„Live-Talk“ des Tierheim Oekoven Für den „sauberen Start ins neue Leben“

Oekoven · Wenn Benjamin Pasternak und Daniel Sprengnöder über Hunde, Hundetraining und vor allem die Resozialisierungsstation für diese Vierbeiner im Tierheim für den Rhein-Kreis sprechen, dann kommen sie aus dem Erzählen gar nicht mehr heraus. Und die Zuhörer sind wegen ihrer Leidenschaft, aber auch wegen ihres Fachwissens wie gebannt. Kein Wunder also, dass ihr „Live-Talk“ zu einem echten Erfolg wurde.

Die beiden ausgezeichneten „Live-Talker“ Benjamin Pasternak und Daniel Sprengnöder (von rechts): Die verhaltensauffälligen Hunde seien zumeist psychisch in einem unendlichen Loch. Das Futter gebe es nur durchs Gitter und an Gassi-Gehen sei nicht zu denken. „Das ist eine Abwärtsspirale: Je mehr der Hund eingesperrt wird, umso aggressiver wird er. Hunde brauchen den Mensch, den Artgenossen und viel Bewegung.“

Foto: KV/Gerhard P. Müller

Diesen „Live-Talk“ führten die beiden – der eine ist Vorsitzender des Tierschutzvereins für den Rhein-Kreis, der andere seit 2005 Hundetrainer und Hundetrainer-Ausbilder – im vergangenen Jahr ein, um trotz Corona mit ihren Förderern, Unterstützern und Paten in Kontakt zu bleiben. Der erste Versuch sei, so geben die beiden zu, technisch gesehen noch etwas holperig gewesen. Da die Resonanz aber gut ausgefallen wäre, habe man den „Live-Talk“ (technisch aufgewertet) fortgesetzt und steuere jetzt auf die zehnte Ausgabe zu.

Immerhin gab es nun auch eine Auszeichnung: Für den „Live-Talk“ gab es den „Goldenen Fressnapf“, eine Ehrung, mit dem das gleichnamige Unternehmen aktiven Tierschutz belohnen will. Seine Kunden konnten Vorschläge einreichen, eine Jury (in diesem Jahr mit Diane Eichhorn und Giovanni Zarrella) traf die Vorauswahl und dann konnte per Netz gevotet werden. Am Ende holte das Oekovener Tierheim den ersten Platz, dotiert mit 2.400 Euro und einem Fressnapf-Pokal.

Das Geld soll in zusätzliche Technik, vor allem aber in die Resozialisierungsstation für verhaltensauffällige Hunde gesteckt werden. Benjamin Pasternak strahlt: „Damit haben wir auch beschlossen, dass unser ,Live-Talk’ kein Corona-Ding mehr ist.“ Mit anderen Worten: Angesichts der überregionalen Aufmerksamkeit wollen die beiden auch nach der Pandemie weiter via Internet miteinander sprechen.

Sabrina Schulte-Maaßen mit Hündin Shila. Die Tierheimleiterin führt mit dem Team rund um Benjamin Pasternak die Resozialisierungsstation für Hunde.

Foto: Tierheim

Apropos Corona: In den vergangenen Monaten sind gemäß der bundesweiten Statistiken rund eine Million Haustiere mehr gekauft worden als in normalen Zeiten. „Wir haben große Sorgen, dass das in den nächsten zwölf bis 24 Monaten auf uns zurückkommt“, seufzt Pasternak. Der spontane Hundekauf erweise sich mitunter als schwierig, wenn das Homeoffice wieder gegen das Büro getauscht werden müsse. Einige Tierheime hätten schon einen Aufnahmestopp verkündet; in Oekoven gibt es allerdings noch Platz.

Und das ist auch gut so, erreichen Daniel Sprengnöder („Cankuna“) doch immer wieder Hilferufe aus der gesamten Republik. So wie jüngst eine Anfrage aus Sachsen, wo die dortigen Kollegen nicht mehr wussten, was sie mit einem Hund mit besonderer Leidensgeschichte machen sollten: Nach drei Jahren an der Kette war er im Mittelraum befreit und in eine Familie gebracht worden, die allerdings mit dem Tier nicht zurechtkam.

Also kam der Hund ins Tierheim. Weil er sich dort aber auch noch als schwierig herausstellte, wurde er ein Jahr in einen Zwinger geparkt, bis man ihn dann nach Oekoven abschob. Das dortige Team hat sich nämlich inzwischen einen Namen mit der Resozialisierungsstation für verhaltensauffällige Hunde gemacht. Die Erfolge sprechen einfach für sich. Das Geheimnis des Erfolges: Das Team tritt jedem Hund offen gegenüber. Sprengnöder: „Es ist ein wahnsinnig schwerer Prozess, den Auslöser für das aggressive Verhalten des Hundes zu finden. In 99,9 Prozent der Fälle kann der Hund nichts dafür.“

Benjamin Pasternak: Der nächste „Live-Talk“ startet am 22. August um 19 Uhr auf der Homepage des Tierschutzvereins.

Foto: NN.

Entweder seien in der Erziehung des Hundes Fehler gemacht worden oder es seien gesundheitliche Gründen. Der Hundetrainer-Ausbilder erinnert sich an einen Vierbeiner, der immer zugebissen hätte, wenn er angeleint worden sei. Am Ende habe sich herausgestellt, dass er eine schmerzhafte Schiefstellung des Unterkiefers gehabt hätte, die speziell beim Anleinen Probleme gemacht hätte, die aber durch Einrenken beseitigt werden konnte.

Daniel Sprengnöder lehnt die „Sitz! Platz! Fuß!“-Erziehung, die er „Bootcamp für Hunde“ nennt, übrigens ab. Er setzt auf Vertrauen zwischen Mensch und Tier. Bei mehreren zehntausend, gerade auch auffälligen Hunden, die er seit 2005 betreut habe, seien nur drei dabei gewesen, wo auch er am Ende die Segel streichen musste.

Genau hier meldet sich aber der Tierschützer: Auch diese Hunde sollten nicht eingeschläfert werden, hätten ihr Recht auf Leben, betont Pasternak. Ein Zwinger, etwas Auslauf und menschliche Ansprache müsse auch diesen Tieren gewährt werden.

Übrigens bekommen die „Problem-Hunde“ alle als erstes einen neuen Namen, einen „sauberen Start in ein neues Leben“. Verbunden mit der angesprochenen Aufmerksamkeit. Ein System, das funktioniert: Der eingangs erwähnte Ex-Ketten-Hund „ist drei Tage nach seiner Ankunft hier mit Maulkorb wie ein Reh über die Wiese getollt“, so Benjamin Pasternak.