Unterschriften und Ratsstimmen gegen Landstraße vor der Autobahn Egal, ob Unterführung oder Überführung – Hauptsache hinter der A 46

Hochneukirch · Hitzig war es bei der Bürgerversammlung nicht nur wegen der Diskussion zur Planung der "L 354 n", sondern auch weil mehr Einwohner Hochneukirchs das Thomas-Morus-Haus aufsuchten, als von den Organisatoren erwartet.

Frank Wynands (rechts) von der Interessengemeinschaft „L 354 n“ überreicht Bürgermeister Harald Zillikens eine Unterschriftenliste mit über 1.000 Unterschriften, gegen eine Landstraße vor der Autobahn.

Foto: Fotos: Alina Gries

Ein Teil musste sogar im Vorraum verharren. "Nächstes Mal werden wir eine größere Halle anmieten", versprach daher auch Moderator Frank Wynands. Das wird, nach Hoffnung der Bürgerinitiative, aber nicht mehr nötig sein. Grund der Versammlung war, dass die Interessengemeinschaft zur "L 354 n" einen Weg finden will den Bürgern, die von der neuen Trassenführung betroffen sein könnten, zu helfen.

Eigentlich ist die Sachlage klar. Die Einwohner der Holzer Straße, der Birkenallee und der übrigen anliegenden Straßen, die von einer möglichen neuen Landstraße vor der Autobahn betroffen sein könnten, wollen das Hackhausen durch eine Umgehungsstraße entlastet wird. Diese soll aber Hochneukirch nicht belasten und deswegen wird auch eine Landstraße, die hinter der Autobahn entlang verläuft, befürwortet.

Zur Erinnerung: RWE ist dazu verpflichtet, Straßen, die dem Tagebau zum Opfer gefallen sind, wiederherzustellen. Weil die Politik in Jüchen eine Landstraße gleichzeitig auch als Umgehungsstraße für Hackhausen nutzen will, ist eine Anbindung an Hochneukirch angedacht. Dabei wurden in der Vergangenheit mehrere mögliche Lösungen aufgezeigt, die in einer Umweltverträglichkeitsstudie intensiv untersucht wurden. Danach ist eine neue Landstraße vor der Autobahn, im Vergleich zur Lage hinter der Autobahn, die umweltverträglichere Variante.

Unberücksichtigt bleibt dabei, dass diese Trassenführung in unmittelbarer Nähe vieler Wohnhäuser erfolgt. Um den Sorgen der Hochneukircher Ausdruck zu verleihen, hat die Interessengemeinschaft "L 354 n" bis zum heutigen Zeitpunkt über 1.000 Unterschriften gegen eine Trassenführung vor der Autobahn gesammelt. Weil bei den Planungen bisher noch keine Bürgerbeteiligung stattgefunden hat, hat die Interessengemeinschaft nun bei einer Bürgerversammlung die Unterschriftenliste an den Bürgermeister übergeben.

Zur Versammlung: Allgemein ist die Stimmung eher angespannt, auch weil Bürgermeister Harald Zillikens zu Beginn der Versammlung nicht dabei ist. Dabei setzte sich der erste Bürger von Jüchen derweil für die Tagebaufolge(n)landschaft Garzweiler ein. Eine Pflichtveranstaltung, die er nicht versäumen könne. Dennoch verspricht er, vorbeizuschauen. Bis dahin sollen die übrigen Fraktionen Stellung zur Thematik beziehen. Und sowohl Konrad Thelen von der FDP als auch die übrigen Fraktionsmitglieder der SPD und CDU sprachen sich für eine Überprüfung der "L 354 n" hinter der Autobahn aus.

Eine deutliche Überraschung für Einwohner und auch für FWG-Fraktionsvorsitzender Gerolf Hommel: "Ich freue mich, dass sich die übrigen Fraktionen eine andere Meinung gebildet haben. Damit habe ich nicht gerechnet. Dann kann ich mir die Ausführungen, die ich vorbereitet habe ja sparen." Seit elf Jahren wehrt sich die FWG gegen den Neubau der "L 354 n" vor der Autobahn. "Ich bin verwundert, dass alle plötzlich für eine Verlegung hinter der Autobahn sind", gibt er dabei offen zu.

Auch ein Bürger hakt noch einmal bei den Schilderungen von Ralf Kremers von der CDU nach: "Wir reden aber von der Führung hinter der Autobahn von hier aus gesehen." Beifall. Der erwidert im späteren Verlauf: "Ich bin es leid, dass Kreis, Land und Bund uns etwas aufdrücken, was wir vor Ort verhandeln müssen. Das erklärt meinen Sinneswandel."

FDP-Fraktionsvorsitzender Thelen wirft derweil ein, dass eine Überführung der Autobahn mit einem Bauwerk von bis zu 30 Metern keine Alternative wäre und im Lärmschutzgutachten sicher keine Beachtung finde, eine Unterführung in Höhe der Holzer Straße jedoch eine mögliche Lösung darstelle. Eine Idee, die ursprünglich schon einmal von der SPD aufgegriffen wurde. "Damals wurden wir von ,Straßen.NRW' jedoch darauf hingewiesen, dass eine Unterführung nicht möglich sei. Für einen solchen Bau müsste demzufolge die Autobahn gesperrt werden. Durch den Wegfall der A 61 ist das verkehrstechnisch aber nicht möglich. Wenn die FDP aber nun dasselbe fordert, haben wir auch wieder Mut", so Witting.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende hat sich vor allem in diesem Jahr intensiv mit der Thematik auseinander gesetzt und die mehr als 100-seitige Umweltverträglichkeitsstudie durchgearbeitet. Daher appelliert er auch mit allen Beteiligten eine optimale Lösung zu finden und eine Bürgerbeteiligung nicht erst beim Planfeststellungsverfahren zuzulassen.

Auf Nachfrage einer Bürgerin, weshalb die Trassenführung vor der Autobahn umweltverträglicher sei, als hinter der Autobahn, beantwortet der Aldenhovener daher selbstsicher: "Durch das Brückenbauwerk wird das Landschaftsbild beeinträchtigt, da die Brücke weithin zu sehen sein wird. Außerdem wird ein Brückenbauwerk den Lärm weiter in den Ortsteil Hochneukirch hineintragen, da die Landstraße auf der Brücke aber auch auf den zur Brücke führenden Dammlagen dann höher verlaufen wird."

Keine wirklich zufriedenstellende Antwort für die Einwohner, die künftig vielleicht wenige Meter von ihrem Eigenheim entfernt eine Landstraße vor der Nase haben werden. Bürgermeister Zillikens zählt dabei erneut die Problematik auf, die sich der Gemeinde in der Entscheidungsfindung stelle: "RWE hat sich gegenüber dem Land verpflichtet, nicht aber der Gemeinde. Es ist toll, dass die sich daher dazu bereit erklären, die Straßen für unsere Gemeinde wiederherzustellen. Der Gemeinderat hat dabei nur beschlossen, dass die Straße wiederhergestellt werden muss. Nicht aber den genauen Verlauf diskutiert."

Ziel sei hierbei noch einmal, dass Hackhausen entlastet werde. Die Ortschaft sei in der Gemeinde am meisten belastet, danach folge die B 59 in Jüchen. "RWE verpflichtet sich eine Straße wiederherzustellen, wie sie gewesen ist, das heißt aber auch ohne Radweg und ohne Unterquerung", fasst Zillikens noch einmal zusammen. FWG-Chef Hommel wehrt sich im Nachgang gegen die Aussage, RWE und "Straßen.NRW" seien beim Bau der Landstraße die Entscheider: "Damit kann ich mich nicht anfreunden. Vielmehr hat der Gemeinderat die Entscheidungsgewalt, denn er kann die Planungen jederzeit beenden."

Die Variante der Trassenführung "L 354 n" hinter der Autobahn ist nach der Versammlung aber immer noch nicht vom Tisch. Daher appellierte Moderator Frank Wynands zum Ende der Versammlung noch einmal an die anwesenden Politiker im Interesse der Bürger zu handeln.

Alina Gries

(Kurier-Verlag)