Ein Gastbeitrag von Pfarrer Ulrich Clancett Wie Weihnachten und Ostern an einem Tag
Jüchen · In einem Gastbeitrag wendet sich der katholische Pfarrer Ulrich Clancett an die Leser des Top-Kuriers.
Es gibt Situationen, da spricht man davon, dass „Ostern und Weihnachten zusammenfallen“. Voller Glück möchte man seine Begeisterung einfach herausrufen – wildfremde Menschen umarmen und durch das Dorf tanzen. Gibt es nicht, sagen Sie? – Doch – gibt es!
Vor gut 14 Tagen haben die Franzosen, die Pariser zumal, genau so etwas erlebt. Und sie feiern das ausgiebig – die ganze Welt ist zu Gast. Pünktlich zum Weihnachtsfest gab es die Auferstehung, das Osterfest, der Kathedrale Nôtre Dame im Herzen der französischen Hauptstadt. Und was für eine Auferstehung nach der Brandkatastrophe vom 15. April 2019!
In allen Details war das Zusammenfallen der beiden christlichen Hauptfeste augenscheinlich und handgreiflich: Aus dem trüben Vor-Weihnachtswetter draußen betritt man mit Nôtre Dame einen schier unglaublichen Raum: Hell, strahlend, fröhlich und doch mit einer großen Würde. Aber nicht mit pseudo-feierlicher Steifigkeit – das Strahlen der vom Ruß und Schmutz des Brandes und der Jahrhunderte befreiten Kathedrale animiert geradezu zum Leben – zum Durchatmen. Nach nur fünf Jahren ist den Franzosen etwas schier Unglaubliches geglückt. Und manchmal beschleicht mich die Frage: Wie wäre das wohl bei uns gelaufen?
Nun haben Staat und Kirche in Frankreich ein ganz besonderes Verhältnis zueinander. Seit 1905 gehen beide vollkommen getrennte Wege. Und doch geht die eine nicht ohne die andere Institution – wie das Beispiel Nôtre Dame zeigt. Denn für die Kirchengebäude ist der französische Staat verantwortlich; für alles, was darin stattfindet, die Kirche.
Was die Franzosen an diesem Dezember-Wochenende abgeliefert haben, war ein eindrucksvolles Zeugnis von „Weihnachten und Ostern fallen auf einen Tag“. Der wunderbare Bau, internationale Gäste und Handwerker, begeisternde Gottesdienstfeiern, traumhaft schöne Musik, die die Menschen immer wieder wie selbstverständlich mitnimmt – einfach alles, was keine Hürden aufbaut, sondern Ausdruck eines grenzenlosen, herzlichen Willkommens ist.
Der Erzbischof von Paris, Laurent Ulrich, fasste das in seiner eindrucksvollen Ansprache zusammen: „…denn es sind nicht nur die Fürsten, die Führer, die Würdenträger, die ihren Platz in der Kirche haben; wir wollen, dass diejenigen hineinkommen können, die sich normalerweise nicht würdig fühlen.
So viele Männer und Frauen glauben nicht, dass sie eingeladen werden, eine Kirche zu betreten, weil sie glauben, dass die Kirche für diejenigen reserviert ist, die sie schon immer besucht haben, für diejenigen, die die dort respektierten Codes kennen, für diejenigen, die singen können, für diejenigen, die ihre Opfergabe geben können, für diejenigen, die in der rechten moralischen Linie sind, für diejenigen, die Beziehungen haben! (…)
Und das bedeutet, dass die Tür für alle offen ist, auch wenn er auf der Durchreise ist, wenn er ein Fremder ist, wenn er kein Stammgast ist; hier kann er natürlich in seinem Zustand bleiben, nicht ein Gläubiger Christi werden und als Besucher bleiben, der an diesem Ort Schönheit, Verzückung, Sammlung, inneren Frieden und das Gefühl einer wohltuenden, beruhigenden Gegenwart findet. Aber auch Christus wird ihm die Tür seines Herzens öffnen.“
In diesem Sinne: Ein gesegnetes Weihnachtsfest, Gottes Segen gegen die Sperren, die wir oft genug um uns herum aufbauen, auch für das so wichtige, kommende Jahr 2025.
Ihr
Pfarrer Ulrich Clancett