Das Leben in den Dienst Gottes und der Menschen gestellt

Oslo · Der Wecker klingelt carpe bereits um 5.30 Uhr, danach erfolgt zunächst ein stilles Gebet. Dann das Matutin (nächtliches Stundengebet), das Laudes (Morgengebet) und erst dann ist es Zeit für ein Frühstück.

Dann geht es weiter mit dem Arbeid, dem Rosenkranzgebet, dem Mittagsgebet und anschließend erfolgt das Mittagessen und nachfolgend wird gemeinsam
gespült. Schließlich steht eine halbe Stunde Erholung zur Verfügung, ehe es mit der
stillen Stunde, der geistlichen Lesung, dem Studium beziehungsweise Gebet, einer Messe, der Vesper (Abendgebet) und abschließend dem Komplet (Schlussgebet) weitergeht. Das
Schlussgebet um 20.15 Uhr ist das letzte Gebet des Tages.

So sieht der Tagesablauf von Hildegard Koch aus — einer Nonne in Norwegen. Redakteurin Alina Gries sprach mit der 70-Jährigen über die Beziehung zu Gott, dem Leben in Norwegen
und der Sehnsucht nach Gemeinschaft.

Warum haben Sie sich für eine solche Lebensweise entschieden?

Mit sechs Jahren habe ich zum ersten Mal über meine Berufung gesprochen. Es war am ersten Schultag, als eine Nachbarin mich fragte, was ich später einmal werden möchte. Ich antwortete ihr damals, dass ich nach Afrika gehen wolle, um mich um die armen Kinder zu kümmern. Nach Afrika bin ich zwar nie gekommen, aber irgendwie habe ich meinen Kindertraum doch verwirklicht. Meine Eltern, die von meinen Klostergedanken nicht
besonders erfreut waren, schickten mich in eine dreijährige Lehre bei "Schwarz und Klein" in Jüchen, wo ich eine Ausbildung als Industriekauffrau machte. Nach erfolgreich abgeschlossener Lehre arbeitete ich etwa vier Jahre bei "Hamacher und Zimmermann" in Jüchen als Buchhalterin. […]. Weil ich sehr lebensfroh und temperamentvoll war und auch
viele Verehrer hatte, dachten meine Eltern damals, ich hätte meine Klostergedanken aufgegeben, welche jedoch in der Stille in mir immer stärker wurden. Ich war entschlossen, mein Leben in den Dienst Gottes und der Menschen zu stellen.

Wann sind Sie dann ins Kloster eingetreten?

Mit 21 Jahren wurde man damals volljährig und ich trat dann bei den Dominikanerinnen
von Bethanien in Waldniel ein, wo ich während meines Noviziates auch mein Fachabitur machen konnte sowie meine erste theologische Ausbildung. In Köln studierte ich dann drei
Jahre an der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik und übernahm die Leitung
einer Kinderdorffamilie im damals neu errichteten Kinder- und Jugenddorf in Bergisch Gladbach-Refrath. In diesen Jahren kamen meine Mitschwestern und ich in Kontakt mit den Menschen in unserer Gesellschaft, die leider so oft übersehen werden; nämlich den Armen unserer Zeit. […]

Wann und warum sind Sie ins Kloster nach Norwegen gegangen?

Im August 1989 wurde ich abrupt aus meiner Kinderdorffamilie herausgerissen, weil ich durch einen Wespenstich einen anaphylaktischen Schock erlitt, der fast tödlich verlief und meine Gesundheit sehr beeinträchtige. Nach langen Krankenhausaufenthalten und Rehabilitation
bekam ich ein Sabbatjahr bei unseren kontemplativen Dominikanerinnen in Chalais/Frankreich bewilligt, wo ich in Stille und Gebet meine angeschlagene Gesundheit
wieder stabilisieren durfte. Da eine Rückkehr in die Kinderdorfarbeit seitens der Ärzte ausgeschlossen worden war, bat mich der Verantwortliche des Ordens im Auftrag des Ordensgenerals, unsere kontemplativen Mitschwestern in Norwegen zu besuchen, die eine kleine internationale Gemeinschaft in Oslo haben. Diese Gemeinschaft brauchte Verstärkung
und suchte Schwestern, die in einem nicht-katholischen Land ökumenische Aufgeschlossenheit mitbrächten. Nach einem Aufenthalt von zwei Monaten dort entschied
ich mich, für immer in Oslo zu bleiben, um die zweite Lebenshälfte dem kontemplativen Leben in unserem Orden zu weihen.

Wie beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Gott und zur Kirche?

Meine Beziehung zu Gott ist im Laufe meines Lebens in die Tiefe gewachsen und
ich sehe im Rückblick, dass seine Hand mich immer geführt hat. Meine Beziehung zur Kirche ist auch positiv, obwohl ich mit dem "Bodenpersonal" auch mal Schwierigkeiten haben kann.
Unser neuer Papst gibt mir da Hoffnung. Er orientiert sich deutlich an Jesus selbst, der mit allen Menschen auf Augenhöhe reden konnte. Er verurteilte Niemanden, moralisierte nicht und schloss keinen von seiner Liebe aus. Und diese Haltung sollten alle Christen auszeichnen. […] Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass es in der Öffentlichkeit oft so
rüberkommt, dass aber auch alles in der Kirche von heute falsch sei. Das entspricht
überhaupt nicht meiner Erfahrung und ist auch sachlich nicht richtig. Für mich war und ist die katholische Kirche geistliche Heimat und ich hänge an ihr, wie ich auch nach 49 Jahren meines Wegziehens von Jüchen noch immer an meiner Heimat hänge. Es ist so etwas wie die Zugehörigkeit zur Familie.

Kommen Sie ab und zu noch einmal zu Besuch nach Jüchen?

Als meine Eltern noch lebten, kam ich einmal im Jahr auf Heimatbesuch. Nach ihrem Tod war ich nur in Jüchen zum Klassentreffen, oder wenn ich das Grab meiner Eltern besuche oder einen Vortrag in der Nähe halte. Die Frauen der "kfd Jüchen" haben mich als junge Schwester im Kinderdorf besucht und der Kontakt ist nie abgebrochen. Wenn ich hin und wieder in Deutschland bin um Exerzitien zu predigen oder Vorträge zu halten, hat die "kfd" mich eingeladen, auch nach Jüchen zu kommen, um jährlich einen Einkehrtag zu gestalten.

Wie ist Ihre Verbindung zu Jüchen in weiterer Hinsicht?

Ich glaube, die Verbindung zu Jüchen ist mit zunehmendem Alter wieder wichtiger geworden. Jüchen ist der Ort, wo ich meine Wurzeln habe. Besonders wenn ich zurück an meine Kindheit und Jugend denke, schlägt mein Herz höher. Da haben wir noch Gemeinschaft erlebt, Freude und Leid geteilt. Das ganze Dorf war damals wie eine große Familie. Ich denke an die jährlichen Chorkonzerte mit dem Kirchenchor, die Mozart-Messe "Missa
brevis" in der Christmette, unsere gemeinsamen Wallfahrten nach Kevelar …