Den Augen nicht trauen Kapellens Nachwuchskicker spielen blind Fußball

Kapellen · "Warte, wo ist das Tor?" Die Nachwuchssportler des SC 1911 Kapellen-Erft kamen vergangene Woche zunächst ganz schön ins Schwitzen — schließlich konnten selbst die begnadetsten Torschützen der kleinen Kicker plötzlich das Runde nicht mehr ins Eckige befördern.

Blindenfußballer Marcel Wienands und Bürgermeister Klaus Krützen im Gespräch.

Woran hat es gelegen?

Die wohl beliebteste Sportart der Deutschen ist eindeutig der Fußball. Doch wie soll man Fußball spielen, wenn man das Tor, seine Mitspieler und noch nicht einmal den Ball sehen kann? Was unmöglich klingt, wurde für blinde Menschen bereits zu einem beliebten Zeitvertreib. Wie das funktioniert, lernten jetzt die Kids des SC 1911 Kapellen-Erft. Das integrative Förderprojekt "Neue Sporterfahrung" der Deutschen Telekom gastierte vergangene Woche in der Schlossstadt — im Gepäck hatten die Trainer einen ganz besonderen Ball, der durch kleine Metallplättchen in seinem Inneren bei Bewegung rasselähnliche Geräusche von sich gibt, und das wichtigste Utensil: spezielle Brillen, durch die Kapellens Nachwuchstalente nichts mehr sehen konnten. Mit dabei waren der sehende Trainer Christian Breckner und der Blindenfußballer Marcel Wienands aus Grevenbroich, der für den PSV Köln in der Bundesliga des Blindenfußballs spielt. Gemeinsam zeigten die zwei den Kids, welche Leistung blinde Sportler trotz ihres Handicaps erbringen. Dirk Erberich, Jugendgeschäftsführer des SC, erklärt: "Wir haben das Projekt der Telekom aus verschiedenen Gründen zu uns nach Kapellen geholt. Auf der einen Seite geht es natürlich um die sportlichen Aspekte der Aktion, in der Hauptsache aber um die sozialen. Wir möchten den Kids ab elf Jahren verdeutlichen, dass sie keine Angst vor dem Umgang mit Menschen mit Behinderung haben müssen und ihnen das integrative Umfeld etwas näher bringen. Wir hoffen, dass sich die Kids aus dem Projekt auch etwas für den Alltag mitnehmen und Werte wie Toleranz, Verständnis und Hilfsbereitschaft gestärkt werden." Respekt haben die Kinder vor den blinden Sportlern allemal bekommen, schließlich konnten sie sich bei dieser außergewöhnlichen Trainingseinheit einmal nicht auf ihre Augen verlassen. Der einzige Spieler auf dem Platz, der sieht, ist der Torwart — außerdem gibt es jeweils hinter dem gegnerischen Tor einen Guide, der seinem Team durch Zuruf als Unterstützung dient und auch der Trainer darf von der Seitenlinie Richtungen und Schussempfehlungen äußern. "Nur durch die Stimmen haben die Spieler auf dem Feld eine Chance, sich zu orientieren", erklärt Wienands. Beim PSV Köln spielt der Grevenbroicher seit über drei Jahren in der Verteidigung und dem defensiven Mittelfeld, seit zwei Jahren reist er mit dem integrativen Projekt durch die Bundesrepublik und zeigt Nachwuchskickern seine Sportart. Für ihn ist klar: "Das ist eine ganz besondere Erfahrung für mich, die Kinder sind sehr interessiert. Ich finde die Aktion wichtig, da die Kleinen sonst häufig wenig Kontakt zu Menschen mit Behinderung haben. So sehen sie, dass auch Sehbehinderte Leistungssport betreiben können." Auch Bürgermeister Klaus Krützen hat sich der neuen Erfahrung gestellt. "Für mich als ehemaliger Fußballer war das etwas völlig anderes. Ich bin dem SC und der Deutschen Telekom für dieses Projekt sehr dankbar, denn es ist wichtig, die kleinen Sportler für dieses Thema zu sensibilisieren." Apropos sensibilisieren: Am Samstag sind auch die Bambinis in edler Mission unterwegs. Die kleinsten SC-Kicker fahren zu den Bambinis in Odenkirchen, um dort an einem Benefizturnier für einen kleinen Jungen teilzunehmen, der an Leukämie erkrankt ist. Einfach toll, der Einsatz der Kapellener Nachwuchsfußballer!

Hanna Loll

(Kurier-Verlag)