Das RWE ist weiter, als die Politiker glauben
Grevenbroich · In ihr steckt enorm viel drin – in unserem heimischen Energieträger, der Braunkohle. Darauf verweisen nicht nur hiesige und überregionale Politiker der unterschiedlichsten Färbung, das weiß natürlich auch das RWE.
Personal-Vorstand Erwin Winkel bei der Paffendorf-Konferenz (Erft-Kurier berichtete): „In den Bereichen Kraftwerkstechnik, Braunkohlenutzung und Rauchgasreinigung treiben wir unsere Forschungsvorhaben voran.“
In der Kohle steckt zum Beispiel Kohlenstoff. Und damit ein wichtiges chemisches Element. Was ist also sinnvoller, als die Kohle für die Herstellung chemischer Produkte zu nutzen? „Auf diese Idee kam man schon früh: Treibstoff aus Braunkohle wurde bereits in den 40er Jahren in Wesseling von der ,Rheinbraun’-Tochter
hergestellt. Während der Kriegswirtschaft lohnte sich das“, so RWE Pressesprecher Guido Steffen auf Nachfrage der Redaktion des Erft-Kurier.
Zu Beginn der 70er Jahre traf dann die Knappheit von Erdöl und Erdgas die industrialisierten Volkswirtschaften wie eine Hiobsbotschaft. Denn der Verbrauch dieser beiden fossilen Energieträger nahm weiter zu. „Rheinbraun“ reagierte mit dem Bau einer neuen Forschungsanlage: Der Hochtemperatur-Winkler-Vergasungsanlage (HTW) zur Benzinherstellung.
Die Entwicklung reichte bis in die 90er Jahre. Zu einem großtechnischen Einsatz kam es nicht. Die Technik war nicht wirtschaftlich realisierbar. Heute, über 20 Jahre später, nimmt RWE das Thema erneut in die Hand, untersucht, wie die Braunkohle stofflich zum Einsatz kommen kann – zum Beispiel für die Herstellung von chemischen Rohstoffen wie Synthesegas und Methanol.
„Die Forschungsarbeit von damals hilft jetzt. Die Verfahren werden wieder herausgeholt, optimiert. Denn mittlerweile ist die Technik fortgeschritten“, so Steffen weiter.
„In der Braunkohle steckt mehr Potenzial, als die Meisten wissen“, betont Jens Hannes, Leiter Brennstoffe aus dem Bereich „Forschung und Entwicklung“ beim RWE. Es sei ein richtiger, wichtiger Schritt erneut zu prüfen, wie die Braunkohle in der chemischen Industrie einsetzbar ist. Gerade jetzt, wo weltweit der Bedarf an Energie- und Rohstoffen enorm wächst.
Erst vor wenigen Wochen hat das auch die Enquete-Kommission des Landtags zur Zukunft der Chemischen Industrie in ihrem Abschlussbericht deutlich gemacht (Erft-Kurier berichtete).
Darin betont die überfraktionelle Arbeitsgruppe, dass die Kohle stofflich genutzt einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung der Rohstoffbasis leistet. Durch die Umwandlung von Braunkohle in flüssige (CtL – Coal to Liquid) oder gasförmige (CtG – Coal to Gas) Zwischenprodukte könne die chemische Industrie ein Stück unabhängiger werden von Weltmarktpreisen und geopolitischen Risiken.
Ein weiterer positiver Faktor: Die aktuelle Diskussion über die Kohle wird nicht weiter einseitig auf den Klimaschutz reduziert.
Jens Hannes: „Die Schlüsselkomponenten für die stoffliche Braunkohlennutzung entwickeln Kollegen im Innovationszentrum Kohle in Niederaußem. Zu den Versuchsanlagen gehören ein Katalysator-Teststand und ein Pilotprojekt für hocheffizientes Trocknen von Braunkohle.“
Analyseeinrichtungen für Braunkohlenprodukte wie Methan und Methanol geben Aufschluss über die Qualität. Außerdem ermöglicht das eigene Mineralogie-Labor auch Charakterisierungen von Brennstoffen und Rückständen.
Weil die verarbeitende Industrie und die heimischen Rohstoffquellen nah beieinander liegen, ergeben sich gerade in der Region besonders gute Optionen für die Kohlennutzung. Zudem verfügt das Land über wissenschaftliche Strukturen, die bestens für die weitere Entwicklung von „CtL“ und „CtG“ nutzbar wären.
Aktuell ist RWE bereits mit Unternehmen der chemischen Industrie im Gespräch. Die Potenziale des heimischen Energieträgers sollen möglichst bald zum Einsatz kommen.