Fast ein Fünftel unter 20 So ist die Corona-Situation der Kinder
„Kinder sind die größten Treiber der Pandemie. Wenn Schulen öffnen, haben wir neue Hotspots.“ Sätze, die aktuell fallen. Doch stimmen sie? Der Erft-Kurier geht den Aussagen auf den Grund und hat mit denen gesprochen, die es wissen müssen: der Leiterin des Gesundheitsamtes, Barbara Albrecht, und Kinderarzt Dr. Klaus Pierstorff.
Seit der vergangenen Woche veröffentlicht der Rhein-Kreis in den abendlichen Bekanntmachungen rund um die Corona-Zahlen auch die Anzahl der infizierten Kinder und Jugendlichen. Auffallend dabei: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Kinder häufiger von dem heimtückischen Virus befallen sind als andere Altersgruppen. „Wir merken bei der Anzahl der Infizierten lediglich, dass wir die über 80-Jährigen schon geimpft haben und diese Altersgruppe weniger betroffen ist als zu Beginn der Pandemie“, erklärt Barbara Albrecht, Leiterin des Gesundheitsamtes. So waren am Donnerstag knapp 20 Prozent der Infizierten unter 20 Jahre alt. Rechnet man das auf eine Altersspanne von 0 bis 100 Jahre, zeigen 20 Prozent, dass sich die Verteilung der Infizierten proportional verhält.
Laut Albrecht sei lediglich auffällig, dass sich die Mutationen schneller ausbreiten: „Ist einer in der Familie betroffen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es alle haben.“ Immerhin seien laut der Expertin die Schutzmaßnahmen in den Schulen in der Vergangenheit gut umgesetzt worden: „Zwar schicken wir die Klasse in Quarantäne, aber wir haben selten mehrere Infizierte in einer Klasse.“ Dr. Klaus Pierstorff ist als Kinderarzt in Wevelinghoven tätig, hat auch in seiner Praxis mit Kindern zu tun, die positiv auf Covid getestet wurden.
Doch es ist nicht nur die akute Infizierung. Immer häufiger ist von Langzeitschäden die Rede. Auch bei Kindern! „Bei den Kindern gibt es in seltenen Fällen auch eine mit Covid-19 neu aufgetretene schwere Erkrankung, die PIMS – ,pediatric inflammatory multisystem syndrome’ – genannt wird. Dies ist eine hyperinflammatorische Erkrankung circa vier Wochen nach durchgemachter Infektion. Hyperinflammatorisch bedeutet, dass das Immunsystem sozusagen überreagiert und damit im Körper zu dem Bild einer Erkrankung führt, die mit hohem Fieber, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und einem typischen Ausschlag an Händen und Füßen beginnt, und die im weiteren Verlauf zum Multiorganversagen mit Schock führen kann.“ Dies sei im Blick zu halten, dennoch weiß Pierstorff, dass die Corona-Infektionen bei Kindern meist harmloser verlaufen als bei Erwachsenen.
Nun wird ab der kommenden Woche in Schulen per Nasen-Test, den die Schüler selbst durchführen, getestet. „Diese Tests helfen, das Infektionsgeschehen klein zu halten beziehungsweise einzudämmen. Wir dürfen natürlich nicht erwarten, dass wir durch sie absolute Sicherheit in den Institutionen erhalten. Genauso kann es passieren, dass ein Kind quasi ,umsonst’ wegen eines falsch positiven Schnelltests ein paar Tage zu Hause bleiben muss. Das müssen wir dann im Sinne der Gesamtsituation in Kauf nehmen“, fasst Pierstorff zusammen.
Natürlich kennt auch Albrecht die Diskussion, ob die Nasen-Tests für jedes Alter geeignet seien: „Die so genannten Lolli-Tests, bei denen Kinder an einem Wattestäbchen lutschen, klingen zunächst natürlich geeignet. Doch es fehlen noch schlicht die Untersuchungen, wie zuverlässig die Ergebnisse sind. Ich kann mir aber vorstellen, dass sich in der Test-Richtung noch viel tun wird.“
Pierstorff weiß, wie anstrengend die Situation für Familien ist: „Meines Erachtens ist es vor allem wichtig, den Kindern eine Perspektive zu erhalten. Die Kinder brauchen Offenheit mit der Situation, gute ehrliche Aufklärung und sicheren Rückhalt in der Familie. Auch wenn die Maßnahmen mittlerweile furchtbar nerven, irgendwann wird es besser. Wir alle müssen weiterhin zusammenhalten und dieses Jahr noch überstehen. Und wenn wir erstmal soweit sind, dass alle, die geimpft werden wollen, geimpft sind, wird unser Leben wieder deutlich normaler werden. Diese Hoffnung gebe ich nicht auf.“