“Toxisches Arbeitsumfeld“ im Gillbach-Rathaus Opposition fordert Mertens´ Rücktritt – der bittet per Video um Verzeihung
Anstel · „Alle kamen von außerhalb und sind auch wieder nach außerhalb gegangen. Mit Franziska Velder hat sich das Thema geändert: Sie war die erste Frau, die aus Rommerskirchen kommt und die hier lebt. Sie hat den Stein ins Rollen gebracht.“ CDU-Vorsitzender Holger Hambloch zeigte heute Vormittag auf, warum Bürgermeister Martin Mertens in dieser Woche erst unter Beschuss und dann in Bedrängnis geraten ist: Es geht um gezieltes Mobbing und um Verletzung des Arbeitszeitgesetzes.
Zusammen mit FDP-Chef Stefan Kunz und „Grünen“ Co-Sprecherin Katharina Janetta – sekundiert von UWG-Chefin Ulrike Sprenger – forderte er in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz den sofortigen Rücktritt von Bürgermeister Martin Mertens (SPD) sowie eine kurzfristige Sondersitzung des Gemeinderates.
„Es ist uns nicht leicht gefallen diesen Schritt zu gehen, aber die jüngsten Entwicklungen haben uns keine andere Wahl gelassen. In den jüngsten Tagen sind mutige Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern des Bürgermeisters in die Öffentlichkeit gelangt, die ein beunruhigendes Bild zeichnen“, führte Hambloch aus.
Und er fügte an: „Diese Berichte sind nicht nur besorgniserregend, sondern stellen auch einen ernsthaften Vorwurf gegenüber dem Führungsstil des derzeitigen Bürgermeisters dar. Aus den Schilderungen ist zu entnehmen, dass es um gezieltes Mobbing und Verletzungen des Arbeitszeitgesetzes geht.“
Los getreten wurde das Ganze durch den Weggang von Wirtschaftsfördererin Franziska Velder. „Wir zollen allen großen Respekt, die sich inzwischen zu Wort gemeldet haben“, betonte in diesem Zusammenhang nicht nur Katharina Janetta.
Und das sind nicht wenige: Hambloch berichtete von elf betroffenen Personen, mit denen er in den vergangenen beiden Wochen gesprochen hat. Kunz verwies auf sechs Personen, die sich ihm gegenüber geöffnet hätten, in der Öffentlichkeit aber noch gar nicht benannt worden seien.
So sprach der FDP-Chef denn auch von einem „Klima der Angst“, das unter Mertens im Rommerskirchener Rathaus herrsche. Markantes Beispiel sei das Schicksal des ehemaligen Rechtsamtsleiter gewesen, dessen Büro – als er beim Bürgermeister in Ungnade gefallen sei – kurzerhand ins Stuhllager verlegt worden sei. Nächtliche Anrufe mit dem Ziel, irgendwas auf den Internetpräsenzen zu ändern, seien an der Tagesordnung gewesen.
„Dann gehen Mitarbeiter krank nach Hause“, fasste Kunz zusammen. Ihm seien mehrere ehemalige Rathausmitarbeiter bekannt, die körperliche und seelische Schäden behalten hätten.
Dass sich das „Personal-Karussell zunehmend schnell gedreht hat“, sei schon des längeren aufgefallen: Wirtschaftsförderung, Klimaschutzbeauftragter (einer nahm nach wenigen Tagen schon wieder Reißaus) und Amtsleiter sind nur einige der Beispiele. Im Personal-Ausschuss habe Mertens dies stets mit der besonderen Situation einer kleinen Gemeinde begründet.
Aber: „Der Personalrat hat auch nicht funktioniert“, führt Katharina Janetta ein, die zugleich betont, dass sie „menschlich von Martin Mertens sehr enttäuscht“ sei. „... und man geht nicht zur Personal-Dezernentin, von der man weiß, dass sie das Lied des Bürgermeisters singt“, fügt Hambloch an.
Wenig anfangen können die drei zudem mit des Bürgermeisters Verweis auf das „System der offenen Tür“: Die werde von keinem wahrgenommen, wenn man wisse, dass entweder nichts passiert oder dass die Beschwerde gegen die vorstellig werdende Person zurückschlage, so Kunz weiter.
Am Rücktritt des Bürgermeisters führt für die drei (CDU, FDP, „Grüne“) und auch für die UWG kein Weg vorbei. Dessen Versprechen, sich zu bessern und eine Ombudsperson einzustellen, hilft ihrer Meinung nach nicht weiter. Sie verweisen auf seine Amtsjahre, in denen er eben nichts geändert habe.
Der Weg erscheint ihnen klar: Ein Fünftel aller Ratsmitglieder kann eine Sondersitzung des Rates beantragen. Die Hürde ist also zu nehmen. Wenn Mertens dann nicht freiwillig zurücktritt (davon ist wohl nicht auszugehen), kann ein Abwahlverfahren eingeleitet werden. Da braucht es dann eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Mit anderen Worten: Dann kommt es auf die SPD-Vertreter im Rat an. „Ich hoffe, dass es bei der SPD in Fraktion und Vorstand anständige Menschen gibt“, so Stefan Kunz. Immerhin trete die SPD doch mit dem Anspruch der Arbeiter-Partei und der Arbeitnehmerrechte an; hier sei nun klare Haltung erforderlich.
Holger Hambloch berichtete, mit SPD-Politikern auf Kreis-Ebene gesprochen zu haben, die deutlich auf Distanz zu Martin Mertens gegangen seien.
Aber auch ein „mea culpa“ war aus dem Mund des CDU-Politikers zu hören: „Ich muss mir vorwerfen, dass ich nicht rechtzeitig rangegangen bin. Das ist umso mehr ein Grund, jetzt aktiv zu werden.“
Wie immer sei das besagte „Klima der Angst“ nur möglich gewesen, weil Rathaus-Mitarbeiter (auch an führender Stelle), die an Lebens- und Dienstjahren reich gewesen seien, nicht aktiv geworden seien, so die drei Politiker. „Die haben sich langzeitig krank schreiben lassen“, betonte lakonisch Ulrike Sprenger.
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In einer Videobotschaft, die Bürgermeister Martin Mertens heute Mittag verbreitete, betont dieser, dass er vieles von dem Rathausgeschehen nach intensivem Nachdenken „kritisch“ sehen würde. Er habe es an „Feingefühl und Augenmaß“ fehlen lassen. Für diesen Fehler bitte er seine „heutigen und früheren Mitarbeitenden um Verzeihung“.
Deshalb wolle er nun eine „neutrale Vertrauensperson“ benennen, die völlig unabhängig gegenüber Rat und Verwaltung über das Arbeitsklima berichten solle. Und er stehe persönlich dafür ein, dass sich solche Vorgänge in Zukunft nicht mehr wiederholen würden.