Analyse „Ira“, der Zorn, ist ein schlechter Ratgeber!

Eine der sieben Todsünden ist der Zorn. Im Bibel-Latein mit „ira“ zu übersetzen. Zorn – so wird er in der Fachliteratur beschrieben – zeigt sich als wutähnlicher Effekt oder starker Ärger, der in unkontrollierten Handlungen gipfeln kann. Und derzeit findet sich viel Zorn in der Grevenbroicher Kommunalpolitik.

Grevenbroich. Diesen starken Ärger spürte Bürgermeister Klaus Krützen in der jüngsten Sitzung des Haupt-Ausschusses, als er mit seiner Forderung nach einer Feststellungsklage gescheitert war (Lesen Sie auch obenstehenden Bericht).

Prompt drohte er mit der Beanstandung ebendieses Beschlusses, den die Mehrheit aus CDU, UWG und FDP in stiller Wut gefasst hatte. Sie fühlten sich einer Inszenierung ausgeliefert, in der nur juristische Befürworter der bürgermeisterlichen Situation zu Wort kamen. Die Rechtsposition des Kreises (und auch das Disziplinarverfahren gegen den Bürgermeister) wurde dabei komplett ausgeblendet.

Aber eben dieses Disziplinarverfahren und die Ablehnung des Stellenplanes durch Landrat Hans-Jürgen Petrauschke als Aufsichtsbehörde hatte den Bürgermeister dermaßen genervt, dass er bereit ist, mit der besagten Feststellungsklage juristisches Neuland zu betreten. Denn die Frage, wann „Aufsicht“ aufhört und „Gängelung“ anfängt, ist bis dato im Land noch nicht richterlich geklärt worden. (Dr. Wacker könnte damit also „Berühmtheitspunkte“ einfahren.)

Zuvor hatte sich Hans-Jürgen Petrauschke über den Bürgermeister geärgert, weil der – trotz der einschränkenden Vorgaben der Aufsicht – vier Beförderungen ausgesprochen und umgesetzt hatte, die der Landrat eigentlich abgelehnt hatte. In dem folgenden Disziplinarverfahren nahmen Juristen des Kreises „Ermittlungen“ auf; am Tag nach der Ausschusssitzung schickte Krützen seine schriftlichen Einlassungen dazu ab. In ein paar Wochen soll dann feststehen, ob die bis dato tadellose Akte des Rathaus-Chefs einen Fleck bekommt.

Klaus Krützen hatte dabei im vergangenen Herbst den Zorn gespürt, als die besagten vier Beförderungen – darunter eine Mitarbeiterin in seinem direkten Büro – gleich zweimal abgelehnt wurden: Einmal hatte wie geschildert der Landrat „Njet“ gesagt. Das andere „Nein“ fing er sich im Stadtrat.

Dort hatte er die Beförderungen (die, wie er betont, auf Grundlage der dreiköpfigen Stellenbewertungskommission entstanden) zur Abstimmung gestellt. Eine Mehrheit (CDU, UWG, FDP) lehnte die Beförderung der bürgermeisterlichen Mitarbeiterin klar ab. Aus politischen Gründen, wie Krützen mutmaßt.

Er selbst, so der Rathaus-Chef gegenüber dem Erft-Kurier, habe in diesem Bereich „unpolitisch“ agiert. So habe er CDU-Mann Sebastian Johnen zum Leiter des Ordnungsbereich befördert. Und auch Erster Beigeordneter Michael Heesch (CDU) habe von ihm die Beförderung bekommen, die ihm seine Vorgängerin Ursula Kwasny immer verweigert hätte.

Wahrscheinlich hatte sie Angst vor dem „Geschmäckle“, das solchen Beförderungen gerne mal anhängen kann.

Klaus Krützen war also mehr als sauer, als er sah, dass die Beförderung seiner Mitarbeiterin abgelehnt wurde. Und er griff zu einem Mittel, das ihm in dieser Situation zur Verfügung steht: Da die Abstimmung in der Politik knapp ausfiel (keine Zwei-Drittel-Mehrheit), überstimmte er den Rat und setzte die Beförderungen durch.

... und spätestens damit wurde eine Zorn-Kaskade ausgelöst, die viele und unterschiedliche „Bindungen“ hat reißen lassen. Die die Zusammenarbeit im Rat und auch die zwischen Stadt und Kreis schwerstens belastet. „Habt Ihr denn keine größere Probleme?“, mag der ein oder andere Bürger jetzt kritisch fragen.

Aber: es geht um das Selbstverständnis von Stadt, Rat, Verwaltung und Bürgermeister. Es geht um Stilfragen und Kompetenzen. Vor allem aber geht es um die Ausgangsbasis für die Kommunalwahlen im September.

Und immer ist Zorn dabei ein schlechter Ratgeber.

Gerhard Müller