Erinnerung an Gemeinde "Es war so laut, als der Wasserturm gesprengt wurde"

Jüchen · "Zwei-, sogar dreimal ertönte eine Hupe, dann sind wir in Deckung gegangen", erzählt Heinz Ritz. Den lauten Knall hat er noch genau im Kopf. Dann war von dem Wasserturm, der einst neben seinem heutigen Haus stand, nichts mehr übrig.

Heinz Ritz erinnert sich gerne an die ehemalige Gemeinde zurück und bewahrt jeden einzelnen Schnipsel fein säuberlich.

Foto: Alina Gries

Lediglich ein paar Zeitungsartikel, die der 78-Jährige gesammelt hat, erinnern noch an das einst 32 Meter hohe Gebäude. Fünf Kilogramm Sprengstoff in 40 Bohrlöchern brachten den ehemaligen Wasserturm zu Fall. Er wurde 1907 bei der Errichtung des Wasserwerks Jüchen gebaut und hatte bis zum Jahre 1964 seine Aufgabe zweckmäßig erfüllt. Lediglich eine starke Beschädigung durch einen Artillerietreffer Kriegsende setzte den Wasserturm einige Monate außer Betrieb. Als dann die Wasserversorgung für Jüchen vom Kreiswasserwerk Fürth übernommen wurde, war der alte Wasserturm als Druck- und Reservebehälter nicht mehr nötig.

Direkt daneben thronte die Mühle, die Anfang des 15. Jahrhunderts unter dem Jülicher Herzog Reinald errichtet wurde. "Am Mühlenberg haben wir Kinder uns dann immer getroffen und gerade im Winter haben wir unsere Schlitten hintereinander geschnallt, im sogenannten Bummelzug, und sind mit Karacho den Berg herunter gefahren", lächelt Ritz. Früh fing der Jüchener an, alles Mögliche über die Jüchener Mühlen zu sammeln und fein säuberlich zu sortieren. So wurde seiner eigens angefertigten Zeittafel zufolge fast 300 Jahre nach dem Bau die Mühle durch einen gewaltigen Sturm umgeweht.

In den 30ern kam sie dann in die Obhut eines Gärtnereimeisters. Während des Krieges wird sie dann als Flakleitstand benutzt. Hierfür wurden Haube und Flügelreste abgenommen und durch ein Flachdach ersetzt. Nach dem Krieg war der Mühlenturm wieder Wohnung und dann bis 1981 Zahnarztpraxis.

Eifrig kramt Ritz weitere Ordner hervor

Heute sind zwei Wohnungen eingerichtet worden. So nah wie früher gelangt man nicht mehr an die Mühle heran, ein Zaun trennt sie von neugierigen Blicken. Dennoch thront sie auch weiterhin als Wahrzeichen von Jüchen über der Autobahn empor.

Doch nicht nur Artikel und Fotos des Wasserturms oder der Mühle schmücken die Bücherregale des 78-Jährigen. Eifrig kramt Ritz weitere Ordner hervor.

Auch alte Fotos über die damalige Kirche, das Krankenhaus, Kloster oder anderen Gebäuden in Jüchen hat er organisiert beiseite gelegt. "Im alten katholischen Herz-Jesu-Krankenhaus bin ich geboren worden. Das lag damals in Richtung Bahnhof, direkt daneben gab es ein Kloster. Es war eher ein Dorfkrankenhaus und hatte nicht mal einen Aufzug. Wenn jemand operiert wurde, wurde er dann einfach in ein Tuch gewickelt und durch die Gegend getragen", überlegt Ritz und blättert weiter in seinen Sammlerstücken, eher er eine alte Postkarte heraussucht. "Die hier zeigt die Jakobuskirche vor 1913, als sie noch zwei Schiffe und einen Turm hatte, erst danach wurde sie verlängert", weiß der Sammler, "oder der Marktplatz, der sah früher auch ganz anders aus. In der Mitte sprudelte ein Brunnen und der Platz war umringt von einer Allee aus Bäumen. In dem Eckhaus an der Alleestraße befand sich früher die kaiserliche Post und gegenüber hat es irgendwo einmal ein Hotel gegeben. Dazu habe ich versucht zu recherchieren, aber nie nähere Infos bekommen."

Ab 16 Grad war Badetag

Eine Besonderheit in seiner Sammlung: Das Fest-Buch des TV Jüchen zum 48. Gau-Turnfest 1921. "Der Anzeigenteil ist spannend", dabei strahlen seine Augen, "Busch, Emil Quack und viele weitere sind hier noch mit ihrer Werbung zu sehen. Es hat sogar einmal ein Bad-Hotel an der Kölner Straße gegeben. Da musste man Geld zum Baden bezahlen."

Das hat Heinz Ritz allerdings nicht mehr mitbekommen. "Wir sind immer im Schwimmbad gewesen", berichtet er weiter, "ab 16 Grad war Badetag." Ein Erlebnis für die Jüchener Bürger.

Ritz lebt heute im Haus, gebaut auf dem ehemaligen Gartengrundstück seiner Großeltern, an der Kasterstraße . Dieses Grundstück haben meine Großeltern vom letzten Müller 1919 gekauft. Früher war es noch die Mühlenstraße, ehe sie in die Kasterstraße umbenannt wurde. Ich glaube, weil das Recht zum Mahlen von Kaster kam", so Ritz abschließend.

Seine Kindheit hat er im Haus seiner Großeltern auf der Gartenstraße, heute Auf der Löh, verbracht. Diese Lage war in Sichtweite der Mühle.

(Kurier-Verlag)