Grußwort zum Fest „Die Wahrheit zu sagen, kann zu einer mutigen Tat werden!“
Grevenbroich · Pfarrer Georg Breu, Grevenbroicher Pfarrvikar und Krankenhausseelsorger, richtet sich mit einem Grußwort zum Weihnachtsfest an die Leser des Erft-Kuriers.
Was soll ein Artikel über Weihnachten? Hören wir nicht täglich schon genug Worte über Solidarität, Zuversicht, Freude in den Medien? Manchmal beschleicht mich das Gefühl, beziehungsweise der Satz eines weisen Menschen: „Die Welt erstickt an einem Zuviel an richtigen Worten und einem Mangel an guten Taten“. Das gute alte deutsche Sprichwort reicht auch: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Mal ehrlich gesagt, im Grunde wissen die meisten, was notwendig ist: Taten, und nicht Worte zur Selbstberuhigung. Weihnachten bedeutet: „Das ewige Wort (Gott) ist Fleisch (Mensch) geworden und hat unter uns gewohnt“.
Gott hat es nicht gereicht, als Wort über allem zu schweben, sondern er ist herabgestiegen und hat erst einmal 30 Jahre (!) unerkannt als Mensch mit den Menschen gelebt und gearbeitet, bevor er an die Öffentlichkeit ging.
Andererseits geistern in unserer Welt immer mehr Fake-News umher, die allmählich von immer mehr geglaubt werden. Deshalb kann die Wahrheit sagen manchmal zur mutigen Tat werden.
Und die Wahrheit ist: Wir hungern letztlich nicht nach dem neuesten Handy oder der dritten Urlaubsreise in diesem Jahr. Wir hungern nach einer Wahrheit, dass da ein Gott bereit war in einem kalten Stall zur Welt zu kommen und zu frieren, um berührbar zu werden für alle Menschen.
Dieses Jahr ist Weihnachten wieder anders als letztes Jahr: Da hatten wir teilweise Kontaktbeschränkungen, Weihnachten nur am Telefon. Dieses Jahr frieren auch wir für die Ukraine. Stopp, nein, stimmt eigentlich nicht, die Ukraine friert auch für unsere westliche Demokratie! Wenn ich abends gemütlich auf der Couch sitze, auch bewusst etwas kühler als sonst, denke ich: Hast du es gut! In welchem kalten Loch sitzen manche Menschen in der Ukraine wohl in diesem Augenblick?
Mein Glaube, dass Gott auch in einem kalten Stall zur Welt gekommen ist, darf keine sentimentale Beruhigung sein, sich mit den Zuständen in der Welt abzufinden. Wir können den Frieden in der Welt nicht herbeizaubern, aber wir können dafür sorgen, dass durch unser Leben kein unnötiger Unfriede entsteht. Dazu muss der Friede in uns selber wachsen, dafür müssen wir uns persönlich jeden Tag neu bemühen, auch wenn es nicht immer einfach ist. Resignation ist Ende des Weihnachtsfestes!
Aber wie kann Friede in uns wachsen? Dazu muss man wohl etwas persönliches schreiben: Ich habe vor vielen Jahren zunächst als Krankenhaus- und Altenheimseelsorger kurz vor Weihnachten in Grevenbroich angefangen. Dieses Fest war anders als bisher. Ich war gewohnt, mit Christmette und Glitzerglanz, festlicher Trompetenmusik, und anschließendem Jugendtreff mit Wichtelgeschenken den Heiligen Abend zu verbringen. Stattdessen war ich nun in den dunklen, leeren Fluren des Krankenhauses unterwegs, um Patienten zu besuchen, die sich an diesem Abend genauso verloren und ausgesondert fühlten wie ich. Genauso wie Maria und Josef, die man zur Geburt in einen Stall abgeschoben hatte. Als mir dämmerte, dass Gott genau in dieser Situation zur Welt kommen wollte (er hätte auch ‚standesgemäß‘ auf der Bühne der Welt erscheinen können), war mir klar: Hier ist heute Bethlehem, hier singen die Engel „Ehre sei Gott und Friede auf Erden den Menschen guten Willens“. Deshalb bin ich hier auch nicht allein, denn die Patienten in ihren Krankenbetten sind für mich heute Abend das Kind in der Krippe.
Und es entstand eine insgeheime Verbundenheit zwischen Patient und Seelsorger, im gleichen Boot zu sitzen (oder besser: in der gleichen „Krippe“ zu liegen….)
So zu denken braucht Glaube, ist vielleicht ungewohnt und kostet erst einmal Überwindung, führt aber zu dem Frieden, der nötig ist, die Welt ein ganz klein bisschen heller zu sehen, ein bisschen heller zu machen.
„Menschen die ihr wart verloren, lebet auf, erfreuet euch“. – Vielleicht hilft uns dieses Weihnachtslied, diese Weihnacht neben uns selbst die wir auch „Verlorene“ sind, einen neuen Mitmenschen oder jemand Vertrauten, mit neuen Augen zu sehen. Gott hat sich auch in die Welt verloren, nicht verirrt, sondern auf der Suche nach dir und in dir!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes friedliches Weihnachtsfest.
Pfarrer Georg Breu