Interview mit Professor Michael Krützen Warum sind wir Menschen so anders

Grevenbroich · Michael Krützen, Zwillingsbruder des Grevenbroicher Bürgermeisters ist Professor und Leiter der "Evolutionären Genetik-Gruppe" am Anthropologischen Institut der Universität Zürich. Mit der Entdeckung der Sumatra-Orang-Utans sorgte diese weltweite agierende Gruppe von Wissenschaftler vor ein paar Wochen ebenfalls weltweit für Schlagzeilen.

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Der anerkannte Biologe stellte sich dem Interview mit dem "Grevenbroich Magazin".

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Zunächst einmal: Wie ist Ihr beruflicher Karriereweg und wie sind Sie Professor in der Schweiz geworden?

Ich habe von 1990 bis 1996 an der Universität Bonn Biologie studiert, habe jedoch meine Diplomarbeit schon an der "University of New South Wales" (UNSW) in Sydney, Australien, geschrieben. Thema war die Populationsgenetik von Delfinen in Shark Bay in Westaustralien. Ich bin dann 1997 zur Doktorarbeit zurück an die UNSW in Sydney gegangen, die ich 2002 abgeschlossen habe. Thema der Dissertation war die Erforschung von kooperativem Verhalten bei Delfinmännchen.

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Zu diesem Zweck haben wir weitreichende genetische Untersuchungen an der Shark-Bay-Population durchgeführt. Quasi als Nebenprojekt haben wir auch den Werkzeuggebrauch bei Delfinen, bei denen die Tiere marine Schwämme zur Futtersuche benutzen, beschrieben. Das Besondere hier ist dass dieses Verhalten kulturell weitergegeben wird, das heißt, die Tiere lernen es voneinander. Sowohl Werkzeuggebrauch als auch Kultur ist im Tierreich sehr selten, von daher hat unsere damalige Veröffentlichung 2005 ein sehr großes weltweites Medienecho hervorgerufen. Informationen zu unserer Arbeit an Delfinen und unserem Projekt in Shark Bay, in welches ich immer noch maßgeblich involviert bin, findet man unter www.sharkbaydolphins.org.

Meinem Doktorat hatte sich dann noch eine Stelle als "Post-doc" an der UNSW angeschlossen.

Ich habe meine Gattin Anna Lindholm Krützen, die genau wie ich als Wissenschaftlerin an der Universität Zürich arbeitet und lehrt, 2001 in Australien kennengelernt. Wir sind dann 2005 in die Schweiz gekommen und haben zwei Töchter, Maria (10) und Linnea (6).

Ich habe dann ab 2005 die Evolutionäre Genetikgruppe hier am Anthropologischen Institut der Universität Zürich aufgebaut. Ziel war/ist die evolutionsbiologische Forschung an Orang-Utans. Hierbei nutzen wir genetische Methoden um die Sozialstruktur von Orang-Utan Populationen zu erforschen, um die genetischen Unterschiede zwischen den einzelnen Populationen und Arten zu dokumentieren, und zu erklären, inwieweit Verhaltensvariation zwischen Orang-Utan Populationen auch mit kulturellen Unterschieden, ähnlich wie beim Menschen, zu erklären ist. 2014 habe ich hier an der Uni habilitiert und jetzt bin ich Professor für Evolutionäre Anthropologie und Genomik.


Was ist an evolutionärer Anthropologie so spannend?

Es ist noch immer nicht vollkommen geklärt, warum wir als Menschen so anders sind als unsere nächsten Verwandten und alle anderen Tiere. Beispiele sind hier riesiges Gehirn, kumulative Kultur, Sprache und so weiter. Ein Ansatz ist es natürlich, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit unseren nächsten Verwandten (Schimpansen, Gorillas, Orang Utans) zu dokumentieren. Jedoch ist dieser vergleichende Ansatz auch sehr spannend, wenn man sich nicht nur die nächsten Verwandten, sondern auch weit entfernten Arten anschaut, die auch sehr große Gehirne, die auch Kultur, die auch sehr komplexe Sozialstruktur haben, wie zum Beispiel Delfine.

Was ist das Sensationelle an der Entdeckung der Sumatra-Orang-Utans? Was verändert diese Entdeckung eventuell an unserer Sicht der Welt, der Evolution?

Das Interessante an dieser Entdeckung ist die Tatsache, dass es erst die siebte Menschenaffenart ist (abgesehen von uns Menschen), die jemals beschrieben worden ist. An der Sicht der Welt verändert es wohl nichts, jedoch zeigt es, dass es immer noch weiße Flecken auf der Landkarte gibt, in denen Menschenaffen vorkommen, über die wir so gut wie nichts wissen. Für mich persönlich ist es natürlich ein Traum, so etwas kann man nicht planen.

Wie waren Sie an diesem internationalen Projekt beteiligt? Kann man "Ihren Beitrag" genauer beschreiben?

Meine Gruppe hier hat die genetischen und genomischen Analysen durchgeführt, sowie mit zwei anderen Kollegen das Paper geschrieben. Hier in Zürich in meiner Gruppe sind alle Fäden zusammengelaufen. Sie müssen sich vorstellen, dass wir Proben und Daten von 40 Forschern aus den USA, England, Australien, Indonesien, Niederlande, Deutschland zusammenführen mussten. Es war ein Projekt, das gut zehn Jahre gedauert hat.


Wie wird die Forschungsarbeit nach der Entdeckung der Sumatra-Orang-Utans fortgesetzt? Sind Sie weiter involviert?

Es gibt immer noch einige Gebiete in Sumatra, die nicht gut erforscht sind. Wir haben eine gute und langjährige Zusammenarbeit mit der "Bogor Agricultural University" in Bogor/Indonesien. Ich habe dort auch Doktorierende betreut. Wir werden die Zusammenarbeit intensivieren, um noch mehr über die genetische Vielfalt von Orang-Utans in Indonesien und Malaysia zu lernen. Die Forschungskooperation mit unseren bisherigen Partnern bleibt natürlich bestehen.

Bedeutet die Entdeckung der Sumatra-Orang-Utans auch für Sie persönlich einen neuen Karriereschub?

Wichtig für mich ist, dass die neue Art jetzt auch auf dem Radar von Politikern und Regierungen erscheint. Letztendlich sind sie es, die sich um den Schutz und Erhalt der neuen (und natürlich der alten Arten) durch Gesetzesänderungen und durch das Nichtvergeben von Minen- oder Wasserkraftwerklizenzen bemühen können. Ich erhoffe mir natürlich auch persönlich, dass unsere Veröffentlichung bei unseren Kollegen Anerkennung finden wird.