Nichts ist mehr wie vorher Wenn Long Covid das Leben auf den Kopf stellt
Jüchen · Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Bettina Görtz sich mit Corona infizierte. Seitdem ist nichts mehr, wie es vorher war. Denn die Jüchenerin leidet unter Long Covid (auch Post Covid genannt). Ein langer Weg liegt schon hinter der 60-Jährigen, doch sie lässt sich nicht unterkriegen und kämpft. Nicht nur für sich, sondern auch für andere. Denn Bettina Görtz hat mehrere Selbsthilfegruppen ins Leben gerufen.
„Die Anzahl der Betroffenen ist hoch. Und wir kämpfen immer wieder mit den Vorurteilen, dass es doch gar nicht so schlimm sei. Dass doch fast jeder mittlerweile Corona hatte. Dass wir einfach mal ausschlafen sollen und es dann besser wird“, weiß die Gründerin der Selbsthilfegruppen zu berichten. Dabei werden diese Vorurteile bei weitem nicht dem gerecht, was Betroffene mitmachen müssen.
So leidet Bettina Görtz selbst unter Fatigue, eine Müdigkeit, die sie einfach überrollt, ohne etwas dagegen tun zu können. „Ich kann dann nicht dagegen ankämpfen. Es kann passieren, dass ich mitten im Gespräch merke, dass ich in den nächsten Minuten schlafen muss. Oder dass ich aufstehe, schaffe zu frühstücken und danach direkt wieder ins Bett gehe. Selbst wenn ich den ganzen Tag schlafe, bin ich danach nicht annähernd ausgeruht.“ Dazu Kurzatmigkeit, die dafür sorgt, dass die Wohnung in der ersten Etage nicht immer mühelos erreicht werden kann. Es gibt Tage, da muss die Jüchenerin auf der sechsten Stufe eine Pause machen, um Luft zu holen.
Das sind Hürden, die einem Menschen mit Long Covid den Alltag erschweren. Im Falle von Bettina Görtz kommt dazu, dass sie nur 70 Prozent ihres Geschmacks- und Geruchssinn zurückbekommen hat. Konzentration? Fehlanzeige. „Manchmal bin ich auf einem Weg, den ich schon Hunderte Male zurückgelegt habe, und weiß nicht, ob ich rechts oder links abbiegen muss. Ich notiere mir alles, weil ich einfach alles vergesse.“
Arbeiten kann Görtz aktuell nicht. Alles ist anders als vor der Erkrankung. Doch Bettina Görtz lässt sich nicht unterkriegen. Besonders ihr Mann ist eine große Stütze. Die Kraft, die sie hat, bringt sie auf, um ihre Long Covid-Selbsthilfegruppen zu leiten. „Das ist für mich schon eine Möglichkeit, mit meinem Schicksal umzugehen“, weiß die 60-Jährige. Vier Gruppen betreut sie mittlerweile, dazu kommen noch Einzelgespräche. Eine Kooperation gibt es zum Beispiel mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, der unter anderem Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. „Es hilft den Betroffenen, mit anderen über das Leben mit Long Covid zu sprechen, uns gegenseitig Tipps zu geben, das Gefühl zu haben, nicht alleine zu sein“, so Görtz.
Am Donnerstag, 8. September, kommen um 18 Uhr in ungezwungener Atmosphäre Betroffene, Ärzte, Angehörige und Interessierte zu einem Austausch beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, Friedhofstraße 39, in Rheydt zusammen. Damit sorgt die Jüchenerin für einen notwendigen Dialog: „Long Covid muss ernst genommen werden!“
Julia Schäfer