Aline Becker fotografiert Menschen, Models und „Ghosts“ Mit „starken Fotos“ gegen KI

Gustorf · Fotografin Aline Becker ist stolz darauf, dass sie ihr Handwerk „komplett analog gelernt“ hat. Und das im letzten Jahrgang, in dem das noch möglich war. Danach kam die abrupte Umstellung auf „nur digital“. Die Gustorferin (mit Wurzeln in Laach) jedenfalls hat den „Leuchtkasten“ noch im Keller stehen, denn in Zeiten von KI wird ihr Interesse an „handmade“-Fotos wieder geweckt …

Foto: Aline Becker

Für die 39-Jährige ist das Fotografieren dabei Beruf und Berufung zugleich. Sie gestaltet ihre Bilder hauptsächlich für e-Commerce und Online, aber auch für Set-Karten für Models. Lange Zeit arbeitete Becker übrigens für „Kaufhof“ und „Karstadt“. Inzwischen ist sie als Freelancerin für Werbeagenturen unterwegs.

Das bedeutet, dass sie alles – vom „Moodboard“ (eine Art Entwurfsskizze) über das Location-Scouting bis zum Model-Booking – selber machen muss. Los geht es bei der Modefotografie dann mit den „Ghost“-Bildern: Das Bekleidungsstück, ein T-Shirt zum Beispiel, wird einer Puppe angezogen, perfekt „gezupft“ und festgesteckt, um dann abgelichtet zu werden. Später wird die Puppe wegretuschiert, so dass nur das („gefüllte“) Shirt auf dem Bild verbleibt. Danach werden noch Bilder mit einem Model geschossen, so dass auch ein bewegter Eindruck möglich wird. Beides zusammen soll im Internet den Kauf des T-Shirts schmackhaft machen.

Natürlich werden die Bilder von Aline Becker digital nachbearbeitet: Sollte sich beim „Ghost“ doch noch eine Falte eingeschlichen haben, kann sie nachträglich geglättet werden. Und wie sehr Gesichter „verjüngt“ werden können, ist in zwischen ja allgemein bekannt. Allerdings kostet diese Nacharbeit viel Zeit. Zeit, die durch den Einsatz von KI von mehreren Stunden auf ein paar Minuten reduziert werden kann …

Ein Foto aus der Set-Karte für Anthea Forsen.

Foto: Aline Becker

„Ich finde KI spannend“, betont Aline Becker, „und ich arbeite mit KI. Einfache Dinge kann ich da mit einem Klick entfernen“. Gleichzeitig ist sie aber auch der Überzeugung, dass KI für die Medienwelt fatal sei: „Sie macht Jobs für Models und Fotografen kaputt.“ Die Gustorferin nennt dafür Beispiele: Sie kennt Models, die sich für kleines Geld (eine Session – 1.500 oder 1.800 Euro) im Rahmen einer 360°-Aufnahme haben fotografieren lassen und deren Foto dank KI nun für die unterschiedlichsten Kampagnen genutzt werden kann. „Die haben sich in Spanien auf Werbeplakaten für Produkte gesehen, von denen sie absolut nichts wussten.“ Unwissend und gutmütig den Vertrag nicht richtig gelesen …

Auf der anderen Seite wurde bereits die erste Kampagne nur aufgrund der Ware und mit Hilfe der KI gestaltet. Ein geschulter Fotograf war da überflüssig. „Ich brauche es ja nur einzutippen und die KI macht mir das Bild“, seufzt sie: Der Delfin, der über den Wüstensand springt, ist für die künstliche Intelligenz kein Problem. „… und wenn ich den Fisch im Bild nasser haben will, ist das auch nur ein Klick.“ Klar, dass ihr und ihrer Zunft die neuen Möglichkeiten „ein wenig Angst machen. Sie sind nützlich, ich will aber meinen Job nicht verlieren“, sagt Aline Becker nachdenklich. Ein auch im Netz viel gepostetes Thema …

Hinzukommt, dass gerade dort, im weltweiten Internet, das Urheberrecht der Fotografen nur schwer zu realisieren ist. „Man muss wissen, dass es dort keinen Schutzbereich gibt“, so die Gustorferin. Den einzigen Schutz würden Agenturen bieten. Allerdings: „Immer mehr Model-Agenturen gehen derzeit kaputt“, was viele Models vom Markt fegen und den Blick auf die bekanntesten beschränken würde.

Model Marie Steff.

Foto: Aline Becker/Aline Becker/MakeupArtistin Nora Cerani/Styling Elena Schatz

Angesichts dieser Ungewissheiten reizt Aline Becker wie gesagt wieder mehr die klassische, analoge Fotografie. Die „alten Kameras“ hat sie schon wieder hervorgekramt und auch der Leuchtkasten (und der ganze andere Technikkram) soll wieder aus dem Keller hochgeholt werden. Übrigens: Erst vor ein paar Jahren hatte sie sich von ihren Spiegelreflex-Kameras getrennt und war auf Systemkameras umgestiegen. „… danach aber fehlte mir und den Models das Klicken“, griemelt sie.

Auf der anderen Seite könnten „starke Fotos“ ein Ausweg sein. Fotos also, die bewegen, die im Kopf bleiben. Becker erzählt von einem Grevenbroicher, der seine Lebensgeschichte in einem Fotoband nacherzählt haben wollte. Mit Bildern, die eine schwere Zeit – er war sehr krank, hat den Kontakt zu seiner Familie verloren, sich von der Frau getrennt – darstellen.

Es entstanden Bilder an dem Platz, wo er immer saß und über seine Krebserkrankung grübelte. Vom Krankenhausflur mit dem flackernden Neonlicht, der seine einzige „Auslaufsfläche“ war. Der Aufzug zum OP, der ihn des öfteren ins Ungewisse gefahren hat. Und auch ein Foto im Kreisverkehr am brauen Finanzamt, das den Gedanken-Schwindel-Kreisel perfekt deutlich macht.

Aline Becker ist immer noch spürbar bewegt von dieser Arbeit: „Das Buch hat er dann seiner Ex-Frau geschenkt. Und eines Tages kam der Anruf: Hey, ich bin wieder mit meiner Frau zusammen …“. Diese Art des „Story-Telling“ sei durch nichts zu toppen. Deshalb liebe sie es, „Dinge festzuhalten, die mich bewegen“. Einzige Voraussetzung sei es, dass man es mit Menschen können müsse.

Und das kann sie, denn sie postuliert mit der Bruststimme der Überzeugung: „Eine Stunde mit mir und jeder ist fotogen!“

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