Tierschutzverein und Streunerhilfe hoffen auf Hilfe der Stadt Im Einsatz für die „Schattenkatzen“
Jüchen · „Wir sehen sehr viel Elend“, berichtet Marianne Seligmann von der Streunerhilfe für den Rhein-Kreis Neuss. Das zehn Mann starke Team kümmert sich in Jüchen, Rommerskirchen und Grevenbroich ehrenamtlich um Straßenkatzen. Ein menschengemachtes Problem, vor dem viele die Augen verschließen.
Von zwei Streunerkolonien wisse man in Jüchen, so Marianne Seligmann. Mehr als 30 verwahrloste Hauskatzen würden in der Nähe der Silostraße leben. Und das sei der springende Punkt: Bei den Streunern handelt es sich um Hauskatzen, nicht um Wildkatzen, wie manch einer vermutet. „Echte Wildkatzen gibt es nur noch sehr wenige, da muss man zum Beispiel in den Thüringer Wald“, erklärt Benjamin Pasternak, Vorsitzender des Tierschutzvereins für den Rhein-Kreis Neuss, der Träger des Tierheims Oekoven ist. Tatsächlich würden alle Straßenkatzen von unkastrierten Hauskatzen abstammen – ein menschgemachtes Problem eben.
Die Stadt Jüchen hat eine Kastrationsverordnung, die zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist. Diese verpflichtet Katzenhalter, die ihren Tieren Freigang gewähren, sie kastrieren und kennzeichnen zu lassen. Wer gegen diese Verordnung verstoße, könne mit einer Geldbuße von bis zu 150 Euro geahndet werden. Ein Witz, wie Pasternak findet: „Das Bußgeld ist viel zu niedrig. Eine Strafe muss höher sein, als die Kosten zur Vermeidung einer Ordnungswidrigkeit. 150 Euro ergeben keinen Sinn, weil die Kastration einer weiblichen Katze mit Nachversorgung locker 250 Euro kostet.“ In Düsseldorf habe man es verstanden, dort würden bis zu 1.000 Euro Geldbuße erhoben.
Was die Tierschützer außerdem ärgert, sei, dass der Verordnung nicht nachgegangen werde. Immer wieder würde man Fälle von unkastrierten Katzen melden, doch passieren würde nichts. Dazu äußert sich die Stadt Jüchen wie folgt: „Kontrollen werden bei Bedarf durchgeführt, also bei Beschwerden oder Bedarfsmeldungen. Die Meldungen sind sehr selten.“
So lange sich nicht alle Katzenhalter an die Kastrationsverordnung halten, ist die Population der Straßenkatzen nur schwer einzudämmen – ebenso die Ausbreitung von schweren Erkrankungen. „In Jüchen hatten wir schon einige Kater, die FIV positiv – im Volksmund Katzen-Aids genannt – waren. Das ist hoch ansteckend und führt fast immer elendig zum Tod“, erklärt der Vorsitzende des Tierschutzvereins. Kommt eine FIV positive Straßenkatze ins Tierheim, darf sie nicht wieder freigelassen werden. Das sei im Tierschutzgesetz festgehalten, so Pasternak weiter: „Wenn wir die Katzen einmal im Tierheim haben, besetzen sie einen Platz auf Lebenszeit. Zu diesem Tier können dann auch nur FIV positive Tiere gesetzt werden.“ Eine schwierige Situation für die ohnehin schon stark ausgelasteten Tierheime. „Und das alles nur, weil Menschen Freigänger einfach unkastriert durch die Gegend ziehen lassen“, bringt es Marianne Seligmann auf den Punkt.
Um den Straßenkatzen zu helfen und das Leid zu mindern, sind die Ehrenamtler der Streunerhilfe unermüdlich im Kreisgebiet im Einsatz. Zum einen versorgen sie die Tiere mit Futter, denn im Gegensatz zu Wildkatzen seien die verwahrlosten Hauskatzen alleine nicht überlebensfähig. „Wir verfüttern mittlerweile 90 Dosen Nassfutter die Woche und über 20 Kilogramm Trockenfutter“, erzählt Seligmann. Wenn verletzte oder kranke Katzen an den Futterstellen auffallen, werden diese gesichert und tierärztlich versorgt.
Die wohl wichtigste Aufgabe ist aber die Sicherung der Straßenkatzen, um diese kastrieren zu lassen und so die Population einzudämmen. „Wir leisten die Grundversorgung: Die Tiere werden gechipt, auf unseren Verein registriert und kastriert“, erklärt Pasternak. Viele gingen anschließend wieder an die Fundstellen zurück, manche Tiere, insbesondere Kitten, würden aber auch vermittelt werden.
Seit langem gebe es schon eine Warteliste für die Kastration der „Schattenkatzen“, wie Marianne Seligmann die Streuner nennt, da man sie kaum zu Gesicht bekomme. Denn zum einen müsse es für die Tiere für den Zeitraum einen Platz im Tierheim geben, zum anderen müssten auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. „Die Kommunen zahlen für den Personalaufwand für den Betrieb des Tierheims. Keine der Städte und Gemeinden zahlt für die Behandlung von Wildtieren und verwilderten Hauskatzen, die trägt der Tierschutzverein aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Das ist mir ein großer Dorn im Auge, weil es zig Tausend Euro sind“, so Pasternak.
Zur finanziellen Unterstützung des Tierheims heißt es von der Stadt Jüchen: „Die Stadt trägt als Teil der Kreisgemeinschaft zur Finanzierung des Tierheimes bei, dessen Kosten auf alle angeschlossenen Kommunen nach bestimmten Verteilungsschlüsseln umgelegt werden.“ Ob vielleicht eine weitergehende Unterstützung für die Streunerhilfe geplant ist, wurde nicht beantwortet. Marianne Seligmann und Benjamin Pasternak hoffen weiterhin auf ein Gespräch mit dem Bürgermeister, um gemeinsam an dem Problem der Streunerkolonien zu arbeiten.
Abschließend appellieren Pasternak und Seligmann an die Jüchener: Niemand sollte selbst auf Katzenfang gehen! Zum einen sei das Aufstellen von Lebendfallen nicht ohne weiteres erlaubt. Zum anderen würden durch solche Aktionen in den seltensten Fällen Streuner im Tierheim landen, wie der Vorsitzende des Tierschutzvereins erzählt: „Die Leute bringen uns eine Hauskatze nach der anderen, es war auch schon eine völlig gepflegte Perserkatze dabei.“
Wer sich für die „Schattenkatzen“ einsetzen möchte, sei herzlich willkommen, das Team der Streunerhilfe für den Rhein-Kreis Neuss zu unterstützen und sich ehrenamtlich einzubringen. Unter dem Motto „Schattenkatzen, mach SIE sichtbar“ lädt das Team am heutigen Samstag von 11 bis 16 Uhr Interessierte zu einem Austausch in das Tierheim Oekoven, Neurather 1-3, Rommerskirchen, ein.