„Korridor für neue Mobilität“ Autobahn bei Jüchen ist Testfeld
Jüchen · Aufmerksame Verkehrsteilnehmer werden in den vergangenen Wochen auf der A44 im Autobahndreieck Jackerath ungewöhnliche Bautätigkeiten festgestellt haben. In Fahrtrichtung Autobahnkreuz Holz sind auf einer Strecke von rund einem Kilometer in Zusammenarbeit mit der Autobahn GmbH elf Masten für das Projekt ACCorD (AC für Aachen, Cor für Korridor, D für Düsseldorf) aufgestellt worden.
In dem „Korridor für neue Mobilität“ erheben die Wissenschaftler der Institute für Kraftfahrzeuge (Ika) und für Straßenwesen (Isac) der Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen hier anonyme Verkehrsdaten. Ziel der Erhebung ist eine Datengrundlage für die Entwicklung und Absicherung automatisierter Fahrfunktionen. Am Ende soll auch die Autobahn GmbH davon profitieren, um Verkehrsströme besser lenken zu können.
„Wir sind froh, endlich auch dieses Testfeld in Gebrauch nehmen zu können“, sagt Projektleiter Laurent Klöker vom Ika. Denn die Corona-Pandemie und Lieferengpässe haben das ganze Projekt, welches vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert wird, arg verschoben. Das Projektvolumen beträgt 11,11 Millionen Euro, davon kommen 9,57 Millionen Euro aus öffentlicher Förderung. Die Auswahl der drei Standorte sorgt dafür, dass die Daten die verschiedensten Aspekte des Verkehrs im ländlichen Raum, auf der Autobahn, sowie im städtischen Verkehr abbilden.
„Der Abschnitt auf der A44 ist perfekt: Wir haben zwei Auffahrten von der A61, und die Dreispurigkeit ermöglicht viele Spurwechsel und Überholmanöver. Es ist also viel los. Eine schnurgerade Strecke ohne Auffahrten würde uns dagegen weniger bringen“, so Klöker. Dass auch die Autobahn GmbH von den Daten profitieren wird, liegt auf der Hand. „Diese Informationen werden in Zukunft auch für uns relevant sein“, ist sich Jens Ansorge von der Verkehrszentrale Leverkusen sicher. Er und seine Kollegen bedienen die zahlreichen elektronischen Anlagen entlang der Autobahnen, mit denen der Verkehr gesteuert wird. „In Zukunft“ ist dabei ein treffendes Wort, denn auf der fünfstufigen Skala zum autonomen Fahrzeug bewege man sich aktuell auf zwei oder drei, mit eben noch viel Luft nach oben.
Die erhobenen, anonymen Verkehrsdaten werden in zwei verschiedenen Anwendungsgebieten genutzt. Einerseits werden diese Daten in einer zentralen Datenbank abgelegt, um rückwirkend beispielsweise das Verhalten von Verkehrsteilnehmenden und deren Interaktionen untereinander zu analysieren und daraus Erkenntnisse für zukünftige automatisierte Fahrfunktionen abzuleiten. Wann wird zum Beispiel gebremst, wie lange dauert eine Auffahrt auf die Autobahn und wie groß ist der Abstand zum anderen Auto. Diese grundlegenden Daten gibt es aktuell noch nicht, sie bilden nun die Basis für weitere Schritte.
„Wir messen am Tag und in der Nacht, bei gutem und schlechtem Wetter. Auch das fließt mit in die Datensätze ein“, schildert Dirk Kemper vom Isac. Andererseits können vernetzte und automatisierte Versuchsfahrzeuge die Daten auf den Testfeldern in Echtzeit über WLAN oder Mobilfunk empfangen, um vorausschauend handeln zu können. So erhalten Fahrzeuge bereits Informationen über die vorausliegende Strecke, bevor sie diese mit ihrer eigenen Sensorik „sehen“ können.
Jede Messeinrichtung ist mit Kamerasensoren und Laserscannern ausgerüstet, deren Rohdaten direkt in Echtzeit ausgewertet und deshalb gar nicht gespeichert werden. Das Ergebnis der Auswertung ist ein digitaler Zwilling des Verkehrs. Dazu übermitteln die Messstationen anonyme Objektdaten an einen zentralen Rechner, der diese zu einem Gesamtbild fusioniert. Es herrscht daher zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf personenbeziehbare Daten, da weder Bilder noch Kennzeichen aufgezeichnet oder gespeichert werden. -tkj.