klima nicht die Natur vergessen!
Garzweiler · „Derzeit rasen zwei Züge mit enormer Geschwindigkeit aufeinander zu, der Klimaschutz und der Naturschutz. ...und es besteht die Gefahr, dass der Naturschutz auf der Strecke bleibt.“ Diese mahnenden Worte spricht Gregor Eßer, Leiter der Rekultivierung beim RWE.
Ein Punkt seien die Windräder, die für die „Klimawende“ vervielfacht werden sollen, die aber auch einen erheblichen Eingriff in die Natur darstellen, „weil Rotmilane und Fledermäuse von ihnen geschreddert werden“, so Gregor Eßer beim Ortstermin mit dem Top-Kurier.
Gemeinsam mit der RWE-Tochter für erneuerbare Energien hat die Rekultivierungsstelle deshalb vor Kurzem ein Monitoring gestartet, bei dem es um die Ansiedlung von Leben unter den Windkraftanlagen geht. „... also Artengruppen, die nicht oben geschreddert werden können“, macht Gregor Eßer knallhart deutlich. Wildbienen, Amphibien, Reptilien und „sonstige Insekten“ sollen mit Hilfe von kleinräumigen Maßnahmen (als „Trittsteine“ bis hin zu einem Mikrokosmos) angelockt werden. „Wir versuchen, in kleinen Schritten Großes zu leisten“, strahlt der Fachmann selbstbewusst. Dieses Prinzip wenden RWE und „Forschungsstelle Rekultivierung“ ganz aktuell auch im Tagebau Garzweiler an, wo im Umfeld der Tagesanlagen (am Ende des Reisdorfer Weges) „naturnahes Betriebsgelände“ angelegt wurde.
Gregor Eßer, Leiter der Forschungsstelle, machte jetzt bei einem Ortstermin deutlich, dass es unter diesem Begriff ein deutschlandweites Projekt der Bundesregierung gebe. Dahinter stehe die Idee, dass Artenschutz nicht nur in Nationalparks erfolgen könne, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. „Artenschutz fängt im Garten zu Hause an, geht über die Friedhöfe und über die städtischen Grünanlagen bis hin zu den zahllosen Betriebsgeländen“, machte Eßer entschlossen deutlich.
Die Anregung, die beiden Wiesen rund um die Tagesanlagen, die im Übrigen auch von vielen Besuchergruppen passiert werden, nicht mehr zu mähen, sondern „der Natur zur Verfügung zu stellen“, kam von RWE-Kollege Friedhelm Maaß, der zusammen mit Michael Stoffels von der Forschungsstelle dann auch an der Umsetzung beteiligt war.
„In Westeuropa sind nicht die Waldarten in Gefahr, sondern die Offenlandarten der Bördelandschaft“, erläuterte Eßer weiter, der sich sichtlich freute, während des Termins auf besondere Arten wie die Klappergrasmücke oder den Hausrotschwanz hinweisen zu können, die der Gruppe zwischendurch ihre Aufwartung machten. Die besagten Offenlandarten brauchen Stein- und Sandhaufen, freie Bodenflächen und damit „Grabmöglichkeiten“.
Das gilt zum Beispiel für die meisten Wildbienen, die nun einmal solitär und nicht in Völkern leben. Sie graben sich Bruthöhlen für den Nachwuchs, was in der üblichen, durchgängigen Rasenfläche eben nicht möglich ist.
„Der Pflegeaufwand auf diesen Flächen bekommt deshalb eine andere Qualität“, machte Eßer klar. Stichwort ist hier der „Mahdaustrag“, das heißt, das abgemähte Grün wird entfernt, damit die freien Bodenflächen sich in der Sonne aufheizen und so Kriecher und Flieger anlocken können.
Apropos: Der von der Forschungsstelle betriebene Ansatz ist durchaus erfolgreich. Werden in einem Gebiet wie Garzweiler normalerweise rund 15 Wildbienen-Arten erwartet, konnten die Kultivierer inzwischen 91 Arten nachweisen.
Dabei ist das Angebot, das Eßer und sein Team der Natur machen, vielfältig: Nisthilfen wie Dohlen-Kästen oder ein Schwalbenhaus, Trockenmauern als Öko-Stützpunkte, eine Brutwand für den Eisvogel oder auch die Sicherung von Glasscheiben mit Folie gegen den Vogelschlag sind nur einige Beispiele für die Maßnahmen auf dem Betriebsgelände. Neben der Öko-Wiese steht jetzt übrigens auch ein „Insektenhotel“, das allerdings über die handelsüblichen weit hinausgeht: Grabbares Material, Stroh und Bambus richten sich an die Vielzahl der Insekten, die nicht im Holz nisten.
In diesem Zusammenhang wirbt Henning Walther, stellvertretender Leiter der Forschungsstelle, dafür, im heimischen Garten kein „Insektenhotel“, sondern ein „Sandarium“ aufzustellen, das eben Nicht-Xylobionten eine Heimstatt bieten könnten. „Ein kleiner Sandhaufen reicht da oft schon“, lächelt er. -gpm.