Wo kauft Martina Suermann-Igné ein? „Jeder Konsument ist in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen“
Grevenbroich · Seit den Kommunalwahlen gibt es einen speziellen Ausschuss für die Innenstadt. Vorsitzende Martina Suermann-Igné (...die von einigen deshalb auch als „Bürgermeisterin der City“ bezeichnet wird) schildert im Interview mit dem Erft-Kurier, wo ihre Ziele liegen. Und was sie alles verändern will.
Sie sind in dieser Ratsperiode Vorsitzende des Ausschusses für Innenstadtentwicklung und Stadtmarketing. Was sind Ihre herausragenden Ziele?
Die Grevenbroicher Innenstadt ist wie in vielen anderen Städten der Identifikationsort für die Gesamtstadt. Der erste und wichtigste Schwerpunkt einer auf eine stabile Zukunft ausgerichteten Stadtentwicklungsstrategie ist daher zwingend die Stärkung und Weiterentwicklung der Innenstadt.
Innenstädte müssen ein Ort des Handels, Wohn- und Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsraum, Verwaltungssitz, Ort der Kultur, der besonderen Architektur und des Stadtlebens sein.
Um unsere schöne Stadt zukunftsfähig zu gestalten, brauchen wir passgenaue Instrumente und den konstruktiven Dialog aller Beteiligten. Wir brauchen eine Allianz für die Innenstadt!
Handel, Dienstleistung, Gastronomie, Eigentümer, Bürgermeister, Verwaltung, Politik und nicht zuletzt jeder einzelne, potentielle Konsument, ist in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen an einem Strang ziehen, um gemeinsam Rahmenbedingungen zur Belebung der Innenstadt zu schaffen, die Ansiedlungen ermöglichen, Bestand sichern und Expansionsmöglichkeiten eröffnen.
Eine strategische Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand, Bürgern, lokalen Akteuren und der Wirtschaft kann hier neue Entwicklungs- und Investitionsimpulse eröffnen.
Es mehren sich die Anzeichen, dass der schlimmste Teil der Pandemie hinter uns liegt. Was kann und muss jetzt getan werden, damit die Geschäftswelt in der Fußgängerzone möglichst gut durch den „re-start“ kommt?
Der Rat hat beispielsweise in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, dass die Gebührenpflicht für das Parken im öffentlichen Raum weiter bis zum 31. Dezember montags bis freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags vollständig entfällt. Dies ist ein kleiner Beitrag dazu, das Shoppen für Kunden attraktiver zu machen. Dabei darf es jedoch nicht bleiben. Wir brauchen weitere Anlässe, damit wieder mehr Besucher ins Zentrum kommen. Der Feierabendmarkt, ein City-Trödelmarkt, so wie er vor Kurzem in Dormagen angeboten wurde, müssen ermöglicht werden. Selbstverständlich sind die Corona-Regelungen einzuhalten und der Schutz der Gesundheit hat absoluten Vorrang, aber mit etwas Kreativität und gutem Willen ist das eine oder andere Event unter freiem Himmel sicherlich machbar. Wenn dann dazu dann auch noch die Geschäfte geöffnet haben, steht einem lebhaften Treiben in der City nichts mehr im Wege.
Außerdem müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um gemeinsam mit dem Handel die gesetzlich festgelegte Anzahl verkaufsoffener Sonntage vollumgänglich auszuschöpfen. Einen besseren „Anlassbezug“ als die Stärkung des innenstädtischen Handels nach Corona kann es aus meiner Sicht hier nicht geben.
Sicher ist es noch zu früh für ein City-Fest, so wie wir es aus der Vergangenheit kennen, aber etwas Straßenmusik und der eine oder andere Foodtruck schaffen eine angenehme Atmosphäre zum Einkaufen, Genießen und Verweilen.
Wie sieht Ihrer Meinung nach eine „Innenstadt der Zukunft“ aus?
Schon vor der Corona-Krise hat sich unsere Innenstadt verändert. Leerstände prägen seit langem das Gesicht der Stadt. Eines muss allen klar werden: Die „gute, alte Zeit“, als die Innenstädte weitgehend aus mit Menschen gefüllten Einkaufsstraßen bestanden, werden wir nicht mehr zurückholen.
Deshalb ist es so enorm wichtig, dass wir die alten Bilder aus unseren Köpfen verbannen und Platz für eine zeitgemäße Sicht auf unser Zentrum als Ort für Wohnen, Arbeiten und Leben schaffen.
Wir stehen auch in der Innenstadt vor einem Strukturwandel: vom reinen Handelsplatz – zum Einkaufserlebnis – zur Sinneswelt – zur Identifikationswelt.
Durch gestalterisch gelungene Einkaufs- und Wohnstraßen, durch Plätze mit hoher Gestaltungs- und Aufenthaltsqualität, einen gut ausgebauten ÖPNV, ein solides Parkraumkonzept und nicht zuletzt die Gewährleistung von Sicherheit und Sauberkeit können Verwaltung und politisch Verantwortliche einen wesentlichen Beitrag zur Attraktivierung und Belebung des Zentrums leisten.
Eine städtebauliche und architektonische Aufwertung des Zentrums ist für die zukünftige Entwicklung ebenfalls von großer Bedeutung. Gestalterisch qualitätvolle Architektur und attraktive öffentliche Räume sind die baukulturelle Grundlage für Verweilqualität und Wohlfühlatmosphäre. Durch Begrünung von Fassaden und Dächern sorgen wir für hohe Aufenthaltsqualität und ein gutes Stadtklima.
Wenn wir erfolgreich sein möchten, müssen wir die Frage beantworten, welches Bild wir unseren Besuchern vermitteln wollen? Ich möchte über „mein“ Grevenbroich der Zukunft sagen können: Wir sind einzigartig!
Marcus Töpp, neuer Center-Manager des Montanushofes (und auch der „Coens-Galerie“), sagt: „Der Handel allein kann es nicht richten.“ Stimmen Sie ihm zu? Was gehört außer den Läden in eine „moderne Innenstadt“?
Ich gebe Marcus Töpp recht, allein kann es der Handel nicht richten, aber der Handel bleibt ein wichtiges Element eines attraktiven Zentrums. Wir brauchen einen guten Mix aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Genießen und Verweilen!
Menschen wollen anfassen, riechen und schmecken, das alles geht nicht im WorldWideWeb, das alles geht aber im Grevenbroich der Zukunft! Hierfür werden wir auch durch die Arbeit im Ausschuss für Innstadtentwicklung und Stadtmarketing die Weichen stellen und ich hoffe sehr, dass wir das mit allen Fraktionen gemeinsam tun werden. Für mich zählt dabei, dass die beste Idee entscheidend ist und nicht wer sie hatte!
Marcus Töpp spricht zudem von einem Ideenwettbewerb, zu dem er gerade die „Mutigen“ motivieren will. Was halten Sie von dieser Idee? Die „Coens-Galerie“ aus Startbasis für Start-Uper?
Ein sehr interessanter Ansatz, um die leerstehenden Flächen in der Coens-Galerie zu bespielen. Im „Tibarg Center“ in Hamburg wurde im September 2020 ein ähnliches Projekt auf den Weg gebracht. Hier wurde kleinen Handelsunternehmen die Chance gegeben, kostengünstig ihr Unternehmen in einem Center zu präsentieren. Aber auch für andere Branchen ist der zentrale Standort mit guten Parkmöglichkeiten sehr interessant.
Hand aufs Herz: Wie viele Prozent Ihrer Einkäufe erledigen Sie in der Grevenbroicher Innenstadt? Wie oft kaufen Sie außerhalb von Grevenbroich ein? Haben Sie ein Amazon-Konto?
Immer dann, wenn ich in der Stadt unterwegs bin, nutze ich die Gelegenheit, das eine oder andere schöne Stück mitzubringen, mal ein Kleidungsstück aus meiner Lieblingsboutique, mal eine Tasche oder ein nettes Geschenk. Ich finde immer etwas in Grevenbroich und fühle mich von unseren Einzelhändlern stets bestens beraten. Leider kommt es nicht so oft vor, wie ich es mir selbst wünschen würde, da ich einen Großteil meiner Zeit in Düsseldorf am Arbeitsplatz verbringe. Natürlich kaufe ich auch in Düsseldorf auf dem Weg von der Arbeit zum Parkhaus schnell mal ein paar Dinge des täglichen Bedarfs ein und ja, ich habe auch ein Amazon-Konto. Ich bemühe mich aber ein ausgewogenes Verhältnis zwischen lokalem Handel und Internet zu bewahren.
Ihr Ausschuss ist so eine Art „Bezirksausschuss“, den es für die Kapellener und die Neurather (und für alle anderen) nicht gibt. Warum profitieren auch sie von Ihrer Arbeit?
Das urbane Leben unserer Stadt entwickelt sich auch heute noch ohne jeden Zweifel aus dem Zentrum heraus. Eine starke Innenstadt mit attraktiven Angeboten und hoher Verweilqualität hat für viele ein hohes Identifikationspotential.
Auch der Neurather, der Kapellener und alle anderen Bürger Grevenbroichs profitieren von einer lebendigen Stadt, die über die Stadtgrenzen hinaus über ein positives Image verfügt, wo man gerne „zu Hause“ ist! Ich freue mich, wenn ich mit Besuchern durch unsere Stadt gehe und man mich um unser attraktives Angebot im Zentrum und die traumhafte Lage an der Erft beneidet.
Das Interview führte Gerhard P. Müller.