So geht Strukturwandel: Batterien, Rübenmäuse, vielleicht auch Wein
Nicht nur Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens ist in Sachen Strukturwandel hoch engagiert unterwegs. Auch in Rommerskirchen geht es spürbar voran. „Wir gehören im ,Rheinischen Revier‘ klar mit zur Führungsgruppe“, stellt der dortige Bürgermeister im Gespräch mit dem Erft-Kurier im Brustton der Überzeugung fest.
Grevenbroich ist da eher irgendwo am hinteren Ende der „Verfolgergruppe“ zu vermuten.
Eckum. Dreh- und Angelpunkt ist für Martin Mertens dabei die Infrastruktur. Rommerskirchen habe in den vergangenen Jahren schon von guten Verkehrsanbindungen nach Köln (B 59 n und Bahnlinie) profitiert. Mit dem jetzt beschlossenen S-Bahn-Ausbau werde sich dies – auch in die anderen Richtungen – noch verbessern. Und ohne den Strukturwandel würde es das Geld für diesen Ausbau nicht geben.
Stolz ist Bürgermeister Mertens auf den Plan vom „Kraftwerkspark Nord-Revier“, der mit Landes-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart abgestimmt sei. „Pinkwart und das Land stehen hinter dem Plan. Wir haben den ersten Stern sicher“, freut sich der Rathaus-Chef von der Gillbach. Besagte „Sterne“ sind die entscheidenden Schritte, um an die Fördergelder des Bundes zu kommen.
Der „Kraftwerkspark“ soll auf den 20 Hektar der Kraftwerks-Erweiterungsfläche auf Rommerskirchener Boden entstehen. Als eine mögliche Ansiedlung wurde eine Batteriezellen-Produktion bereits diskutiert (Erft-Kurier berichtete). Ein internationales Konsortium, mit Unterstützung von Chemie-Nobelpreisträgers M. Stanley Whittingham, möchte eine „Batterie der Zukunft“ (kobaltfrei und mit weniger seltenen Erden) entwickeln und produzieren.
Ein anderer Ansatzpunkt seien Leichtbauteile für Fahrzeuge. Die zunehmende e-Mobilität und der Wunsch, Kraftstoff zu sparen, sorgen hier für Bedarf. Die Nähe zur Aluminium-Industrie könnte eine solche Ansiedlung befruchten.
„Wir haben in Deutschland viele kluge Köpfe, die einen Schritt voraus sind. Sie müssen aber von der Politik unterstützt werden, weil es viele bürokratische Hürden gibt“, betont Mertens. Schon allein der Versuch, Fördermittel der EU zu bekommen, würde einen Wust von Auflagen auslösen. Einen Wust, den mittelständische Unternehmen oftmals nicht bewältigen könnten. „Kluge, innovative Menschen wollen wir in den Kraftwerkspark holen und ihnen sagen: Fangt doch hier an“, betont Rokis Bürgermeister. Und er schiebt nach: „Das ist kein Traum. Das ist im Bereich des Möglichen. Wir arbeiten daran.“
Die 20 Hektar seien in der Landesplanung schon vom Kraftwerksgelände in Industriegebiet umgewandelt. Sie seien erschlossen. Und dort würde es nur wenig Restriktionen geben. „Da könnte in zwei, drei Jahren gebaut werden. Ob es die Batterien oder die Leichtbauteile werden, wird sich spätestens 2021 zeigen“, betont Martin Mertens. Wichtig sei, dass die Ansiedlungen möglichst umweltfreundlich seien und am Ende Arbeitsplätze schaffen würden.
Der nächste Schritt hin zum Kraftwerkspark sei der Besitzerwechsel, wobei noch offen sei, ob das Land das Gelände vom RWE übernimmt oder ob das RWE direkt an die späteren Nutzer verkaufe. Und es muss natürlich ein Bebauungsplan erstellt werden. „In Rommerskirchen schaffen wir das innerhalb eines Jahres“, ist sich Mertens sicher.
Und dann gibt es noch einen Seitenhieb vom Rathaus-Chef: „Machbarkeitsstudien, Wanderwege und Seen – das ist alles gut und schön. Aber wir müssen vor allem Arbeitsplätze schaffen.“ Deshalb betreibt er als weiteres Projekt den „Agribusiness-Park“. „Rommerskirchen war schon immer die Kornkammer Kölns“, schwärmt Mertens. „Das heutige Agribusiness ist eine hochtechnisierte Branche. Wenn wir die regionale Versorgung der Menschen sicherstellen wollen, müssen wir unsere Kompetenz in diesem Sektor stärken, müssen wir Forschung und Entwicklung hierher bringen.“
Die Gemeinde habe auch den „Agribusiness-Park“ zur Förderung angemeldet. „Dieses Themenfeld kommt in der Strukturwandel-Debatte zu kurz“, so Mertens, der an die Entwicklung modernster Ernte- und Verpackungsmaschinen denkt. Beim RWE würden elektronisch und technisch bestens geschulte Mitarbeiter frei werden. Es gebe mehrere Universitäten in der Nachbarschaft. „Warum sollen wir nicht die Sämaschine, den Mähdrescher oder die ,Rübenmaus’ der Zukunft entwickeln?“, fragt Martin Mertens. Gerade auch der Öko-Landbau sei auf hoch technisierte Maschinen angewiesen. „Da können wir als Rommerskirchener richtig was rausholen.“
Der Klimawandel werde im Bereich „Agribusiness-Park“ ein Übriges tun, um neue Möglichkeiten zu eröffnen. Mertens selbst produziert ja seit einiger Zeit bereits im eigenen Garten seinen „Bürgermeister-Wein“. Und er ist nicht der einzige am Gillbach, der Wein (zum eigenen Gebrauch) macht. Sogar ein Landwirt habe schon Interesse angemeldet. „Ich sehe schon die Vollrather Höhe mit Wein besetzt“, lacht er fröhlich, wobei er dies natürlich humorvoll meint. Ernsthaft schiebt er aber nach: „Rommerskirchen hat in vielerlei Hinsicht strategische Vorteile.“
Gerhard Müller