Tod eines Jungen: „Kein Hinweis auf Kindeswohlgefährdung“ in den Akten des Jugendamtes
„Wir können ja nicht bei jeder Familie einziehen“, seufzt die Leiterin des Grevenbroicher Jugendamtes. Und sie berichtet, dass alle ihre Mitarbeiter unter Schock stehen: Bei all den „heißen und heiß-heißen Fällen“ wäre es hier in einer Familie zur Katastrophe gekommen, die keinerlei Anzeichen dafür erbracht habe ...
Wevelinghoven. Am Dienstag rief eine 27-jährige Frau aus Wevelinghoven Rettungskräfte zu Hilfe und gab an, ihr fast zweijähriges Kind leblos in seinem Bett aufgefunden zu haben. Der Notarzt konnte nichts mehr tun und stellte noch in der Wohnung den Tod des kleinen Jungen fest.
Erste Erkenntnisse der Polizei vor Ort und eine noch am gleichen Tag erfolgte Obduktion erhärteten den Verdacht, dass es sich um eine nicht natürliche Todesursache gehandelt haben könnte. Deswegen wurde eine Mordkommission, unter Leitung des Polizeipräsidiums Düsseldorf, eingerichtet.
Gegen die Mutter des Kindes besteht derzeit der dringende Tatverdacht des Totschlags durch Unterlassen in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen.
Die 27-Jährige wurde noch am selben Tag vorläufig festgenommen. Auch ihr Lebensgefährte wurde am Dienstag in Gewahrsam genommen, kurz darauf aber wegen mangelnden Tatverdachts wieder freigelassen.
„Beide sind bis jetzt nicht polizeilich in Erscheinung getreten“, sagt Polizeisprecherin Daniela Dässel.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach wurde die unter Tatverdacht stehende 27-jährige Mutter, die noch ein weiteres Kind hat, am Mittwochnachmittag einem Haftrichter vorgeführt, der Untersuchungshaft anordnete.
Dem Jugendamt der Stadt war die Familie seit Mai 2017 bekannt. Damals war sie aus einer anderen Stadt nach Grevenbroich gezogen. Jugendamtsleiterin Birgit Schikora berichtete im Rahmen einer Pressekonferenz am Abend des Gründonnerstags von einem intensiven „Austausch mit dem Jugendamt, dass die Familie abgab.“ Dabei ging es um Desorganisation und Verwahrlosung. „Kindeswohlgefährdung“, so der Fachausdruck, sei nie ein Thema gewesen.
„Die Dokumentation der Arbeit mit der Familie ist vorbildlich“, beteuert Schikora, die von einer „hundertprozentigen Kollegin“, spricht, die bei der Familie am Ball geblieben sei: In den ersten anderthalb Jahren habe es monatliche Kontakte und überraschende Hausbesuche gegeben. „Zum Schluss haben wir eigentlichen keinen Grund gesehen, weiter zu kontrollieren.“
Jugend-Dezernent Michael Heesch (der eigens seinen Osterurlaub unterbrochen hat) betont, dass die Akte eine „sehr dichte Beobachtungsfolge“ dokumentiere und dass es „in der gesamten Akte keinen Hinweis auf Kindeswohlgefährdung“ gebe.
„Wir haben hier in Grevenbroich eine sehr aufmerksame Bürgerschaft“, führt Birgit Schikora weiter aus. So habe es im vergangenen Jahr 160 so genannte „8a-Meldungen“ über akut gefährdete Kinder gegeben. 90 Prozent davon führen erfahrungsgemäß zu jugendamtlichen Handlungen und Einschreiten. Bei der besagten Familie aber habe es keinerlei Hinweise gegeben, so die Stadt.
Die Schwester wurde inzwischen natürlich in Obut genommen; das Familiengericht wurde eingeschaltet. Und Birgit Schikora betont engagiert: „Wir wollen Teil der Aufklärung sein.“
Denn die Ermittlungen der Mordkommission dauern zum Zeitpunkt noch an. „Das sind Standardmaßnahmen, die jetzt laufen“, so Dässel.
Um die Ermittlungen nicht zu beeinträchtigen, könne man deswegen auch noch keine Aussage über die genaue Todesursache des Jungen tätigen.