Wolfgang Kaisers (CDU) offener Brief Zur aktuellen Situation des „Rheinland Klinikums“
Grevenbroich · Wolfgang Kaiser, Fraktionsvorsitzender der CDU Grevenbroich und Mitglied im Aufsichtsrat des „Rheinland Klinikums“ hat am 6. Mai einen offener Brief zur aktuellen Situation des „Rheinland Klinikums“ mit Bezug auf den Standort Grevenbroich und das „St. Elisabeth“-Krankenhaus verbreitet.
Hier finden Sie den kompletten Wortlaut:
So wie kürzlich ein schweres Gewitter mit Starkregen große Teile von Grevenbroich in Mitleidenschaft zog, so droht das nächste unschwer größere Gewitter in Form einer Schließung des „St. Elisabeth“-Krankenhauses für die Grevenbroicher Bürger.
In den vergangenen Wochen konnte man viel über das „Rheinland Klinikum“ lesen, insbesondere aus Neuss. Als lebenserfahrener Bürger erkennt man deutlich, dass die alten Zeiten mit Neuss vs. Grevenbroich anscheinend immer noch vorherrschen. So werden aus meiner Sicht die Mittel im Streit um die beiden Standorte Neuss mit dem Lukas-Krankenhaus und Grevenbroich mit dem „St. Elisabeth“-Krankenhaus eher einseitig pro Neuss und contra Grevenbroich eingesetzt. Der Standort Dormagen erscheint hierbei nicht wirklich, noch nicht.
Auch wenn alle Beteiligten das Wort „Schließung“ nicht aussprechen, so wird der Standort Grevenbroich mit dem „St. Elisabeth“-Krankenhaus faktisch langsam, aber sicher abgenabelt. Von den Versprechen zur Fusion der Krankenhäuser und der Spezialisierung ist keine Rede mehr. Aktuell geht es nur noch um Teilschließungen und dem damit verbundenen Abbau der stationären Einheiten. Das Ziel dieser Strategie scheint sehr offensichtlich.
Wir alle wissen, dass das System der Krankenhauslandschaft selbst schwer krank ist und die dringend notwendige Unterstützung der Krankenhäuser durch Bund und Land derzeit nicht ausreicht. Insbesondere die kleinen Krankenhäuser haben darunter massiv zu leiden.
Umso mehr nehme ich die Geschäftsführung in die Verantwortung, nicht nur den üblichen ersten Schritt mittels Einsparungen anzugehen, sondern erst einmal alle Möglichkeiten zur Erhaltung aller Standorte als stationäre Krankenhäuser auszuschöpfen. Nur durch den Erhalt des „St. Elisabeth“-Krankenhaus wird den Bürgern aus Grevenbroich, Rommerskirchen und Jüchen mit ihren rund 100.000 Einwohnern die dringend notwendige Versorgung gegeben!
Hinzu kommt, dass aktuell in Grevenbroich acht Hausarztpraxen unbesetzt sind. Und wer denkt an das Personal? Auch wenn Ärzte, Schwestern und Pflegekräfte gesucht werden, so geht man nicht mit Menschen um! Auch sie brauchen Unterstützung und klare Perspektiven.
Weiterhin darf man sich schon fragen, warum Neuss mit rund 150.000 Einwohnern und einem zweiten „St. Johanna-Etienne“-Krankenhaus und der unmittelbaren Nähe zu Kliniken in Düsseldorf so bevorzugt gesehen wird. An dieser Stelle ist auch festzuhalten, dass der Investitionsstau im Neusser Lukas-Krankenhaus nicht nur baulich, sondern auch betrieblich massiv ist und hier sehr viel Geld investiert werden muss.
Aus Neuss kommend heißt es immer wieder, der Aufsichtsrat habe im Dezember einen Beschluss gefasst. Zur Klarstellung: Der Aufsichtsrat hat eine an die Gesellschafter empfehlende Funktion. Und die Gesellschafter haben Stand heute noch keinen gemeinsamen Beschluss gefasst.
Und das Damoklesschwert einer drohenden Insolvenz wird auch gerne als Druckmittel aufgebaut, wobei diese wohl keiner wirklich haben möchte. Aber dennoch würde ein Insolvenzverwalter auch eine objektive Bewertung der beiden Häuser vornehmen. Wer weiß dann schon, ob nicht doch der Standort Grevenbroich gegenüber dem von Neuss mit Blick auf die hohen Investitionen bevorzugt würde.
Die Beschlüsse des Neusser Stadtrates vom Dezember 2023 basieren in Teilen nachweislich auf falschen Zahlen. Weder die Liquiditätsplanung noch die Grundlagen des Beraters entsprechen den Tatsachen. In den Annahmen der Berater wurde unterstellt, dass 50 Prozent der Patienten vom „St. Elisabeth“-Krankenhaus im „Rheinland Klinikum“ verbleiben.
Auf Basis der bereits geschlossenen Abteilungen sind diese Annahmen belegbar falsch, Viele Patienten wechseln in andere umliegende Krankenhäuser, wiezum Beispiel das „Elisabeth-Krankenhaus“ in Rheydt.
Für die Region Grevenbroich, Rommerskirchen und Jüchen ist es dringend erforderlich, dass nicht nur das „St. Elisabeth“-Krankenhaus, sondern auch dessen Notfallversorgung erhalten bleibt! Notfallversorgung 24/7, rund um die Uhr. Nach dem Versorgungsstufenmodell der Regierungskommission für Krankenhausversorgung entspricht dies dem „Level In“.
Im Jahr 2022 wurden rund 20.000 Patienten in der Notaufnahme behandelt. Der Rettungsdienst hat in 2022 und 2023 je rund 5.000 Fahrten zum „St. Elisabeth“-Krankenhaus durchgeführt. DRK, Malteser und andere sind hierbei nicht berücksichtigt.
Wer soll denn die Patienten in Zukunft behandeln? So mancher Rettungswagen wird vielleicht aufgrund der räumlichen Nähe oder widriger Straßenzustände durch Sperrungen demnächst nach Rheydt fahren, denn was nützt ein Krankenhaus in Neuss, wenn der Patient es nicht mehr rechtzeitig erreicht.
Oder wer versorgt außerhalb der Sprechstundenzeiten im niedergelassenen Bereich Arbeits- und Schulunfälle? Die umliegenden Krankenhäuser sind doch bereits heute überlastet. Und wie werden die Bürger in Grevenbroich und Umgebung im Notfall versorgt? Lange Fahrten in die Krankenhäuser bis über die Grenze hinaus, ein Ausfall von Rettungsfahrzeugen oder auch die Nähe zu Angehörigen ist nicht mehr gegeben.
Wer behandelt Patienten, die innerhalb des Hauses stürzen oder sich anderweitig eine Verletzung zuziehen, wenn es ab 2025 keine Chirurgie mehr geben soll? Laut Geschäftsführung ist auch eine über Tag mögliche Notfallversorgung gegeben. Jedoch sagen viele Fachleute, dass dies ohne chirurgische und auch innere medizinische Abteilungen nicht wirklich sinnvoll möglich ist.
Neben der Notfallversorgung 24/7 sind daher auch die Abteilungen für Chirurgie und innere Medizin in einer Mindestgröße zu erhalten. Nebenbei, dies ist auch eine gesetzliche Forderung. Die Geschäftsführung verweist hierbei auf Gespräche mit den Krankenkassen, bislang wurden dem Aufsichtsrat aber keine konkreten Fakten einschl. Zahlen vorgelegt.
Was ist mit dem Ausbau der geriatrischen Abteilung im „St. Elisabeth“-Krankenhaus? Mit der Fusion als großes Standbein für Grevenbroich angepriesen soll auch diese Abteilung nach Neuss verlegt werden. Vorher nicht offen diskutiert, ist jetzt der Baukran am Lukas-Krankenhaus bereits aufgebaut. Mit dem Umbau wird am Standort Neuss diese Abteilung aufgebaut.
Und Grevenbroich? Erst im November 2023 wurde die Geriatrie von Neuss nach Grevenbroich verlagert. Intern heißt es jedoch, dass die Verlagerung nach Grevenbroich nur als ein Provisorium zu sehen sei, nach dem Um- und Aufbau der Altersmedizin im „Lukas“ soll laut Flurfunk wieder alles nach Neuss zurückverlegt werden.
In diesem Zusammenhang frage ich mich auch nach den genehmigten Fördermitteln. Diese sind doch wahrscheinlich zweckgebunden und nicht nur für wenige Jahre geplant?
Weiterhin sagen auch hier die Fachleute, dass zu einer Altersmedizin mit einer geriatrischen Abteilung ebenfalls ein Minimum an Leistungen der Chirurgie und inneren Medizin notwendig ist.
Beim Thema Alterstraumatologie und Geriatrie beginnt eine gemeinsame und umfassende Behandlung bereits mit der Einlieferung der Patienten in der zentralen Notaufnahme. Die seit Jahren bestehende Geriatrie und das im Jahr 2015 aufgebaute Alterstrauma-Zentrum sind Behandlungspfade für betagte Patientinnen und Patienten mit unfall- oder sturzbedingten Brüchen. Das Alterstrauma-Zentrum (ATZ) ist eine ganzheitliche Betreuung, geleitet von Traumatologen (Unfallchirurgen) und Geriatern.
Durch das Zusammenwirken von Unfallchirurgie und Geriatrie besitzt das ATZ im „St. Elisabeth“-Krankenhaus eine besondere Kompetenz in der frühestmöglichen Erkennung und Behandlung bei alterstraumatologischen Krankheitsbildern. Die Expertise und gesetzlichen Strukturen für Unfallchirurgie sind im „St. Elisabeth“-Krankenhaus bereits seit Jahren vorhanden. Warum wird in Neuss ein Neubau errichtet, wenn in Grevenbroich alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind? Wer hinterfragt hier den Kosten-Nutzen-Faktor?
Nach dem Ausscheiden der leitenden Oberärztin in der Chirurgie hat man diese Abteilung regelrecht ausbluten lassen. Stellen wurden nie nachbesetzt. Wenn doch die im Neusser Lukas-Krankenhaus so gefragten OP-Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen, warum nutzt man nicht die freien in Grevenbroich?
Für die Internistische Abteilung ist das Vorhandensein einer Chirurgie ebenfalls von Bedeutung. Wenn beispielsweise ein Patient über Oberbauchbeschwerden klagt, ist nicht sofort klar, ob er vielleicht einen Infarkt hat oder eine Gallenblasenentzündung im Raum steht. Der Patient benötigt somit einen Chirurgen, der in der Lage ist, bestimmte chirurgische Notsituationen beziehungsweise häufige chirurgische Erkrankungen adäquat zu behandeln.
Auch an diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr, dass mit einer notwendigen Notfallversorgung 24/7 auch die Chirurgie und Innere Medizin erforderlich ist.
Und wie stellt sich die Geschäftsführung die Zukunft des „Rheinland Klinikums“ vor?
Verlagerung der Schmerztherapie nach Dormagen? Verfügt Dormagen über so viele Betten? Rückverlagerung der Geriatrie von Grevenbroich nach Neuss? Es heißt, dass laut Bezirksregierung dem Lukas-Krankenhaus nur 30 geriatrische Betten zugesprochen wurden? Was ist mit dem ambulanten OP-Zentrum? Oder wann wird ein Raumnachnutzungskonzept vorgestellt?
Aktuell wird der Aufbau einer stationären Reha am Standort Grevenbroich angedacht, so wurde zumindest dem Aufsichtsrat des Klinikums und dem Ältestenrat in Grevenbroich berichtet. Was muss man sich darunter vorstellen? Laut Geschäftsführung sollen die Räumlichkeiten des Krankenhauses an einen privaten Dritten vermietet werden.
Was ist mit der Übernahme des Facilitymanagements, der Technik, der Küche/des Caterings, der Wäschekammer oder der Übernahme des kompletten Ver- und Entsorgungsbereiches? Einige bildliche Darstellungen wurden gezeigt, dem Aufsichtsrat wurden sie bis heute nicht zur Verfügung gestellt. Was ist mit den zugehörigen Zahlen, Daten und Fakten? Zur Prüfung und Entscheidung sollten diese doch mit ausreichendem Vorlauf zur Verfügung stehen. Und was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten werden sicherlich vom neuen privaten Betreiber gestellt.
Zum Abschluss möchte ich festhalten, dass ich als Ingenieur kein Fachmann für Krankenhäuser bin. Aber dennoch muss es einem jeden Bürger erlaubt sein, dass er mit einem gesunden Menschenverstand versucht diese Zusammenhänge zu verstehen und zu hinterfragen.
Und als Mitglied des Aufsichtsrates des „Rheinland Klinikums“ habe ich viele Ungereimtheiten und Fragen zur Sache.
Aber in einem bin ich mir sicher, mir wird immer klarer, wie dringend notwendig der Erhalt unseres „St. Elisabeth“-Krankenhaus„St. Elisabeth“-Krankenhauses in Grevenbroich für uns alle ist!
Wolfgang Kaiser