Brems-Tests für "Kappeswagen" Millimetergenaue TÜV-Kontrollen

Hemmerden · "Ich prüfe jedes Jahr etwa 100 Umzugswagen — von Nettetal bis Grevenbroich und von Niederkrüchten bis Neuss", erzählt Rudolf Deilen, TÜV-Prüfer und Fachbeauftragter für die Brauchtumsfahrzeuge.

Rudolf Deilen ist Fachbeauftragter für die Brauchtumsfahrzeuge in der Region. Er ist verpflichtet, ganz genau hinzuschauen.

Foto: Fotos: Alina Gries

Was früher noch mit einer "Helau-Bescheinigung" durchging, muss jetzt regelmäßig vom TÜV geprüft werden.

"Karneval ist ein Hobby, deswegen wird der Wagen auch nur einmal im Jahr bewegt", erklärt Michael Aretz vom Garzweiler Hof, "die Kosten, die man da reinsteckt, werden mittlerweile akzeptiert. Das vor ein paar Jahren aber allen deutlich zu machen, war nicht einfach."

Der Vorsitzende der Karnevalsfreunde aus Hemmerden und sein Kollege Heinz Koch warten auf die anstehende TÜV-Abnahme.

Sieben von acht Wagen müssen vor dem großen Karnevalsumzug am Tulpensonntag erst noch einmal geprüft werden. "Wir schauen vorher aber auch schon einmal drüber", so Aretz, "am Kappeswagen war die Bremsanlage beispielsweise überholt, die haben wir repariert."

Seit 41 Jahren ist der ein fester Bestandteil des Zuges. "Der Kappeswagen ist immer mittendrin und verteilt Sauerkraut mit Speck oder Wurst", erzählt Heinz Koch. Doch ehe er das machen darf, stattet Rudolf Deilen den engagierten Karnevalsfreunden erst einmal einen Besuch ab.

"Wichtig ist der sichere Auf- und Abstieg sowie Blinker und Bremse. Die Brüstung hinten beträgt bei Erwachsenen einen Meter und bei Kindern mindestens 800 Millimeter", erklärt Deilen.

Deshalb müssten die meisten Jecken in ihren Wagen fast kriechen. "Zwischen der Wagenwand und dem Boden muss ein Abstand von maximal 300 Millimeter gegeben sein", meint Deilen weiter, "das ist wichtig dafür, damit keiner dazwischen rutscht. Und es muss auch ein Lenkwinkelbegrenzer zwischen Schlepper und Wagen vorhanden sein. Das ist vor allem dafür gedacht, dass der Wagen nicht zu weit einschlägt."

Nachdem Deilen mit einer Taschenlampe unter den Wagen gekraxelt und die Treppe im hinteren Bereich des Wagens ordentlich auf ihre Befestigung überprüft hat, schwingt sich Michael Aretz in seinem Traktor. "Die Bremsprobe ist wichtig, weil der Anhänger eine eigene Bremse haben muss. Der Wagen wiegt etwa drei Tonnen, mit Personen dann circa fünf Tonnen. Eine eigene Betriebsbremse ist deshalb notwendig, sonst müsste der Trecker die ganze Kombination selbstständig abbremsen."

Schließlich finden sich Tulpensonntag etwa 20 Personen oben auf dem Wagen ein. Aretz tritt aufs Gas und bremst abrupt. Deilen nickt zufrieden und drückt einen Stempel auf die Papiere: "Dann machen wir das jetzt mal hochamtlich", lacht er.

Für zwei Jahre hat der Wagen, der den Zug am Tulpensonntag abschließt, jetzt den TÜV. "Für die Prüfung gibt es unterschiedliche Kriterien", erklärt Deilen, "dann begutachten wir zum einen einen Wagen das erste Mal. Das, was ich hier mache, ist aber eine Wiederholungsprüfung."

Eine erstmalige Begutachtung kostet die Brauchtumspfleger 100 Euro, eine Wiederholungsprüfung 50 Euro. "Seit etwa zehn Jahren verkleiden wir die Schlepper zusätzlich, damit sie vorne wie ein Schneeschild gebaut sind", erklärt Michael Aretz. "Das ist zwar noch kein Gesetz, aber falls ein Kind doch zu nah an den Wagen herantritt, kommt es erst einmal mit der Brüstung in Kontakt."
Für weitere drei Wagen geht es nach Kapellen, zwei in der Nähe von der Autobahn und einer in Schlich.
"Natürlich kommt es auch vor, dass ich den TÜV-Stempel mal nicht vergeben", klärt Deilen, "sobald die technischen Mängel behoben sind, berechnen wir den Preis aber nicht noch mal normal. Dann gibt es den heiß ersehnten Stempel." Im Regelfall wüssten die Vereine aber, auf was zu achten sei. Beim "Irischen Wagen" der "Immer jung GmbH" aus Hemmerden beispielsweise entgeht Rudolf Deilen nichts.

"Die Schere, also die Verbindung zwischen Schlepper und Anhänger, beispielsweise ist grenzwertig. Die könnte wegen Verschleiß nächstes Jahr durchbrechen", sagt er.
Und Ralf Rippegather nickt verständnisvoll. "Wir haben daraus schon viel gemacht. Eine Burg, ein Segelschiff und jetzt einen Vereinsbus des HSV, der in die zweite Liga fährt", verrät er grinsend. Sobald der Stempel vergeben ist, wird mit dem Basteln begonnen.
Und auch die anderen Wagen seien unkritisch. Doch trotzdem sind die Umzüge fürDeilen und auch für Aretz als Mitveranstalter nicht ganz stressfrei. "Eine Grundnervosität ist da", sind sie sich einig.

Interessierte, die am Umzug teilnehmen möchten, können sich noch bis zum 1. Februar bei Michael Aretz unter der Telefonnummer 0173/76 28 80 0 anmelden.

(Kurier-Verlag)