Dank der EU: „Ich tue etwas,das mir total zuwider läuft“
Zuckerrübenfelder sind in unserer Region ein gewohnter Anblick. Aber haben Sie ein solches Feld schon einmal in voller Blüte stehen sehen? Die Antwort auf diese Frage ist auch der Grund, warum heimische Landwirte mit der EU hadern. Und warum sie Achtung vor den belgischen Politikern haben ...
Vanikum. Zusammen mit „Rübenbauer“ Hubertus Velder aus Vanikum hat sich der Erft-Kurier einmal auf Antwortsuche begeben. Alles beginnt damit, dass das Samenkorn der Zuckerrübe nicht rund, sondern unterschiedlich gezackt geformt ist.
Deshalb hat man schon in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts erkannt, dass diese Körner nicht sauber durch die Maschinen zum Aussäen laufen. Dass sie sich vielmehr verhaken.
Schon damals packte man das Samenkorn in einer Masse aus Ton und Torf ein, die man anschließend kugelrund formen konnte. Außen bekam sie noch eine „Glasur“ verpasst – und fertig war die so genannte „Rüben-Pille“, die sich nun perfekt maschinell auf den Acker bringen ließ. Gleichzeitig nutzte man die „Glasur“, um Insektizide und Fungizide aufzubringen. Letztere sind dort immer noch zu finden. Die ersteren, die Neo-Nicotinoiden, sind inzwischen EU-weit verboten. Sie stören nachweislich die Bienen und andere Bestäuber, können sie so beeinflussen, dass sie den heimischen Stock nicht mehr finden und elendig zu Grund gehen.
Allerdings sind unsere Zuckerrüben zweijährige Pflanzen: Im ersten „investieren“ sie in die Rübe und ins Blattwerk. Dann braucht sie „Kälteeinwirkung“, um dann im zweiten Jahr die Blüte auszulösen. „Dieses zweite Jahr erleben unsere Rüben nie, weil sie ja im Herbst abgeerntet werden“, resümiert Velder trocken.
Mit anderen Worten: Es kommt gar nicht so weit, dass das Neo-Nicotinoid wirklich mit den Bienen oder anderen Bestäubern in Kontakt treten könnte.
Und die „Rüben-Pille“ sieht so künstlich aus, dass kein Rebhuhn oder ein anderer Vogel es als Nahrung aufpicken würde. (Der neue Rübensamen wird übrigens auf speziellen Feldern zumeist in Südfrankreich gezogen.)
Zum Einsatz gekommen ist dieses Herbizid früher übrigens, um gezielt die „Grünen Blattläuse“ zu bekämpfen, die einen „Verzwergungs-Virus“ in die Pflanze einbringen können. Die Folge sind dann deutlich kleinere Rüben (mit deutlichen geringeren Erlösen für den Landwirt).
Dieser Virus droht noch immer. Also muss der Rübenbauer seinen Acker dreimal im Jahr in der gesamten Fläche mit einem anderen Insektizid behandeln.
„Ich tue etwas, was mir total zuwider läuft“, seufzt Hubertus Velder: „Was uns stört, ist, dass wir in der Fläche etwas bekämpfen müssen, was wir vorher (in der Rüben-Pille) punktgenau hätten lösen können.“ Jetzt, da nicht „selektiv“ gearbeitet werden dürfe, bestehe zudem die Gefahr, das im Umfeld Resistenzen aufgebaut würden.
Weil das Neo-Nicotinoiden-Verbot für die „Rüben-Pille“ nicht wirklich ausgegoren erscheint, haben zwölf Mitgliedsstaaten das EU-Verbot per „Notfall-Verordnung“ außer Kraft gesetzt. Im 100 Kilometer entfernten Belgien zum Beispiel. „Ich kann mir nicht erklären, dass die Natur dort anders sein soll“, kommentiert Hubertus Velder sarkastisch.
Er sei nicht grundsätzlich gegen das Verbot, auf jeden Fall sei er gegen die Ausnahmen: „Wir im Rheinland und auch in Grevenbroich haben das Nachsehen.“
Ein Nachsehen, das in bestimmten Ländern noch durch die „gekoppelte Zahlung“ (350 Euro pro Hektar) vergrößert wird. Klartext von Hubertus Velder: „Gegen schlechte Preise kann ich nichts machen. Die macht der Markt. Aber die politische Seite ist mehr als ärgerlich.“