Mertens Kritik an der „Ampel“: „Man kann keine Politik gegen die Physik machen“
Eckum · „Als es um den Konverter und die Stromleitung von Emden nach Philippsburg ging, hieß es, beides würde gebraucht, damit wir aus dem Atomstrom aussteigen können. Inzwischen sind die Atomkraftwerke abgeschaltet, aber die Leitung steht bis heute nicht. Und sie wird auch in den nächsten Jahren nicht fertig werden.“ Martin Mertens (SPD), Bürgermeister der Gillbach-Gemeinde, hadert einmal mehr mit der Politik der „Bundes-Ampel“, die in seinen Augen zu ideologisch ist: „Unter dem Label Klimaschutz und Nachhaltigkeit geht alles“ – egal, ob sinnvoll oder nicht ...
Der engagierte SPD-Politiker, der sich durchaus vorstellen kann, noch zwei, drei Wahlperioden als Rommerskirchener Bürgermeister zu arbeiten (bei der jüngsten Kommunalwahl holte er 88,4 Prozent), macht seine Sorgen deutlich: „Mit Wind und Solar kann ich Häuser und Dörfer versorgen. Das funktioniert aber nicht mehr, wenn ich große Verbraucher bedienen will.“
Die Probleme würden beginnen, wenn e-Autos ins Spiel kommen, und würden umso größer, je mehr Betriebe und Industrie dazukämen. Gerade letztere bräuchten sicheren und bezahlbaren Strom. Man dürfe sich also nicht wundern, wenn internationale Konzerne aus Deutschland raus gingen. „Es geht dabei um Arbeitsplätze und um Wohlstand“, mahnt er.
Dabei macht Martin Mertens deutlich: „Klimaschutz ist wichtig. Aber man kann nicht einfach alles abschalten, alle anderen nur durch eine einzige Energiequelle (nämlich Wind und Solar) ersetzen.“ Wenn die Grundlast nicht gesichert sei, dann sei die gesamte deutsche Wirtschaft in Gefahr.
Und der Gillbach-Bürgermeister nennt ein Beispiel: Im „Chem-Park“ in Dormagen würden zwei Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs anfallen, damit die Maschinen laufen können. „Das bekommst du nicht mit ein paar Windrädern hin“, so Mertens trocken. Dort würde schon längst über Produktionsverlagerungen innerhalb von Europa und darüber hinaus nachgedacht ...
Und bei dieser Gelegenheit räumt der lokale SPD-Politiker gleich noch mit einem anderen beliebten Argument der Berliner Ampel-Koalitionäre auf: „Ich kann ja verstehen, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz vorangehen soll. Dann aber bitte mit Sinn und Verstand, sodass es dem Land nicht schadet.“ In seinen Augen fehle ein Masterplan.
... und Ehrlichkeit: Denn es heiße offiziell immer noch, dass 2030 die heimischen Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollten, „wenn dies dann ginge. Inoffiziell ist längst von 2032 oder 2035 die Rede“, weiß der Bürgermeister, der dieses Verhalten der Bundespolitik mit Wirtschaftsminister Habeck an der Spitze als „sich in die Tasche lügen“ bezeichnet.
Auch der Plan, in Paffendorf für die Übergangszeit ein Gaskraftwerk zu errichten (Mertens: „Dann wird das Erdgas per Diesel-Tanker von Dakar nach Hamburg geschippert, während man die heimische Kohle in der Erde lässt.“ In seinen Augen auch eine klimapolitische Milchmädchen-Rechnung), findet in seinen Augen überhaupt keine Gnade: Von den Zeitabläufen sei dies bis 2030 nämlich gar nicht mehr zu schaffen.
Den fehlenden Masterplan und andere „Versäumnisse kreide ich der Bundes- und Landesregierung an“, so Mertens im Gespräch mit der Redaktion des Erft-Kurier. In seinen Augen sei die Politik derzeit „bundesweit zu sehr in grünen Ideologien versunken. Die Politik ist derzeit leichtfertig und sagt: das wird schon.“
Mertens vergleicht die bundesdeutsche Energiepolitik mit einem Hausbesitzer, der für den Sommer 2025 eine Fotovoltaik-Anlage fürs Dach bestellt und deshalb schon heute die Stromverbindung zum Liefernetz kappt – in der Hoffnung, es werde schon gut gehen.
Verantwortungsvolle Politik sehe anders aus, so Martin Mertens (der sich übrigens Bundestags-Neuwahlen noch in diesem Jahr vorstellen kann). Und er verweist auf Rainer Thiel, Kreis-SPD-Ikone in Sachen Strukturwandel, der treffend formuliert habe: „Man kann keine Politik gegen die Physik machen.“