Aktions- und Gedenktag „Seid mutig und stark. Sagt Nein!“
Am 25. November ist der Aktions- und Gedenktag „NEIN zu Gewalt an Frauen!“. Ins Leben gerufen von der Organisation „Terre des femmes“ zielt der Tag darauf ab, Frauen zu stärken. Dazu wird die entsprechende Aktions-Flagge in der kommenden Woche am Rathaus wehen.
Gleichstellungsbeauftragte Ursula Schmitz würde sich zwar wünschen, mehr Aktionen bieten zu können, doch Corona macht mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Dennoch ist der 25. November Grund für den Top-Kurier, einmal mit der Gleichstellungsbeauftragten ins Gespräch über Frauen zu kommen.
Ist Gleichstellung eigentlich ein veralteter Begriff? Ich frage mich, ob wir gerade schon weiter sein müssten. Ob Frauen die Gleichstellung noch nötig haben. Oder kommen auch Männer zu Ihnen, die sich nicht gleichgestellt fühlen?
Das ist in der Tat so. Auch Männer kommen schon mal zu uns, wenn sie mehr Gleichberechtigung fordern. Aber Frauen sind dann doch noch in der Überzahl. Ich muss sagen, dass wir im öffentlichen Dienst das Problem nicht so haben. Wir achten darauf, dass Frauen gleichberechtigt sind, gleiche Bezahlung bekommen, bei gleicher Qualifikation auf keinen Fall benachteiligt werden. In der freien Wirtschaft ist das aber noch ganz anders. Da gibt es die Ungleichbehandlung zu Lasten der Frauen leider noch viel zu oft.
Lassen wir Frauen uns denn noch immer viel zu schnell in Rollen drängen?
Das glaube ich schon. Frauen bekommen alles unter einen Hut. Aber die Zeit für sich kommt oft zu kurz. Da muss in manchen Familien dafür gekämpft werden, dass die Frau sich mal Zeit für den Sport nehmen kann.
Das sind aber gar nicht unbedingt die Männer, die das verlangen, oder? Manchmal ist im eigenen Kopf noch dieses Gefühl, alles hinkriegen zu müssen.
Absolut! Bei den Männern ist ganz viel passiert was die Familien angeht. Für viele ist es selbstverständlich, dass Aufgaben verteilt werden. Viele Väter nehmen Elternzeit, das ist super. Als ich klein war, war es normal, dass die Mutter mit den Kindern an Sankt Martin durch den Ort gezogen ist. Heute ist es selbstverständlich, dass die Väter mit dabei sind. Und dennoch gibt es viele Frauen, die sich für vieles verantwortlich fühlen und sich selbst zurückstellen.
Kommen wir zu einem ernsten Thema. Gewalt an Frauen. Bei Ihnen melden sich Frauen, die unterschiedliche Art von Gewalt erleben.
Das ist richtig. Ich habe keine psychologische Ausbildung, aber ich vermittle an die richtigen Stellen wie die Frauenberatungsstelle ,Frauen helfen Frauen’ in Neuss. Und ich bin in erster Instanz dann auch mal jemand, der ein offenes Ohr hat und ermutigen kann, mit den Experten ins Gespräch zu kommen. Es ist oft einfacher, mit jemand Fremdem, Neutralem zu sprechen.
Mit welchen Themen kommen die Frauen zu Ihnen?
Das ist unterschiedlich. Es kann natürlich physische Gewalt bis zur Vergewaltigung in der Beziehung sein, aber auch psychische Gewalt. Dauernde Kontrolle zum Beispiel.
Die Corona-Pandemie ist eine Herausforderung für viele Familien. Haben sich die Anfragen gehäuft?
Da muss ich leider ,Ja’ sagen und das hat auch die Frauenberatungsstelle bestätigt. Wir in Jüchen sind ja noch recht weit unten mit den Zahlen. Wenn ich da zum Beispiel nach Neuss blicke... Da wird einem ganz anders. Aber auch, wenn wir niedrige Zahlen haben: Jeder einzelne Fall von Gewalt ist zu viel! Und Corona hat das Problem eher verstärkt: Arbeitslosigkeit, Homeschooling, kein Sport, kein Ausgleich, Existenzängste – und das alles auf engstem Raum. Da kochen bei manchen Menschen leider die Emotionen und oft die Aggressionen hoch.
Was raten Sie, wenn es zum Schlimmsten kommt?
Hilfe holen, darüber sprechen ist schon mal der erste wichtige Schritt. Der erfordert Mut – aber er hilft. Und allen, die etwas mitbekommen, rate ich: Schaut nicht weg! Seid da, helft! Niemand sollte die Augen verschließen.
Sie setzen den Fokus aber auch ganz klar auf Prävention!
Ohne Corona noch viel mehr, da können wir natürlich noch mehr rausgehen, mit Menschen ins Gespräch kommen. Wir müssen junge Mädchen schon von Anfang an bestärken, dass Nein Nein heißt. Das darf keine Frage mehr sein. Frauen dürfen selbst bestimmt, unabhängig, frei leben und entscheiden.
Sie haben mit vielen unterschiedlichen Frauen zu tun. Was macht in Ihren Augen das weibliche Geschlecht aus?
Frauen beißen sich durch, bleiben am Ball, wenn etwas nicht sofort klappt. Sie managen die Familie und den Beruf – das erfordert Stärke und Kraft.
Und Ihr Appell an alle Jüchener Frauen?
Traut Euch mehr zu – auch beruflich. Habt den Mut, das zu schaffen, was Ihr Euch wünscht!
Das Interview von Frau zu
Frau führte Redakteurin Julia Schäfer.
Die Gleichstellungsbeauftragte Ursula Schmitz und ihre Kollegin Andrea Schiffer sind unter 02165/915-5005, -6002 oder gleichstellung@juechen.de erreichbar.